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Stromtrasse Dingelstedter fühlen sich übergangen

Die Avacon will den Harzring als Freileitung bauen, gegen den Willen der Bürger. In Dingelstedt stellt sich der Versorger den Fragen.

Von Ramona Adelsberger 31.05.2019, 01:01

Dingelstedt l „Wir wollen diese Freileitung nicht.“ Mit diesem Satz sprach Katrin Packebusch den Bürgern, die zum Infotreffen gekommen waren, aus dem Herzen. Nachdem die Avacon ihre Entscheidung, die Harzring genannte Stromtrasse als Freileitung zu bauen, verkündet hatte, war der Netzbetreiber nun bereit, Rede und Antwort zu stehen.

Etwa 120 Bürger waren in das Dorfgemeinschaftshaus Dingelstedt gekommen. Auch die Avacon war mit großer Mannschaft dabei und hatte eine dreidimensionale Animation mitgebracht, die den Verlauf der Trasse visualisierte. Der Abend war zwar emotionsgeladen, blieb aber sachlich. Moderator Klemens Lühr, der Fragen und Meinungen sammelte, hat es souverän verstanden, die Emotionen herauszuhalten.

Avacon-Bereichsleiter Simon Fuchs informierte über die Bedeutung dieses Harzrings für die Versorgungssicherheit der Region. Am Ende soll der gesamte Harzring von Wasserleben über Dingelstedt und Schwanebeck bis nach Harsleben führen. Projektleiter Yannik Heisler erläuterte den Variantenvergleich des ersten Bauabschnittes, der zur Entscheidung für eine Freileitung auf der Nordtrasse geführt hatte. „Wir haben die verschiedenen Varianten durchgespielt, verglichen und berechnet.“ Ausschlaggebend sei am Ende das Geld. Das Energiewirtschaftsgesetz besagt, dass ein Erdkabel 2,75 mal teuerer sein darf als eine Freileitung. Der Faktor, der für den ersten Bauabschnitt von Wasserleben nach Dingelstedt berechnet wurde, beträgt 3,11. Für den gesamten Harzring habe die Berechnung sogar einen Faktor von 3,5 ergeben. Allerdings lässt das Gesetz auch zu, dass eine Erdkabelvariante dann möglich sei, wenn „naturschutzfachliche Belange“ gegen eine Freileitung sprechen. Dieser Aspekt kam in den Ausführungen zu kurz. Die Rede war vor allem von Kosten, kaum von Naturschutz. Dabei gibt es längst eine Reihe eindeutiger Einwände gegen diese Freileitung.

Ingeborg Wagenführ (Buko) und Thomas Krüger (CDU), die Bürgermeister von Osterwieck und Huy, hatten sich noch zum Jahresende an den Avacon-Vorstand gewandt und gebeten, auf die Besonderheiten der Region und die Ängste der Bürger einzugehen. Auf eine Antwort warten die Gemeindeoberhäupter bis heute. „Ich bin sehr enttäuscht und vermisse das Mitspracherecht unserer Bürger“, betonte Ingeborg Wagenführ. Thomas Krüger machte den Vorschlag, dass die Avacon die Mehrkosten für ein Erdkabel zunächst übernehmen könnte „Bei Abschreibungen über 40 Jahre fallen die jährlichen Mehrkosten kaum ins Gewicht.“ Die Antwort der Avacon-Vertreter war ernüchternd. „Wir sind unseren Aktionären verpflichtet.“ Das heißt nein.

Landwirt Heiko Bode erhielt für seine Worte viel Beifall. Er nannte die Freileitung eine Billigvariante, die er täglich vor Augen habe. „Die Trasse verläuft über meine Flächen, ich werde dem Bau von Masten niemals zustimmen.“ Allerdings musste er erfahren, dass die Avacon in einem solchen Fall das Recht der Besitznahme hätte.

Viele Bürger meldeten sich zu Wort und wurden gehört, alle sprachen sich gegen diese Freileitung aus. Nicht ein einziges Pro war zu hören.

„Ob es am Ende gelingen kann, die Pläne der Avacon zu stoppen und diese Freileitung zu verhindern, kann zur Zeit niemand sagen“, betonte Maik Berger, Sprecher der Bürgerinitiative „Freie Sicht auf Huy und Bruch“. Weil dieses Kunststück in anderen Bundesländern jedoch auch gelungen ist, sei er zuversichtlich. „Wir haben uns in der Bürgerinitiative organisiert und laden alle ein, sich anzuschließen. Je mehr wir sind, desto eher werden wir auch gehört.“

Nächste Schritte sollen nun sein, dass die Gemeinden und die Räte einen Einblick in die Kalkulation erhalten, die zur Freileitung-Entscheidung geführt hat. Allerdings sei nicht vorgesehen, die vorhandenen Zahlen von einer unabhängigen Firma vergleichen zu lassen. Das bedauerte der Dingelstedter Thomas Steckhan sehr. Er zweifelt diese Kalkulation grundsätzlich an. „Ich habe das Gefühl, dass hier im Sinne der Avacon gerechnet wurde.“

Weil das letzte Wort das Landesverwaltungamt hat, sei es sinnvoll, die Entscheidungsträger in die Region einzuladen. Die Politik sollte in die Pflicht genommen werden, den eindeutigen Bürgerwillen ernst nehmen und umsetzen.

Infos zum Planungsstand unter www.avacon-netz.de/harzring; Newsletter und Infos der Bürgerinitiative unter www.keine-freileitung-im-huy.de