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Museen Tee bei Gräfin Anna

Schloss Wernigerode gehört zum Projekt „FrauenOrte“. In diesem Rahmen wird zum Tee bei Gräfin Anna eingeladen.

Von Ingmar Mehlhose 24.11.2017, 06:00

Wernigerode l „Ich bin sehr offen dafür, denn der weibliche Teil der Geschichte kommt immer sehr kurz“, sagt Christian Juranek. Deswegen war der Geschäftsführer auch sofort angetan von der Idee, Schloss Wernigerode als Teil des Projekts „FrauenOrte in Sachsen-Anhalt“ nachhaltig mit Leben zu erfüllen.

Die beiden Gleichstellungsbeauftragten Thekla Kempe (Kreisverwaltung Harz) und Jana Diesener (Stadt Wernigerode) sowie Irmtraut Blume (Frauenzentrum Wernigerode) waren mit dieser Anregung an ihn herangetreten. Und so gab es dann im vergangenen Jahr schon bald die Premiere für „Gräfin Anna bittet zum Tee“.

Kustodin Eva-Maria Hasert schlüpfte dafür in die Rolle der Gattin von Graf Otto zu Stolberg-Wernigerode (1837-1896). In einem eigens im VHS-Bildungswerk Blankenburg geschneiderten Kleid aus Tüll. Originalgetreu nach einem Gemälde von der als Prinzessin Anna Elisabeth Reuß zu Köstritz (1837-1907) geborenen Adligen, siebenfachen Mutter, Theaterstücke- und Gedichteschreiberin.

„Wir haben ein neues Format entwickelt“, sagt Juranek nicht ohne Stolz. Bei ersten Treffen ging es zunächst in das Arbeitszimmer der Gräfin und späteren Fürstin. Anschließend folgte eine thematische Lesung mit Texten aus dem Buch „Fährmann hol über“ von Walther Wolfgang Freiherr von Goethe (1818-1885), dem jüngsten Enkel und letzten Nachfahren des Dichterfürsten. Es war 1848 – im Revolutionsjahr – erschienen und enthält eine ungeschminkte Beschreibung der damaligen sozialen Verhältnisse.

Jetzt, bei der zweiten Auflage der Teestunde, stand das Thema Hochzeit im Mittelpunkt. Der Geschäftsführer: „Heiratet man oder wird man verheiratet, ist es Liebe oder nicht, vielleicht aber auch eine Mischung von beidem.“ Die Berliner Schauspielerin Nicole Haase „servierte“ dazu Auszüge aus dem Roman „Effi Briest“ von Theodor Fontane.

Wichtig ist ihm, so Christian Juranek, dass es sich um ein Gemeinschaftsprojekt handelt, in dem sehr viel Arbeit steckt. Thekla Kempe backt zum Beispiel eigens für diesen Anlass, Jana Diesener sammelt bunte Blätter zur Dekoration der stilvoll eingedeckten Tafel. Er selbst betätigt sich als Diener.

Das Publikum ist zwischen Mitte 30 und um die 65 Jahre alt. Der Schlossherr: „Da waren ganz andere Leute hier. Denn darum geht es, eine neue Zielgruppe zu erschließen.“

Beide Veranstaltungen waren im Übrigen ausverkauft. Juranek: „Inzwischen gibt es schon eine Warteliste.“ Mehr als 60 Interessentinnen fasse die Halle nun einmal nicht.

Der Gastgeber hält es durchaus für denkbar, demnächst solch ein Angebot auch für die Herren der Schöpfung zu entwickeln. Eventuell unter dem Titel „Rotwein mit Graf Otto“.