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Tierseuche Schweinepest nähert sich dem Harz

Der Leiter des Veterinäramtes zeigt auf, welche Folgen die Schweinepest hat und was im Ernstfall auf den Harz zukommt.

Von Sandra Reulecke 11.12.2018, 00:01

Halberstadt l Sperrgebiet im Oberharz. 28 Tage lang ist das Betreten des Geländes strengstens verboten. Ein vier Kilometer langer Zaun schottet es ab, Schilder daran warnen eindringlich vor der „Afrikanischen Schweinepest“ (ASP). Illegal entsorgte Reste von Wildbrett haben das tödliche Virus in den Harz gebracht.

Das Schreckensszenario ist zum Glück Teil einer Übung, die zeitgleich in Sachsen-Anhalt, Bayern, Sachsen und Thüringen stattfand. Für den Ernstfall wird trainiert, schnell und effizient mit Behörden, der Polizei und Ämtern zusammenzuarbeiten – trotz teils unterschiedlicher Gesetzgebung – sollte ein Fall von ASP gemeldet werden.

Bisher kam das in Deutschland nicht vor. Doch es sei nur eine Frage der Zeit. Mehr noch: „Es ist erstaunlich, dass es noch keinen Fall gab“, betont Dr. Rainer Miethig. Er leitet das Amt für Veterinärwesen des Landkreises Harz, das einzige des Landes, das an der Übung beteiligt war.

Seit einigen Jahren breitet sich die Tierseuche in Europa aus – und kommt Deutschland immer näher. 108 Fälle wurden 2018 in Belgien gemeldet. An der Ostgrenze sieht die Lage noch drastischer aus: 2341 Fälle in Polen, 28 weitere in Tschechien.

Die meisten Meldungen betreffen Wildschweine – und die vermehren sich rasant. „Der Zuwachs pro Jahr liegt bei etwa 230 Prozent“, informiert Veterinäramts-Mitarbeiterin Miriam Schöttke. Wie sie mitteilt, gibt es derzeit 39.298 Wildschweine in Sachsen-Anhalt – mehr als doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Aufgrund der steigenden Population werde das Virus immer schneller verbreitet.

Das Hauptrisiko für eine Übertragung ist jedoch der Mensch, betont Miethig. Zwar ist ASP für den Menschen nicht schädlich, aber er kann das Virus verbreiten und übertragen.

Und da sei der Harz besonders gefährdet. Zum einen ist die Region ein Tourismusgebiet, zum anderen ist die B6 eine wichtige Verbindungsstrecke für den Fernverkehr. Pendler und Reisende, die nach einer Rast ihre Wurstschnitte am Straßenrand entsorgen, können so ASP auslösen. Ebenso könnten Jäger, die die Hygiene-Vorschriften nicht beachten, und zum Bespiel mit verunreinigter Kleidung einen Schweinestall betreten, für eine Epidemie sorgen. Oder, wie im Fall des fiktiven Übungsszenarios, könnte ASP mit illegal weggeworfenen Wildbrett-Resten und Schlachtabfällen eingeschleppt werden. Diese Form der Entsorgung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und wird mit einer empfindlichen Geldstrafe geahndet. Dennoch werden immer wieder Fälle im Harzkreis registriert, berichtet der Amtsleiter verärgert.

Sollte die Afrikanische Schweinepest in Deutschland festgestellt werden, seien die Folgen weitreichend. Behörden, Tiermediziner, Polizei, Verwaltung, Grundstücksbesitzer, Jäger und die Presse müssen schnell reagieren, informieren und zusammenarbeiten, sagt Miethig.

Das Gebiet um die Fundstelle – bei der Übung ein Waldstück nahe Königshütte – wird sofort abgeriegelt. Dafür steht vom Land ein 25 Kilometer langer Zaun zur Verfügung. Ziel ist es, dass diese Sperrzone nach 28 Tagen wildschwein-frei ist. Dafür werden die Tiere sich selbst und dem Virus überlassen, erläutert Miriam Schöttke.

Ein acht Kilometer großer Radius um die Fundstelle wird zum gefährdeten Bezirk erklärt: Dort kann unter anderem die Freilandhaltung und Ernte eingeschränkt werden. Wildschweine werden getötet, für Haussschweine besteht ein Transportverbot. Auch in der Pufferzone, 16 Kilometer um die Fundstelle, wird die Wildschweinpopulation möglichst vollständig erlegt. Von jedem toten Wildschwein werden Proben auf ASP untersucht.

Der wirtschaftliche Schaden sei immens, so Rainer Miethig, immerhin gehört Deutschland zu den weltweit größten Schweinefleischproduzenten und -exporteuren. Das Image von deutschen Fleischwaren wäre auf Jahre geschädigt, die Existenz von allen, die direkt oder indirekt mit der Haltung und Produktion von Schweinen zu tun haben, gefährdet. Allein in Sachsen-Anhalt gibt es derzeit rund 1,3 Millionen Schweine in 2941 Beständen, wird auf der Landes-Homepage informiert.