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Stadtklima Wie viel Grün verträgt Halberstadt?

Geschmackfrage oder Beitrag zur Klimaentwicklung? Wie viel und welches Grün verträgt Halberstadt?

Von Sabine Scholz 30.09.2019, 01:01

Halberstadt l Braucht die Stadt andere Grünflächen? Ulrich Kasten ist davon überzeugt. „Die Wetterextreme nehmen zu, wenig Regen, höhere Temperaturen und viel Sonne sind begrenzende Faktoren, die man stärker bei der Grünflächengestaltung beachten sollte“, sagt der Naturliebhaber, der sich im Kreisverband Harz des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) engagiert.

Dass die zwei zurückliegenden Sommer extrem trocken waren, werde wohl niemand leugnen, so Kasten. „Dass wir das nicht bei der Trinkwasserversorgung gemerkt haben, ist dem Talsperrensystem im Harz zu verdanken. Aber auf Dauer sollte sich jeder überlegen, ob man wertvolles Trinkwasser zum Beispiel zur Rasenpflege einsetzt. Denn Rasen verhindert auch, dass Wasser in tiefere Bodenschichten gelangt“, sagt Kasten. Das Gras nehme bei Regen rund 70 Prozent des Wassers auf, nur knapp ein Drittel dringe in tiefere Schichten vor. Dort fehle das Wasser, bis in zwei Meter Tiefe sei der Boden trocken, das spüren auch mehr und mehr die Landwirte. „Das Grundwasserstockwerk ist in den vergangenen 40 Jahren um einen Meter gefallen“, so Kasten.

Ähnlich wie beim Waldumbau, wo die Fichten mehr und mehr durch Laubgehölze ersetzt werden, um einen widerstandsfähigeren Mischwald zu erlangen, sollte man auch bei der Grünflächengestaltung auf neue Varianten setzen. Für den BUND-Mann sind das Blühwiesen. „Blumenwiesen sind mehrjährige Lebensräume für Insekten und Pflanzen, wenn man denn dem jeweiligen Standort angepasstes Saatgut verwendet. Ein großer Vorteil ist auch, dass die Flächen weniger Pflege brauchen. Je magerer der Boden, desto weniger“, sagt Kasten, und auch bei satteren Böden würden ein bis zwei Schnitte im Jahr reichen.

Dass das dem Ordnungsgefühl und Schönheitsempfinden vieler Bürger zuwiderläuft, ist Kasten bewusst. „Vielleicht sind deshalb Blühstreifen in den Rasenflächen ein guter Kompromiss, dass können auch Privatleute umsetzen.“

Er selbst hat das bereits in seinem großen Garten getan. Deshalb weiß er, dass die Aussaat am besten zur Zeit der ersten Löwenzahnblüte passiert und wenn alles gekeimt ist, der Boden nicht mehr zu sehen, sollte ein erster Schnitt erfolgen. Das reduziere die mit aufgehenden Beikräuter, mancher würde Unkräuter sagen. Die könnten sich durch den Schröpfschnitt nicht aussamen – nicht unwichtig, wenn man bedenkt, dass Pflanzensamen von Melde oder Gänsedistel bis zu 30 Jahre lang im Boden überdauern können und keimfähig bleiben. Je nach Standort sollte dann nach der Margeritenblüte gemäht werden und dann im September wieder. Wobei hier die üblichen Rasenmäher eher ungeeignet seien, wie Kasten sagt, „besser sind Sichel, Sense, Balkenmäher, die schneiden nicht so tief. Stehen die Pflanzen höher, beschatten sie den Boden und verhindern das rasche Austrocknen.“ Leider, so seine Erfahrung, gebe es für den normalen Gartengebrauch keine adäquaten Balkenmäher, er habe bislang nur für Gärten zu große Geräte entdeckt.

Der Umbau einer Rasenfläche in eine Blühwiese ist aufwändig, gibt Kasten zu. Leicht sei es mit den Zwiebeln der Frühblüher, die einfach jetzt im Herbst sechs bis acht Zentimeter tief in den Rasen gesteckt werden. Allerdings sollte dann der Rasen erst gemäht werden, wenn die Blätter der Zwiebelgewächse gelb oder eingezogen sind. „Die gewohnte Ordnung ist dann natürlich erstmal weg“, so Kasten. Deshalb sei es immer wichtig, bei geplanten Umgestaltungen, die Einwohner rechtzeitig mit einzubeziehen und zu informieren.

Was bei Frühblühern funktioniere, reiche für Sommerblumenwiesen nicht aus, hier müsse die Fläche richtig vorbereitet werden. „Das ist Arbeit, aber es lohnt sich“, ist Kasten überzeugt.

Blühende Wiesen, das sagt auch der Halberstädter Dieter Behrens, seien allemal besser als vertrocknete Rasenflächen. Der Halberstädter kann bis heute nicht nachvollziehen, dass man die Rosen vom Osthang des Dombergs entfernt und dort nur Rasen angelegt habe. „Wenn man wenigstens die sich aussamenden Blühpflanzen stehen lassen würde, sähe der Hang im Sommer nicht so traurig aus“, ist sich Behrens sicher. Vielleicht, regt Ulrich Kasten an, könnte die Stadt den sang- und klanglos eingestellten Umweltpreis wieder beleben und Akteure auszeichnen, die auf ihren Grundstücken Rasen in Blühwiesen verwandeln“, schlägt Kasten vor.