Nikolaus So wird ein Schuh draus
Am Nikolaustag stehen Schue im Mittelpunkt. Das weiß auch Schuhmacher Kurt Littwin aus Halberstadt.
Halberstadt l Wohl auch die größten Putzmuffel haben gestern Abend zum Lappen gegriffen und ihre Schuhe blitzblank poliert – in Vorfreude auf reichlich Geschenke vom Nikolaus. Eine gute Creme, vielmehr braucht es nicht, um Stiefel und Co. zu säubern, sagt Kurt Littwin. „Aber einmal im Jahr reicht nicht aus. Schuhe müssen regelmäßig gepflegt werden“, fügt er lachend hinzu. Wie die Haut im Gesicht, muss auch Leder stets eingecremt werden, um geschmeidig zu bleiben.
Littwin kennt sich mit Schuhen aus – von Berufs wegen. Er ist gelernter Schuhmacher und hat ein Geschäft in der Halberstädter Altstadt. Den starken Ledergeruch darin mag er. „Nur an den Leim kann ich mich nicht gewöhnen.“
Sein Dialekt verrät, dass der Harz jedoch nicht seine Heimat ist. Er stammt aus Köln. „Wir sind vor zwei Jahren hergekommen“, berichtet er. „Ich wollte noch einmal eine Veränderung.“
Von Flensburg bis Leipzig habe er sich umgesehen. Halberstadt habe ihm und seiner Frau schließlich am besten gefallen. „Wir haben uns auch Wernigerode und Quedlinburg angeguckt. Aber da sind zu viele Touristen unterwegs.“ Er fühle sich wohl in der Region. „Das Klischee von den ‚sturen Harzern‘ kann ich nicht bestätigen“, sagt der 67-Jährige. Auch merke er zwischen den Kunden in Köln und Halberstadt kaum einen Unterschied.
Was hat ihn dazu bewogen, beruflich neu anzufangen statt das Rentenalter zu genießen? „Was soll ich denn sonst machen?“, stellt Littwin schulterzuckend eine Gegenfrage. „Man braucht doch eine Aufgabe.“ Und, so fügt er grinsend hinzu, er möchte seine Frau nicht nerven, indem er ständig zuhause ist. Sein Beruf sei mittlerweile ohnehin mehr Hobby. „Ich muss zum Glück nicht davon leben.“
Angesichts hoher Ladenmieten in der Stadt und der Konkurrenz durch Billigschuhe haben es Schuhmacher nicht leicht. „Die meisten Leute kaufen billig, Wegwerfschuhe. Da lohnt es sich nicht zu reparieren.“ Die Folge: Geschäfte und Werkstätten werden geschlossen. Laut Statistik-Portal statista waren 1999 noch 7949 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Schuhmacher in Deutschland gemeldet, 2011 waren es nur noch 6805. Immer weniger junge Leute lassen sich zum Schuhmacher ausbilden. „Aber das trifft ja auf viele Handwerke zu, dass immer weniger sie erlernen wollen“, sagt Littwin.
Er bedauere dies und könne das aktuelle Konsumverhalten nicht nachvollziehen. „Füße tragen einen durchs ganze Leben und die werden in etwas Billiges gesteckt“, sagt er kopfschüttelnd. Dabei sei der Preis nur auf den ersten Blick niedriger. „Langfristig spart man mit teureren Schuhen Geld“, betont er. Wer sich jede Saison neues Schuhwerk kaufe, zahle letztlich drauf.
Einige seiner, teilweise selbst hergestellten, etwa 25 Paare trägt Littwin schon so lange, wie seine Ehe dauert: 26 Jahre. Seine Frau besitzt übrigens rund 80 Paare, verrät er. Dank guter Qualität und Pflege seien hochpreisige Schuhe eine guten Investition, vor allem zeitlose Modelle. Wichtig sei, dass die Schuhe gut sitzen und Halt geben. Dann gibt es auch keine Blasen und Druckstellen. „Am besten kauft man Schuhe am Nachmittag“, rät der Fachmann.
Für ihn sei der Beruf noch immer erfüllend. Ganz im Gegensatz zu seinem ersten Job. „Ursprünglich habe ich mal Metallflugzeugbauer gelernt.“ Doch die Arbeit im Werk sei ihm zu eintönig gewesen, ließ keinen Platz für eigene Ideen und Kreativität.
Das kann er nun ausleben. Wenn er nicht gerade von Kopfsteinpflaster zerstörte Absätze erneuert, Sohlen austauscht oder Stiefel weitet, gestaltet er Unikate. Taschen und Gürtel zum Beispiel. „Ich verwende nur pflanzengegerbte Leder aus Deutschland.“ Und altes Material: Mehrere Jahrzehnte alte Koffer werden aufgearbeitet, das Leder einer 100 Jahre alten Handtasche wird für eine neue recycelt. „Daran sieht man, wie langlebig das Material ist, wenn es gepflegt wird“, sagt Kurt Littwin.