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Jubiläum Tiergarten Halberstadt im Aufbruch

Klassikkonzerte in Gehegen und bunte Feste gehören zum Halberstädter Tiergarten. Der Zoo wird 60 jahre alt und will sich weiter entwickeln.

30.05.2020, 23:01

Halberstadt l Ein neuer Bewohner ist immer Grund zur Freude im Tiergarten Halberstadt. Und so wurde auch das kleine Hengstfohlen von Ponystute Loona nicht nur von den Mitarbeitern liebevoll begrüßt, auch die Besucher bleiben gerne stehen und beobachten Mutter und Kind. „Die ersten Tierpaten haben sich bereits angemeldet“, berichtet Zooinspektor Michael Bussenius, „da steht einem glücklichen Ponyleben wohl nichts im Wege.“

Die Ponys haben ihr Areal dort, wo sich in den kommenden Jahren eine Bauernhofanlage entwickeln soll, wie Tiergartenleiter David Neubert berichtet. Die Einrichtung wolle in Sachen Umweltbildung mehr anbieten, vor allem Kindern zeigen, woher die Produkte stammen, die unser Leben ermöglichen. „Weil wir für einen echten Bauernhof aber dann trotz unserer zehn Hektar großen Fläche zu wenig Platz haben, werden wir Tiere im Miniformat auf der Hofanlage haben“, kündigt Neubert an.

Der Bauernhof ist ein Bestandteil eines Entwicklungskonzeptes, das der neue Chef der Einrichtung erarbeitet hat. „Und das sich immer wieder ändert“, wie er schmunzelnd zugibt. Aber die Grundsätze stehen, nach wie vor treu bleiben will sich die Einrichtung mit ihren Ansatz, den Menschen engen Kontakt zu Tieren zu ermöglichen. Das lockt Besucher in die Einrichtung, die sich an die Hänge der Spiegelsberge schmiegt. 1960 wurde der Heimattiergarten gegründet.

Nimmt man die im 18. Jahrhundert existierende Fasanerie hinter dem sogenannten Pächterhaus des Gutshofes Spiegelsberge, blickt die Einrichtung sogar auf mehr Historie zurück als auf die vergangenen 60 Jahre. So finden sich im Areal auch Relikte der Parkgeschichte wie der zum ehemaligen Schießhaus gehörende Höhlendurchgang. Das Schießhaus war im Zuge der von Freiherr Spiegel beauftragten Umgestaltung der damals unbewaldeten Kattfußberge zu einem Landschaftspark errichtet worden. Diese Baureste stehen unter Denkmalschutz – wie die gesamte Tiergartenanlage. Das macht Neu- und Umbaupläne der in Jahre gekommenen Gehege und Volieren nicht einfacher. Bedarf es doch für jedes Vorhaben auch einer denkmalpflegerischen Genehmigung.

Aber diese Absprachen gehören eben dazu, die Zielstellung des Konzepts beeinflusst diese Besonderheit kaum. „Wir wollen in den kommenden 20 Jahren wieder mehr Tierarten hier präsentieren“, sagt David Neubert.

So sollen auf dem geplanten kleinen Bauernhof spätestens ab 2022 nicht nur Alpakas und Schafe zeigen, woher die Wolle kommt. Mit kleinen Rinderrassen wie dem Dexterrind kann Milch- und Fleischherkunft erklärt werden, ebenso wie mit den geplanten Kunekune Schwein oder dem Göttinger Minischwein. „Welche Art es dann genau wird, müssen wir sehen“, sagt Neubert. Wichtig sei, dass die Anlage zum Teil begehbar ist, um den Tieren ganz nah sein zu können.

Mit Laufenten und Zwerghühnern soll die Eierproduktion verdeutlicht werden. Und da hat der Biologe auch eine mögliche Brutstation im Plan, die sich im noch umzubauenden Stallgebäude ebenso finden soll wie Übernachtungsangebote für Fledermäuse auf dem leeren Dachboden. Mit der Brutanlage könne man die Entwicklung vom Ei zum Huhn anschaulich zu machen. Auch die Shetlandponys gehören zur geplanten Hofanlage, waren doch selbst die kleinen Pferde als Zugtiere im Einsatz.

Mit der tierischen Seite der Landwirtschaft sind die Umweltbildungsziele aber beileibe nicht abgedeckt. Dem Biologen liegen auch kleine Tiere am Herze wie Insekten. So sieht sein Konzept für die nächsten 20 Jahre auch eine Veränderung im Tierbestand an sich vor. Nicht nur, weil viele der zurzeit in der Einrichtung lebenden 600 Tiere aus 250 Arten selbst in die Jahre gekommen sind. „Nach und nach stehen wir ohnehin vor der Aufgabe, den Bestand zu verjüngen“, sagt Neubert, der auch eine Ausbildung als Jäger und Falkner vorzuweisen hat sowie Grundlagen der Forstwirtschaft studierte, bevor er ganz ins Biologiestudium wechselte.

Dabei entdeckte er, wie spannend die Insektenwelt ist, weshalb er gerne in den kommenden zwei Jahrzehnten auch ein Tropenhaus auf dem Gelände haben möchte. In denen sollen sich neben Reptilien wie Warane, Geckos und Krokodilen eben auch Insekten finden. „Ich bin ein großer Freund davon, Tiere in einem möglichst naturnahen Umfeld zu halten, also auch in Gesellschaft mit anderen, in ihrer Herkunftsregion heimischen Arten“, erklärt der aus Weimar stammende Neu-Halberstädter. Und so gehören für ihn in ein Tropenhaus eben auch Spinnen, Heuschrecken, Gottesanbeterin oder Fauchschaben. „Es gibt viele Insekten, die Geräusche machen, nicht nur die Grille. Und Insekten werden oft vernachlässigt, wenn es um den Erhalt der Artenvielfalt geht“, sagt Neubert. Zudem haben Insekten einen weiteren Vorteil – sie sind vergleichsweise klein, brauchen also keine hektargroßen Unterkünfte.

Dass seine Leidenschaft für Insekten und Spinnen nicht jeder teilt, weiß Neubert. Und er weiß auch, wie wichtig es ist, als niedlich empfundene Tiere im Bestand zu haben. Deshalb soll die Erdmännchengruppe neu aufgebaut werden und umziehen in ein deutlich größeres Gehege. Das ist ein konkreter Plan für die kommenden Monate. Allerdings muss er dafür die Finanzierung organisieren. Der zweite Tiergartenlauf könnte helfen. Aufgrund der coronabedingten Einschränkungen überlege sein Team gerade, diesen Benefizlauf virtuell stattfinden zu lassen. Also jeder Teilnehmer läuft eine Strecke, für die dann Sponsoren eine Summe zahlen.

Während das Erdmännchen-Gehege noch im Planungsstadium ist, sind die Arbeiten am neuen Gehege für die Präriehunde und Baumstachler bereits fast komplett beendet.

Hier haben die Mitarbeiter des Stadt- und Landschaftspflegebetriebes geholfen, vieles andere machen die Mitarbeiter des Tiergartens auch in Eigenleistung, um Kosten zu sparen. Wobei die Hanglage in den Spiegelsbergen für Baupläne oft besondere Herausforderungen parat hält. Andererseits sind sie für Mähnenspringer oder Gorale, eine asiatische Ziegenart, gerade besonders gut geeignet.

Letztere würde Neubert auch deshalb gern in den Bestand aufnehmen, weil sich die Halberstädter an europäischen und weltweiten Arterhaltungsprogrammen beteiligen wollen. So könne er sich auch sehr gut vorstellen, Varis und Kattas aus Madagaskar oder amerikanische Vielfraße in den Bestand aufzunehmen, ebenso südamerikanische Brillenbären, Krallenäffchen und afrikanische Klippschliefer, die wie Brillenpinguine, Beutelteufel oder Manule, eine kleine sehr puschlige Katzenart aus Zentralasien, im natürlichen Bestand bedroht sind. Auch Waldhunde und Rothunde oder Goldschakale kann sich Neubert in den Bereichen vorstellen, in denen jetzt die alte Dingodame lebt.

Erweitert werden soll auch das Greifvogelhospital, um gesundete Greife besser auf die Wiederauswilderung vorbereiten zu können. Bei den Vogelvolieren wird sich auch einiges ändern, folgt das Team dem jetzt vorliegenden Konzept. So sollen wieder Pfaue in einem neu zu bauenden Gehege Platz finden. Selten in freier Wildbahn anzutreffende Birkhühner sollen ebenso wie Truthuhn oder Jagdfasane in einigen Jahren in Halberstadt Tiergarten zu finden sein, des Weiteren eine kleine Falknerei, in der vor allem Kauz- und Eulenarten gehalten werden. „Wir sind hier mitten im Wald, da brauchen wir keinen Adler“, sagt Neubert.

Aber das ist, wie vieles, eben alles noch erst im Konzept niedergeschrieben. Dass es so umgesetzt wird, hält auch David Neubert für unwahrscheinlich. Schließlich ändern sich Anforderungen und Möglichkeiten immer wieder. Von den sehr engen Finanzmöglichkeiten mal ganz abgesehen. Zumindest der Erwerb der Tiere ist da unkritisch, denn meist geben Zoos überzählige Tiere kostenlos ab.

„Egal, wie sich der Bestand und die Anlage hier in den nächsten Jahren auch entwickeln wird, unserem alten Motto werden treu bleiben“, verspricht Neubert. Und das lautet seit 60 Jahren: Näher am Tier.