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Gemeinde Hohe Börde kritisiert geplanten Wechsel der Zuständigkeiten bei Kita-Betreuung Rathaus sendet Notruf an den Landtag

Von Maik Schulz 30.11.2012, 01:14

Sturm gegen die Übertragung der Kita-Hoheit auf die Landkreise läuft die Hohe Börde. CDU und SPD werden wohl die Gesetzesänderung beschließen. Zwei ihrer Landtagsabgeordneten vor Ort beurteilen diese Pläne unterschiedlich.

HoheBörde l Das neue Kinderfördergesetz (KiFöG) soll noch in diesem Jahr beschlossen werden. In dieser Woche tagte der Landtagsausschuss für Arbeit und Soziales über die Novellierung des KiFöG, das im Sommer 2013 in Kraft treten soll. Kern des KiFöG ist der Ganztagsbetreuungsanspruch für alle Kinder - auch die von nicht beschäftigten Eltern. Kritik übt die Gemeinde Hohe Börde aber an der geplanten Übertragung der Hoheit für die Kitas. Im Auftrag des Gemeinderates hat Bürgermeisterin Steffi Trittel einen Brief an die Landtagsabgeordneten aller Fraktionen geschickt. Darin warnt die Gemeinde vor einem "massiven Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung". Im KiFöG-Entwurf gebe es "keinerlei Hinweise, wie dieses Gebilde zwischen Landkreis und Kommune zukünftig gestrickt werden soll." Die Gemeinde unterstreicht: "Dies kann nicht erst nach Beschlussfassung (des KiFöG) bekanntgegeben werden: Die Kommunen müssen Gelegenheit haben, aktiv an der zukünftigen vertraglichen Basis mitzuarbeiten."

Die SPD-Landtagsabgeordnete Rita Mittendorf steht voll hinter den Plänen ihres Sozialministers Norbert Bischoff (SPD): "Ich stehe zu den Inhalten des KiFöG, auch wenn es jetzt Gegenwind gibt. Bis 2003 hatten die Landkreise bereits die Kita-Hoheit. Und es hat auch funktioniert." Mittendorf begründete: "Wir wollen mittels der Landkreise nachvollziehen, was mit unseren Pauschalen für die Betreuungsplätze passiert. Für diese erheblichen Finanzströme wollen wir mehr Transparenz. Das heißt nicht, dass die Kommunen außen vor bleiben. Wir klären noch, ob die zu treffenden Vereinbarungen im Benehmen oder im Einvernehmen zwischen Kommunen und Landkreisen geschlossen werden. Fest steht: Das den Kommunen zustehende Geld wird nicht am Landkreis kleben. Ich kann die Ängste - gerade einer so aktiven Gemeinde wie der Hohen Börde - verstehen. Die Hohe Börde ist aber stark genug, um sich gegenüber dem Landkreis in der Ausgestaltung der Zusammenarbeit zu behaupten. Ich versichere: Die Kommunen werden durch das KiFöG nicht entmündigt. Sie behalten ihre Hoheit über die pädagogischen Konzepte und Programme in ihren Kitas. Es geht uns vor allem um die Nachvollziehbarkeit der Geldströme."

Langfristig soll Landkreis die Kita-Standorte regulieren

Langfristig versteht Rita Mittendorf die Einflussmöglichkeiten des Landkreises auch als Instrument, um angesichts des "Rückgangs der Kinderzahlen ab 2020 regulierend eingreifen zu können" - "ähnlich wie dies der Landkreis bei der mittelfristigen Schulentwicklungsplanung bereits tut". Außerdem soll es Mittendorf zufolge einen Passus zur Überprüfung der Wirkung des KiFöG nach zwei Jahren geben.

"Die Gemeinde Hohe Börde hat völlig Recht", erklärte der CDU-Landtagsabgeordnete Ralf Geisthardt. "Die neu gebildeten Verbands- und noch mehr die Einheitsgemeinden wie die Hohe Börde sind stark genug. Ganz Europa redet von Subsidiarität (die Entfaltung der individuellen Fähigkeiten, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung/d.Red.) und wir nehmen den Kommunen ihre Entscheidungshoheit für die Kitas weg. Der wahre Hintergrund ist doch, dass die SPD-Landtagsabgeordnete Petra Grimm-Benne als Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt hofft, dass zukünftig freie Träger von Kitas - wie die Awo - in den Verhandlungen mit den Landkreisen objektivere Verträge abschließen können als mit den Kommunen. Nur deshalb soll jetzt die Hoheit auf die Kreisebene gezogen werden", mutmaßte Geisthardt.

Geisthardt wird Abstimmung zum KiFöG boykottieren

Mit seiner Meinung habe er sich in der CDU-Fraktion des Landtages nicht durchsetzen können. "Ich unterliege aber dem Fraktionszwang und bin an die Koalitionsvereinbarung gebunden. Gegen meine Fraktion stimmen kann ich nicht. Deshalb werde ich an der Abstimmung der KiFöG-Novellierung nicht teilnehmen. Das ist wie bei der Armee, entweder Hacken zusammen und antreten oder gar nicht erst zum Appell erscheinen."

Gemeinde will in die Gestaltung eingebunden werden

Katja Salomon, die für Kitas zuständige Verwaltungsmitarbeiterin der Hohen Börde, erklärte aus ihrer mehrjährigen Erfahrung: "Die bis 2003 geltende Praxis mit der Federführung der Kinderbetreuung durch den Landkreis war schon problembehaftet. Die für uns heute entscheidende Frage ist: Wie werden wir mitgenommen? Im Moment fühlen wir uns nicht mitgenommen. Sicher gibt es Regelungsbedarf, weil einige Kommunen nicht in der Lage sind, ihre Kosten für einen Kita-Platz zu beziffern und die Verwendung der Kinderbetreuungs-Pauschalen nachvollziehbar offenzulegen. Für uns trifft das nicht zu. Wir haben das im Griff. Über das Wie der Transparenz der Finanzströme sollte aber vor der Gesetzgebung mit den Landkreisen und Kommunen gesprochen werden. Und nicht hinterher. Die Hohe Börde begrüßt eine einvernehmliche Regelung und nicht eine Regelung im Benehmen. Das ist unsere Kritik." Einvernehmen bedeutet, dass vor einem Rechtsakt das Einverständnis einer anderen Stelle (z. B. Behörde) vorliegen muss. Eine Entscheidung, die im Benehmen mit einer anderen Stelle zu treffen ist, setzt kein Einverständnis der anderen Stelle voraus.

Nun muss das Land entscheiden, wieviel Mitsprache sie den Gemeinden gestattet.