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Schließung Kita Athenstedt sucht Kinder

Sobald das Schuljahr 2019/20 beginnt, verlassen sechs von acht Kindern die Athenstedter Tagesstätte. Damit wäre deren Existenz gefährdet.

Von Sandra Reulecke 20.02.2019, 00:01

Athenstedt l Von den Sorgen der Erwachsenen merken die Kinder nicht viel. Freudig bauen sie einen Lego-Turm, blättern neugierig in bunten Büchern und erfinden Ausreden, warum sie sich noch nicht zum Mittagsschlaf hinlegen müssen. Alltag in einer Kindertagesstätte. Doch der könnte in Athenstedt, Halberstadts kleinsten Ortsteil, bald der Vergangenheit angehören. Der Kindertagesstätte fehlen ab dem Sommer schlicht genügend Kinder.

Mit gerade einmal acht Mädchen und Jungen ist die „Pusteblume“ mit Abstand die kleinste Einrichtung der Stadt. Und sechs der Kinder werden bald eingeschult. Zwar konnten im Ort Geburten und Zuzüge registriert werden – es gibt also Anmeldungen für die Kita – aber eben nicht genug, berichtet der Ortsbürgermeister Ralf Barthel (Buko).

Während er versucht, mit Vertretern der Stadt und des Ortschaftsrates eine Lösung zu finden, bauen die Eltern auf das soziale Medium Facebook. „Wir stehen kurz vor der Schließung“, heißt es in einem Hilferuf, der dort unter der Überschrift „Kita sucht Kinder“ veröffentlicht wurde. Wie die Tagesstätten-Leiterin Andrea Berniker, haben die Mütter und Väter die Hoffnung, so andere Eltern, die täglich von Halberstadt nach Niedersachsen zur Arbeit pendeln, anzusprechen.

„So eine kleine Einrichtung hat viele Vorteile“, betont Elternkuratorin Sabrina Flegerbein. „Es ist familiär und behütet, in direkter Nähe zur Natur.“ Auch, dass es keine Trennung nach Alter gibt, sei von Vorteil. „Die Großen nehmen die Kleinen mit. Es ist unglaublich, was die Kinder voneinander lernen“, sagt die 36-Jährige, die zudem Mitglied des Gemeindeelternrates ist.

Obwohl ihr Sohn zu den Abc-Schützen gehört, setzt sie sich für den Fortbestand der Einrichtung ein. „Die Schließung wäre eine Katastrophe. Die Kita ist ein essentieller Pfeiler des Dorflebens“, betont sie. Dass die Kinder Feste im Ort mitgestalten und Jubilaren ein Ständchen singen, seien nur einige Beispiele. Ohne Kita, da ist sich Flegerbein sicher, „stirbt das Dorf aus“. Immerhin sei eine gute Kinderbetreuung im Ort ein wichtiges Argument, um junge Familien für den Ort zu gewinnen.

Das sieht Bürgermeister Ralf Barthel, selbst Großvater, ähnlich. Wie er berichtet, ist die Schließung der „Pusteblume“ nicht zum ersten Mal Thema. „Vor Jahren, als wir noch selbstständig waren, gab es schon einmal Probleme.“ Erbaut wurde das Gebäude in der Wendezeit, für rund 30 Kinder konzipiert. „Das war eine realistische Zahl damals.“ Aber eben nicht auf Dauer. Bezahlbare Elternbeiträge und den Lohn von Erziehern bei sinkender Kinderzahl in Einklang zu bringen, sei schon damals eine Herausforderung gewesen. „Aber wir haben es immer irgendwie hingekriegt.“ Auch jetzt sei er optimistisch. Zumal sich auf den Facebook-Aufruf bereits Interessenten gemeldet haben.

Acht definitive Anmeldungen bis Mitte März sind die Mindestzahl. Mit weniger Kindern sei der pädagogische Effekt und ein soziales Miteinander einfach nicht mehr gegeben, sagt Peter Kuschel. Er ist als Fachbereichsleiter für die kommunalen Halberstädter Tagesstätten zuständig und unterstützt die Bestrebungen der Athenstedter. „Wenn es irgendwie geht, wollen wir die Kita-Landschaft so wie sie ist erhalten“, betont er.

Verwaltung, Vertreter der Kita und der Ortsbürgermeister feilen gemeinsam daran, der Kita ein Alleinstellungsmerkmal zu verpassen. Eine Ausrichtung nach Kneipp (Wasserheilverfahren) oder Montessori mit dem Grundsatz „Hilf mir, es selbst zu tun!“ seien im Gespräch. „Aber um das weiter zu verfolgen, muss erst sicher sein, dass die Kita nicht geschlossen wird“, so Barthel.

Ein möglicher Rettungsanker ist für ihn die Hortbetreuung. Die wird zwar aktuell mangels fehlender Nachfrage nicht angeboten, aber eine entsprechende Betriebserlaubnis existiert. „Ich weiß von fünf Eltern, die ihre Kinder ab kommenden Schuljahr in Athenstedt in den Hort geben würden“, sagt Sabrina Flegerlein.

Auch von Seiten der Mitarbeiter wäre man dafür offen, sagt Andrea Bernicker. Seit 2003 leitet sie die Einrichtung, in der es nur eine weitere Mitarbeiterin gibt. Beide Frauen haben keine Vollzeitstelle. Doch um „ihre“ Einrichtung zu retten, bestehe die Bereitschaft, mehr zu arbeiten.

Den Hort zu reaktivieren, sei eine Option, die es zu prüfen gilt, stimmt Peter Kuschel zu. Zumal die Nachmittagsbetreuung im Schachdorf Ströbeck, wo die Athenstedter Abc-Schützen eingeschult werden, sehr stark nachgefragt ist. Dort sind die Kapazitäten bald erreicht. Aber der Bereichsleiter warnt vor zu viel Euphorie. „Der Hort allein ist noch keine Rettung. Was ist mit den Vormittagen? Welche Eltern geben ihr Kind schon gern in eine Einrichtung, wenn es dort nur noch ein weiteres Kind gibt?“