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Stadtfinanzen Millionenloch im Haushalt

Die Hoffnung währte nur kurz: Kein leichtes Plus, sondern ein kräftiges Minus wird 2019 in Halberstadts Etat zu verzeichnen sein.

Von Theo Weisenburger 06.09.2018, 01:01

Halberstadt/Ströbeck l Es ist geschenktes Geld. Doch ob es den Empfänger jemals erreichen wird, ist seit Dienstag fraglicher denn je. 1,8 Millionen Euro würde das Land den Ströbeckern, und damit der Stadt Halberstadt, für die Sanierung des alten "Gasthofs am Schachspiel" und dessen Umbau zum Dorfgemeinschaftszentrum samt integriertem Schachmuseum spendieren. Daran arbeiten die Ströbecker seit mehr als einem Jahr, was sich Vereine, Bürger und Ortschaftsrat ausgedacht haben, kann sich sehen lassen.
Der Haken dabei: Um die 1,8 Millionen Euro Fördermittel zu bekommen, muss die Stadt 200?000 Euro Eigenanteil aufbringen. Das Geld ist im Haushaltsplan 2019 nicht vorhanden, sagte Kämmerin Marion Kagelmann am Dienstagabend im Finanzausschuss. Schlimmer noch: Nach ersten Schätzungen klafft im Etat fürs kommende Jahr ein Loch von 7,5 Millionen Euro. Und selbst wenn Kagelmann das 2017 - dem einen guten Jahr - zurückgelegte Geld in die Hand nimmt, ist das Minus immer noch beträchtlich. Oder, um in der nüchternen Sprache der Finanzer zu bleiben - notwendige Einsparung: 5,565 Millionen Euro.
Wo das Geld herkommen soll, darauf wusste Kämmerin Kagelmann am Dienstag noch keine Antwort. Die Amtsleiter im Rathaus haben zwei Wochen Zeit, ihre für 2019 geplanten Vorhaben auf den Prüfstand zu stellen und Sparvorschläge einzureichen. Am Ende dürfte einiges auf der Strecke bleiben. Kagelmanns Vermutung: "Alles Neue fällt hinten runter. Wir haben sogar Probleme, die bewilligten Projekte umzusetzen."
Damit müssen nicht nur die Ströbecker um ihr Bürgerhaus bangen, auch andere Wünsche dürften nur noch schwer umzusetzen sein. Dazu gehören etwa die Anträge aus den Stadtratsfraktionen aus den vergangenen Monaten. Die wurden zurückgestellt, bis eine Finanzierungsmöglichkeit gefunden wird. Dazu gehören etwa die Wiedereinführung der vor Jahren aus Kostengründen eingestellten Vereinsförderung, die kostenfreie Nutzung von Bus und Straßenbahn von Kitas sowie freier Eintritt in den Tiergarten für Kinder sowie das kostenlose Parken in der Innenstadt für die ersten 15 Minuten. Alles zusammen würde das 109?000 Euro kosten.
Das ist zwar eine vergleichsweise geringe Summe. Doch das in vielen vorhergegangenen Sparrunden von den Stadträten vorgebrachte Argument ans Rathaus - "Ihr werdet schon was finden" - vermag die Kämmerin nicht zu überzeugen. "Das Problem ist ernst", sagte sie. Das betrifft vor allem jene Vorhaben, bei denen Fördermittel zum Einsatz kommen und deshalb die Stadt einen Eigenanteil zu tragen hat. Ist der nicht im Haushalt vorgesehen, wird die Kommunalaufsicht das Vorhaben nicht befürworten. Den Fördermittelantrag ans Land kann sich die Stadt in diesem Fall dann sparen.
Dieses Schicksal droht auch dem Ströbecker Bürgerhaus. Da half es auch nicht, dass Ortsbürgermeister Jens Müller (SPD) im Ausschuss für das Projekt warb und einige Argumente dafür fand. So soll das Schachmuseum in das Bürgerhaus mit einziehen, das jetzt vom Museum genutzte Gebäude kann verkauft werden. Den Erlös schätzt Müller auf bis zu 100?000 Euro. In das künftige Bürgerhaus habe die Stadt bereits 130?000 Euro investiert und müsste, auch wenn es nicht saniert wird, weiter viel Geld hineinstecken.
Diesen Argumenten widersprach die Kämmerin nicht. Doch am grundsätzlichen Problem ändere sich nichts. "Wie wir die Kuh vom Eis kriegen, wissen wir nicht. Das wird uns schwerfallen."
Doch warum fehlt plötzlich soviel Geld in der Stadtkasse? Der Grund ist paradox, es liegt am finanziell äußerst guten Jahr 2017. Damals gab es eine hohe Gewerbesteuernachzahlung, die Schlüsselzuweisungen des Landes waren wegen der hohen Flüchtlingszahlen in der Zast gestiegen. Mittlerweile hat sich die Gewerbesteuer auf ein niedrigeres Niveau eingependelt, die Flüchtlingszahlen ebenso. Die Schlüsselzuweisungen des Landes und die an den Kreis zu zahlende Umlage werden aber rückwirkend berechnet - 2019 rächt sich also das gute Jahr 2017 in Form sinkender Zuweisungen und erhöhter Kreisumlage. Das sei zum Teil absehbar gewesen und die Kämmerei habe auch Vorsorge getroffen, sagt Marion Kagelmann. Doch das wirkliche Ausmaß zeige sich erst jetzt.
Und die Misere wird nicht auf 2019 beschränkt bleiben, "das setzt sich in den Folgejahren fort", sagt die Kämmerin. Von 2020 bis 2022 rechnet sie mit einem jährlichen Fehlbetrag zwischen 23,2 und 3,9 Millionen Euro - auf Jahre hinaus droht der Stadt somit die Haushaltskonsolidierung mit Ausgabenstopp für freiwillige Leistungen.