Feldhamster Mammendorfer hilft Nager

Der Feldhamster steht deutschlandweit auf der roten Liste der gefährdeten Tierarten. Ein Mammendorfer Landwirt hilft dem Nager.

Von Annika Stock 26.03.2016, 00:01

Haldensleben l Der Feldhamster ist zu Zeiten vor der Wende ein Plagegeist gewesen: Er hat Felder abgefressen und Ernteausfälle verursacht. Damals ist regelrecht Jagd auf den Nager gemacht worden. Sein Fell wurde verkauft und zu Kleidungsstücken verarbeitet. Erst durch das Inkrafttreten der Bundesartenschutzverordnung im Jahr 1990 ist das Fangen der possierlichen Nagers beendet worden.

„Selbst Kleintierhalter haben damals den angesammelten Wintervorrat der Hamster ausgegraben und für sich beansprucht“, weiß Burkhard Belcour, Sachbearbeiter in der unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt Wolmirstedt. Heutzutage ist der Hamster stark gefährdet. Er steht auf der sogenannten „Roten Liste“ für bedrohte Tierarten.

Der Feldhamster fühlt sich insbesondere auf Schwarzerdeböden und landwirtschaftlich genutzten Flächen und Feldern zuhause. Wie groß das Hamstervorkommen im Landkreis Börde ist, lässt sich nicht beziffern. „Eine Zählung des Feldhamster ist zu umfangreich“, sagt Belcour.

Im Schnitt werden die Nager zwischen drei bis fünf Jahre alt. Feldhamster bekommen zwei bis dreimal im Jahr Junge. Ab bereits zehn Wochen sind die Hamster geschlechtsreif und können eigenen Nachwuchs zeugen. Durch diesen Umstand erklärt sich Belcour auch die damalige „Plage“ des Nagers.

Heutzutage muss der pelzige Feldbewohner jedoch um seine Existenz fürchten: Räuber wie Fuchs, Greifvögel wie beispielsweise der ebenfalls streng geschützte Rot-Milan, oder andere geflügelte Jäger erbeuten den Feldhamster oft. Der größte Feind des Feldhamsters ist jedoch immer noch der Mensch: Sei es durch die intensive Bewirtschaftung oder den Straßenverkehr.

„Die meisten Feldhamster schaffen das erste Jahr nicht, weil sie beispielsweise totgefahren werden“, so der Sachbearbeiter. Auf eigene Faust hat Belcour die Strecke, die er tagtäglich zur Arbeit fährt, mal genauer unter die Lupe genommen. „Ich habe die toten Hamster am Straßenrand gezählt. Es ist keine repräsentative Studie, aber im Jahr 2012 habe ich 353 tote Feldhamster am Straßenrand gezählt“, sagt er.

Das Problem ist auch Landwirt Kay Brüggemann aus Mammendorf bekannt. Er hat es sich neben seiner Arbeit als Landwirt zur Aufgabe gemacht, seine Zeit dem bedrohten Feldhamster zu widmen. Seit 20 Jahren setzt er sich schon für den kleinen Nager ein.

„Viele Punkte gefährden den Hamster. Als Hauptursache für den Rückgang nach der Wende denke ich, dass die Umstellung in der Landwirtschaft auf Winterfrüchte ein großer Faktor ist. Hinzu kamen das Zehnfache an Autos und das Dreifache an Füchsen. Auch Greifvögel und Kolkraben erbeuten den Feldhamster“, sagt der Mammendorfer. Seit 1998 hat der eine sogenannte „Mutterzelle“ auf einem seiner Felder angelegt. Dies ist ein umzäunter Bereich, mit einer Fläche von 2500 Quadratmetern, auf welcher der Hamster in Ruhe leben kann.

In Ruhe bedeutet, dass die Fläche nicht beerntet wird und ausreichend Getreide und Deckung vorhanden sind. Noch dazu können keine Raubvögel auf dem Zaun um die Mutterzelle herum landen und Ausschau nach dem Nager halten. Durch die gesicherte Nahrung und die guten Bedingungen wandert ein Teil der Feldhamster von diesem Areal nicht weiter und bleibt somit in einer Art Sicherheitszone.

„Die Mutterzelle hat funktioniert. Es ist die erste ihrer Art. In Hessen und den Niederlanden ist sie auch schon in abgewandelter Form eingesetzt worden. Sie ist sehr effektiv zum Schutz des Feldhamsters“, so der 42-Jährige.

„Den Feldhamster zu schützen, ist mir ein Anliegen“, erklärt Brüggemann. „Als Kind habe ich selbst noch die Hamster gefangen, als sie noch eine Plage waren. Das fast völlige Verschwinden nach der Wende tat mir dann doch leid“, erzählt der Mammendorfer.

Allerdings sieht er die große Nachfrage nach Ackerflächen auch als Vorteil für den Feldhamster. „Viele Landwirte heißt auch viele Flächen. Dadurch, dass sie unterschiedliche Früchte und Maßnahmen zum Anbau nutzen, hat der Hamster bessere Chancen zu überleben“, so der Mammendorfer. „Diese Faktoren könnten ein Indiz dafür sein, dass der Hamster bei uns in der Gegend so oft vorkommt“, vermutet der 42-Jährige.

„Ich freue mich, dass der Hamster wieder in der Gemarkung zu finden ist“, erzählt Brüggemann. Er bekommt von anderen Landwirten in der Region unterschiedliche Meinungen zu hören, wenn es um das Thema Feldhamster geht. Vor fünf Jahren hatten manche Landwirte kaum Berührungspunkte mit dem Feldhamster. Durch den Anstieg der Population in den letzten drei Jahren hört Brüggemann aber oft Meinungen wie „es gibt so viele Hamster, da hättest du dich gar nicht für den Schutz der Tiere einsetzen müssen“.

Derzeit unterstützt er die 22-jährige Lehramtsstudentin Lea Schmidt aus Marburg bei ihrer Examensarbeit. Sie schreibt über die Effektivität von hamsterfreundlicher Bewirtschaftung in der Magdeburger Börde. Die beiden gehen zusammen über die Felder von Brüggemann, schauen nach Hamsterbauten und danach, wie sich der Bestand entwickelt hat. „Wir hatten im Spätsommer vergangenen Jahres eine sehr starke Vermehrung bei den Feldhamstern. Es waren Mutterbaue mit sieben Jungen dabei“, so der Landwirt. Brüggemann schätzt die aktuelle Anzahl der Feldhamster auf viele Tausende in der Region.

Lea Schmidt möchte neben der Beobachtung des Hamsterbestandes eine Umfrage unter den Landwirten im Landkreis durchführen. „Naturschutz ist ein sehr aktuelles Thema. Er betrifft jeden und man sollte tiefer bei dem Thema anfangen“, ist die 22-jährige Studentin überzeugt.

Der Feldhamster rückt vor allem dann in die Öffentlichkeit, wenn es um Baumaßnahmen auf Feldern geht. „Wo der Verdacht besteht, wird geprüft, ob der Feldhamster auf dieser Fläche vor kommt. In Osterweddingen ist das Vorkommen des Feldhamsters schon öfters auf einer Baufläche der Fall gewesen, dann wurden die Tiere umgesiedelt“, so Belcour. Die Hamster werden dann mit einer Lebendfalle gefangen, als Köder gibt es meist Körner oder Apfelstücke. Dann werden sie auf einer anderen, geeigneten Fläche wieder ausgesetzt.

Doch wie landen bedrohte Tier- und Pflanzenarten überhaupt auf der roten Liste? Das weiß Katrin Windel, Sachbereichsleiterin im Landratsamt für Forsten und Naturschutz in Wolmirstedt: Um festzustellen, ob eine Tier- oder Pflanzenart gefährdet ist, werden im Voraus verlässliche Daten durch die Bestandssituation erhoben. Experten befassen und bewerten dann je nach den Beständen, die Lage der jeweiligen Art.

Den Naturschutz im Landkreis Börde gibt es schon seit der Zeit vor der Wende. Damals bewältigten Kreisnaturbeauftragte und Helfer das Thema Naturschutz. Das Landratsamt arbeitet mit den verschiedenen Naturschutzbehörden und Vereinen wie beispielsweise Nabu zusammen. Laut Katrin Windel gibt es viele Ursachen für das Verschwinden von Tier- und Pflanzenarten. „Unter anderem kann beispielsweise die intensive Nutzung von Flächen als Ursache gelten. Aber auch die verstärkte Freizeitnutzung in der Fläche ist ein Grund dafür, dass Arten rückläufig sind“, so Windel. „Immer dann, wenn es mit Nutzungsrechten zusammentrifft, gibt es bei dem Thema Artenschutz Konflikte“, weiß Katrin Windel aus Erfahrung. Die Naturschutzbehörde muss dann meistens vermitteln. „Wir versuchen, die Konflikte zu minimieren.“, so die Sachgebietsleiterin.