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Ausprobiert Mit der Mistforke auf Mission

Hallo Abenteuer! In der Serie "Ausprobiert" tauchen wir in Beruf ein. Heute: Anett Roisch mistet den Kuhstall in Seggerde aus.

Von Anett Roisch 05.02.2020, 00:01

Seggerde l Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen aufblitzen, beginnt der Arbeitstag auf dem Hof der Familie Drüsedau in Seggerde. Frauke Drüsedau hat mich als Stadtmensch eingeladen, Stallluft zu schnuppern. Meine Mission ist es, mit der Forke den Kuhstall auszumisten. Auf dem Weg zum Stall erzählt mir die 21-Jährige: „Unser Tag beginnt damit zu schauen, ob es den Tieren gut geht. Dann wird gefüttert. Die Mastrinder kriegen Mais, Grassilage, Heu und Schrott.“

Die junge Bäuerin ist nun meine Chefin und erklärt mir, was zu tun ist. Die „Mädels“ - so nennen die Drüsedaus ihre Kühe – schauen mich skeptisch an. Als ich versuche, sie zu streicheln, weichen sie von mir. Aus sicherer Entfernung beobachten mich die Vierbeiner. „So eine rote Pudelmütze wie Ihre haben die Mädels noch nicht gesehen“, sagt Landwirt Heiko Drüsedau schmunzelnd.

„Bei uns haben nicht alle 120 Mastrinder und Mutterkühe Namen“, erklärt seine Tochter und stellt mir eine Mistkarre bereit. „Es muss stinken“, motiviert mich der Hofherr, tiefer mit der Forke in die untere Schicht zu stechen. Stück für Stück jongliere ich den Stalldung in die Karre.

Während Heiko Drüsedau nur ein mitleidiges Lächeln für meine Anstrengungen hat, schwärmt er vom Selbstbewusstsein und der Entschlussfähigkeit seiner Tochter. „In ihrem Alter weiß sie genau, was sie will. Sie geht einfach ihren Weg“, sagt Vater Drüsedau voller Bewunderung. Er gesteht, dass er nur durch besondere Umstände zum Beruf des Landwirtes kam. „Ich habe eigentlich mal Schlosser gelernt. Mit der politischen Wende übernahm ich den Hof meiner Großeltern. Meine Frau Claudia und ich hatten damals überlegt, einfach ein paar Kühe zu halten, um den Hof zu erhalten. Aus einer Laune heraus ist der Betrieb hier entstanden“, erinnert er sich.

Es folgte für Heiko Drüsedau eine zweite Ausbildung als Landwirt. Er besuchte die Fachschule in Haldensleben und wurde außerdem staatlich geprüfter Wirtschafter. Während Vater und Tochter auf dem Hof wirtschaften, arbeitet Mutter Claudia Drüsedau im Umweltamt. Sohn Christian ist 18 Jahre alt und lernt bei Nord-Zucker in Wanzleben den Beruf des Industriemechanikers.

Noch leitet Heiko Drüsedau den Betrieb allein. „Wenn Frauke möchte, kann sie den Betrieb übernehmen. Das Unternehmen ist inzwischen so groß, dass ich es allein gar nicht mehr schaffe“, beschreibt der Landwirt. Er erzählt, dass er Glück hatte und im vergangenen Jahr noch Flächen zum 250 Hektar großen Familienbesitz dazu pachten konnte. Durch die Bürokratie, die immer größer wird, müsse er an zwei Tagen in der Woche nur im Büro sitzen, um alles am Laufen zu halten. „Momentan arbeite ich nicht unter zehn bis zwölf Stunden am Tag“, sagt der Landwirt. Seine Tochter ergänzt, dass der Winter ja eigentlich die ruhigere Zeit sei. In der Erntezeit gäbe es noch viel mehr zu tun.

Obwohl die junge Landwirtin weiß, was auf sie zukommt, ist sich ganz sicher, dass der Hof ihre Zukunft sein soll. Bereits mit 14 Jahren habe sie gewusst, dass sie genau diesen Beruf erlernen möchte. „Ich bin auf dem Bauernhof aufgewachsen. Ich hatte mir zwar noch andere Berufe angeschaut, aber letztlich fiel meine Entscheidung auf die Landwirtschaft. Hier bin ich jeden Tag an der frischen Luft. Kühe sind meine Lieblingstiere“, sagt sie. Ihre Freude sei, zu sehen, wie Kälber im frischen Stroh toben. „Kühe sind nicht hinterlistig, sondern herzensgut“, weiß die Seggerderin. Zu ihren Favoriten gehört Safra. „Sie kommt aus meinem ehemaligen Ausbildungsbetrieb in Wulferstedt. Das ist ein Herdbuchbetrieb, in dem jede Kuh einen Namen bekommt“, erzählt sie. Im letzten Sommer hat Frauke Drüsedau ihre Ausbildung dort beendet und ihre Prüfung als Landwirtin mit Bravour bestanden. Jetzt studiert sie in der Fachschule für ökologischen Landbau in Salzwedel.

Sie gesteht, dass sie statt High Heels lieber Gummistiefel trägt. In ihren Wohlfühlklamotten verbringt sie den Tag am liebsten bei den Tieren. Auch ich bin froh, dass es im Stall nicht auf ein gestyltes Outfit ankommt. Schon bei der erste Karre Mist fange ich an zu schwitzen, ziehe meine Jacke aus und setze meine Pudelmütze ab. „Den Kühen ist es völlig egal, ob die Haare liegen oder nicht“, verrät Frauke Drüsedau. Jetzt – wo ich mützenlos bin – kommen auch die Kühe näher. Es ist nicht so einfach zu misten, wenn eine 500 Kilogramm schwere Kuh im Weg steht und keinen Millimeter weichen möchte. Ich rede mit ihnen, aber schnell wird klar, dass die Kühe die Königinnen im Strohreich sind und ich nur das Hilfspersonal. Neugierig schnuppern sie, schauen mich mit ihren großen Kulleraugen an und nehmen mit ihrer rauen Zunge auf meiner Wange Kontakt auf.

Die Vorstellung, dass aus ihnen mal Rouladen werden, lässt mich überlegen, vielleicht künftig auf Fleisch zu verzichten. „Das Schlachten gehört dazu. Die Tiere haben ja bei uns ein gutes Leben“, sagt die junge Landwirtin. „Der Tag, wenn es zum Schlachten geht, fällt uns auch nicht einfach. Aber das ist einfach so. Der Kunde möchte Fleisch essen. Neuland zeigt uns, dass viele Menschen langsam umdenken. Es geht nicht nur um billig, sondern der Kunde guckt, wie die Tiere aufgewachsen sind, was gefüttert wurde und ob die Tiere aus der Region kommen“, sagt der Hofherr.

Drüsedaus legen großen Wert darauf, dass die Tiere nur vom eigenen Futter ernährt werden. „Das Heu ist das Gras, welches auf unseren Wiesen wächst, das Schrot ist Getreide von unserem Acker und auch der Mais ist von unseren Feldern. Was wir dazu kaufen, ist Mineralfutter“, beschreibt sie. Genau deshalb gehöre das Unternehmen zu Neuland. NEULAND-Qualitätsfleisch ist ein Markenzeichen. „Neuland ist ein Programm für besonders tiergerechte und umweltschonende Haltung. Die Tiere stehen im Offenstall auf Stroh und sind den Großteil ihrer Lebenszeit auf der Wiese. Anders würde ich auch keine Tiere halten wollen“, betont die junge Frau und zeigt mir ein Kalb, das gerade einen Tag zuvor das Licht der Welt erblickt hat. Ich staune wie groß das Kälbchen schon ist. „Ja, das ist das, was wir wollen, dass die Kälbchen gleich fit sind und bei der Mutter nuckeln. Das sind die besten Kälber“, weiß die Landwirtin.