Detlef Kleinfeld arbeitet seit 25 Jahren als Augenoptiker in Osterwieck Was einen Berliner ans Ende der Welt zog
Verrückte Brillen sind sein äußeres Markenzeichen. Eigentlich kein Wunder für einen Augenoptiker. Eher schon ein Wunder ist es, dass Detlef Kleinfeld vor 25 Jahren aus Rand-Berlin ans damalige Ende der Welt nach Osterwieck kam.
Osterwieck l Er ist einer der immer weniger werdenden Geschäftsleute, die es heute noch in der Osterwiecker Altstadt gibt. Das Einkaufszentrum in der Bahnhofstraße hat, so wichtig es fürs Umland auch ist, auf lange Sicht die Osterwiecker Innenstadt geschwächt.
Als im Stadtrat vor über 20 Jahren die Weichen für das Einkaufszentrum gestellt wurden, saß Detlef Kleinfeld selbst in diesen Gremium und muss wohl eine böse Vorahnung gehabt haben. Er stimmte als einer von wenigen Abgeordneten gegen das Vorhaben. "Ohne Mehrheiten kann man aber nichts bewegen", stellt er heute fest. Aber auch: "Die Innenstadt ist tot. Sie ist auch nicht mehr zu retten." Kleinfeld bedauert das sehr. Weniger für sein Geschäft, das er seit zwölf Jahren in der Neukirchenstraße betreibt. Über seine Zahlen klagt er nicht. Aber er würde einfach gern mehr Menschen auf der Straße sehen, die sich auch an seinen bunten Brillen im Schaufenster erfreuen.
Früher war das anders. Es gab nur wenige Kassenbrillengestelle - gewöhnlich aus Kunststoff hergestellt - und noch weniger Metallgestelle auf dem Markt. Und trotzdem standen die Leute Schlange vor der Tür. "Auf Zweistärkengläser musste man ein bis zwei Jahre warten", blickt Kleinfeld auf die Situation in der DDR zurück. Sein Geschäft hatte er Anfang Januar 1986 in der Mittelstraße eröffnet, die gerade zur Geschäftsstraße, zu einem Boulevard, ausgebaut wurde.
"Die Innenstadt ist tot. Sie ist auch nicht mehr zu retten."
Seine Berliner Herkunft hört man Detlef Kleinfeld heute noch an. Genaugenommen stammt er aus Eberswalde. Eine Kreisstadt, für ihn aber ein Vorort von Berlin. Hier wuchs Kleinfeld auf, ging bis 1973 zur Schule. Danach wollte er eine Feinmechanikerlehre im "richtigen Berlin" aufnehmen, was aber nicht klappte. Dafür wurde er bei Carl Zeiss Jena angenommen, aber als Feinoptiker.
Nach der Armeezeit qualifizierte sich Kleinfeld zum Brillenoptiker. Und spätestens als er seinem künftigen Schwiegervater, einem privaten Autosattler, begegnete, war für ihn klar: "Ich wollte mich selbständig machen." Was aber in der DDR nicht so einfach war.
Das Ziel vor Augen, hängte Kleinfeld noch ein Studium an und schloss 1982 als staatlich geprüfter Augenoptikermeister ab. Danach arbeitete er zunächst als angestellter Meister in Eberswalde, hatte aber immer schon in der Fachzeitschrift ein Auge auf Anzeigen, wo für Privatgeschäfte Nachfolger gesucht wurden.
Eine solche Anzeige betraf Halberstadt, wo Kleinfeld dann auch zunächst ein halbes Jahr arbeitete. Bis ihm dort eine Kundin aus Osterwieck erzählte, dass in der Ilsestadt dringend ein Augenoptiker gesucht werde. "Frau Donath und die Bürgermeisterin Frau Scholle haben mich nach Osterwieck geholt", betont Kleinfeld.
"Auf Zweistärkengläser musste man früher ein bis zwei Jahre warten."
Die junge, vierköpfige Familie bekam alle Unterstützung von der Stadt, ein Haus mit Geschäftsraum, Plätze in Kindergarten und Schule. In Osterwieck wurden in jener Zeit zahlreiche private Handwerker gesucht, die mit Unterstützung der Stadt Geschäfte eröffnen konnten.
Einen Hang zu schrillen Brillen hatte Kleinfeld übrigens auch damals schon. Zu DDR-Zeiten gab es dafür aber keine bunten Kataloge, Brillen ließ er aus Fahrradspeichen herstellen.
Die Wende bezeichnet er als "geil", auch wenn zunächst viele Menschen zu den West-Optikern strömten. Aber Osterwieck war auch nicht mehr das Ende der Welt, sondern lag plötzlich mittendrin.
Fast könnte man meinen, Detlef Kleinfeld trägt seine bunten Brillen nur zu Werbezwecken. "Ich stehe voll hinter dieser Art Brillen. Aber in meinem Alter brauche ich wirklich eine Brille. Ohne die kann ich nicht gucken."