Turmdächer Schieferkleid des Doms hat ausgedient
Zwei ungleiche Schwestern prägen zurzeit den Anblick des Halberstädter Doms. Der Südturm trägt eine Kupferhaube, der Nordturm Schiefer.
Halberstadt l Verrutscht, beschädigt, komplett fehlend – so präsentieren sich die Schieferschindeln auf dem Nordturm des Halberstädter Doms. Jedenfalls, wenn man sie aus der Nähe in Augenschein nimmt. Der Blick von unten offenbart nicht, wie notwendig die im vergangenen Jahr begonnene Sanierung der Turmdächer ist, der aus Nähe schon.
Die Kulturstiftung des Landes Sachsen-Anhalt stellt pro Turm rund 450.000 Euro zur Verfügung, um die Dächer neu zu decken. Dabei werden die Schieferflächen durch Kupferhauben ersetzt. Weil die haltbarer seien und in punkto Kosten nicht viel teurer als Schiefer, hatte Dombaumeister Volker Lind zu Beginn der Sanierungsarbeiten erklärt.
Die Kupferbleche aufgebracht haben am Südturm Mirko Reinländer und Danny Lübeck, beide sind Mitarbeiter der mit der Neueindeckung beauftragten Dachdeckerfirma aus Nordhausen.
520 Quadratmeter Kupferblech wurden zugeschnitten, mit Edelstahlkrallen auf die mit einer Gewebeschicht versehenen Holzschalung des Daches befestigt. Doppelt gefalzt, greifen die Bleche jeweils mehrere Zentimeter ineinander. Damit alles wasserdicht und relativ sturmsicher ist. Schließlich pfeift der Wind in den 60 bis 90 Metern Höhe schon ganz ordentlich.
Halten soll die neue Dachhaut lange, rund 100 Jahre, schätzen die Dachdecker. Länger als der Schiefer, der in den 1960er Jahren auf die Turmhauben kam. Dass die Neueindeckung mit Kupfer erfolgt, habe auch mit der Baugeschichte des Doms zu tun, wie Volker Lind erläuterte. Wie die Türme im Mittelalter gedeckt waren, darüber schweigen die bislang gefundenen Quellen. Damals besaß der Dom allerdings noch nicht die spitz zulaufenden Türme, sondern solche, die eher denen von Notre-Dame in Paris ähnelten, also flach endeten.
In ihrer heutigen Form präsentieren sich die Domtürme seit 1892. Damals waren die Türme bereits zum zweiten Mal wegen Baufälligkeit saniert und neu aufgebaut worden. „Und 1892 hatten sie nachweislich eine Kupferdeckung. Die hatte die Firma Hirsch mitfinanziert“, sagt Volker Lind. Im Ersten Weltkrieg wurde Kupfer als kriegswichtig eingestuft und 1917 von den Turmdächern geholt.
Während für die Neueindeckung ein großes Gerüst aufgebaut wurde, eine sogenannte hängende Rüstung aus den Glockenstuben des Domes heraus, werden die für regelmäßige Inspektionen oder Wartungsarbeiten nicht errichtet. Das wäre zu teuer. Oft kommen Industriekletterer zum Einsatz, aber die müssen ja irgendwie aus dem Turminneren nach draußen gelangen. Dafür gibt es Luken. Und starke Haken für Sicherungsseile. Die wurden nach den Maßen der Vorgängermodelle neu angefertigt und montiert. Nur die alte Lukenkonstruktion sollte nicht übernommen werden. Hier entwickelte Mirko Reinländer eine neue Idee. Eine kleine Tür, mit mehreren schräg übereinander angeordneten Kupferblechen, die dank eines Lochblechs als Abschluss zwar Luft, aber keine Vögel ins Dachinnere lassen.
Noch hängt die Rüstung, denn im Frühjahr werden Steinmetze die Giebelgesime am Südturm reparieren. Dann ziehen die Handwerker um auf den Nordturm. Hier werden analog zum südlichen Pendant im Inneren des Turmdachs neue Podeste eingezogen und Kabel verlegt, um nicht mehr vom Tageslicht abhängig zu sein, wenn man mal ganz nach oben muss.