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Karneval Wikinger & Co. in Böddensell auf Beutezug

Ob Wikinger oder Captain Kirk: Beim Wurtsingen In Böddensell sind die Menschen in fantasievollen Kostümen auf Beutezug gegangen.

Von Anett Roisch 01.02.2016, 00:01

Böddensell l Die Wikinger sind raue Gesellen, laut grölend und natürlich unheimlich stark. Aber am Sonnabend sind sie in friedlicher Mission in Böddensell von Haus zu Haus gegangen. Kein Wunder, dass die Bewohner des kleinen Ortes freiwillig Wurst, Schnaps und Eier heranschleppen, um die wilde Meute zu besänftigen. Auch der kleine „Wickie“, alias Nico Bliesener, ist dabei. So manches Mal reibt er an seiner Nase, so dass ein Geistesblitz folgt. Wenn die Männer von Flake den pfiffigen Jungen nicht hätten, dann wäre so manches Abenteuer gar nicht gut ausgegangen.

Captain Kirk, Thomas Patermann, beamte sich und seinen Freund Spock, Torsten Müller, vom Raumschiff Enterprise direkt auf die Dorfstraße. „Oh, unsere Thermo-Unterwäsche trägt am Bauch herum etwas auf. Können Sie die Fotos mit dem Bildprogramm bearbeiten?“, fragen sie die Fotografin und checken, ob trotz Wind und Regen ihre Haare noch liegen. Perfekt gestylt ist auch Charlie Chaplin, alias Florian Bortfeld. „Ich habe mir einen Film des britischen Komikers angesehen. Er ist ein toller Schauspieler. Mein Papa hat mir den Bart angeklebt“, verrät der elfjährige Junge und führt den unverwechselbaren Gang vor. In Böddensell ist auch das letzte Einhorn zu bewundern. Sie heißt Stella und ist drei Jahre alt. In Begleitung ihres Vaters Sebastian Eilert, einem Schotten, der wegen des kalten Wetters etwas drunter trägt, sind sie als Duo unterwegs. „Ich komme eigentlich aus Haldensleben, aber ich war als Kind sehr oft bei meiner Oma Margarete in Böddensell. Deshalb komme ich immer noch sehr gern hier her“, erzählt der Schotte. Ebenfalls in friedlicher Absicht ist auch Wilhelm Busse aus Flechtingen als chinesischer Soldat dabei. An seiner Brust hängen ein Orden als einstiger Volksschützenkönig und ein Anstecker für gutes Wissen. Ein anderer junger Mann trägt als Binsenbinder eine Kiepe auf dem Rücken und erklärt: „In Böddensell wurden früher Kiepen hergestellt. Deshalb trug der Ort den Beinamen Kiepen-Böddensell.“

Wo immer die verrückte Bande eine Rast einlegt, wird tüchtig gegessen und gebechert. Die Kinder stopfen sich die Bäuche mit Süßem voll. Als Blu, dem blauen Spix-Ara aus dem Kinofilm „Rio“, flattert Anja Bliesener vorneweg. Sie und ihr Bruder waren es, die 1994 mit einigen Verbündeten den alten Brauch der Winteraustreibung aus der Versenkung wieder hervorgeholt hatten. „Der Brauch war Ende der 1950er Jahre eingeschlafen. Diese Tradition haben wir wieder aufleben lassen. Seit dem sind auch ehemalige Böddenseller und Leute von weit her angereist, um dabei zu sein. Inzwischen sind auch unsere Kinder so groß, dass sie aktiv mitmachen“, erklärt Anja Bliesener und gesteht, dass die Hoffnung groß ist, dass die her-anwachsende Generation den Brauch weiter führt.

„Früher haben wir in Böddensell einen Maskenball gefeiert. Damals kam die Haldensleber Blaskapelle Fister und verbreitete Stimmung“, erinnert sich Fritz Bliesener, der Vater von Anja und Jens. Gut kann Fritz Bliesener sich an die Winter erinnern, in denen er selbst zu den Wurstsängern gehörte. „Damals haben Brunhilde Gruszka und ich uns als dunkelhäutige Zwillinge verkleidet“, denkt Rita Heineberg, die das Treiben mit Vergnügen verfolgt, zurück. Als Erdbeere zieht Ilsabe Reeger aus Haldensleben mit. „Wir sind wohl heute mit die ältesten Sänger. Auch mein Mann Siegfried, den ich an meinem 70. Geburtstag geheiratet habe, ist heute als Postminister von der Partie“, verrät die süße Frucht. Verhungern wird von den Wurstsängern niemand. Und auch alle Böddenseller sind nach dem Umzug zum Festessen eingeladen. Und weil dann meist noch soviel übrig ist, dass es noch für mehrere Veranstaltungen reicht, wird der Kinderfasching am Tag darauf mit einem Frühschoppen im Dorfgemeinschaftshaus gestartet.