1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Haldensleben
  6. >
  7. Jung und Alt auf dem "Hof No. 7"

Begegnung Jung und Alt auf dem "Hof No. 7"

In Velsdorf entsteht ein Erlebnis- und Begegnungs-Hof. Die jungen Besitzer wollen Kontakt mit der älteren Generation knüpfen.

Von Anett Roisch 11.03.2019, 09:00

Velsdorf l Es war einmal an einem Freitagnachmittag. Da waren ältere Herrschaften eingeladen, auf dem „Hof No. 7“ ein kleines Kaffeefest zu Ehren der Frauen des Ortes zu feiern. Schon einige Monde zuvor hatten Michael und Marco Dörheit die Idee, das verlassene Grundstück wieder zum Leben zu erwecken. Die Brüder fanden Gleichgesinnte und gründeten 2018 den Verein „Hof No. 7“.

Auf dem Hof herrschte Aufregung, denn ein Habicht hatte sich eines der Hühner geholt. Aufgeregt lief der Hahn hin und her, um nun die anderen Gefiederten zu beschützen.

Hofherr Michael Dörheit blieb gelassen, während sein fast zweijähriger Sohn neugierig beobachtete, wie die ersten Gäste eintrafen. Dörheit erklärte: „Wir wollen, dass das Handwerk nicht vergessen wird. Das Zusammenkommen zwischen Jung und Alt ist uns wichtig. Von älteren Leuten kann man viel lernen. Ziel ist nämlich, dass die Älteren ihr Wissen an die jüngere Generation weiter geben.“

Die Idee zu diesem Treffen der Generationen war beim Fest des Handwerks im Herbst des vergangenen Jahres entstanden. Damals tummelten sich hunderte Gäste auf dem Hof zu Schauvorführungen, Musik und Speisen.

Zehn Frauen und ein Herr, der als Leibwächter die holden Schönheiten begleitete, saßen erwartungsvoll an der Tafel. Aura Görlitz hatte Kuchen gebacken. Die junge Frau, die auch zum Verein gehört, stellte Mohnkuchen und Dresdner Eierschecke auf den langen Tisch im herrschaftlichen Wohnzimmer des einstigen Bauernhauses. Dort verbreitete ein Kachelofen wollige Wärme. Michael Dörheit holte den Kaffee aus der Küche. Sein Vater Siegfried Dörheit ist gleichzeitig der Ortsteilbeauftragte von Velsdorf. Er begrüßte die Damen zum Internationalen Frauentag und beschenkte sie mit gelben Rosen, die er mit Grüßen des Sponsors und Königs – ach Quatsch – des Bürgermeisters der Gemeinde Calvörde, Volkmar Schliephake, überreichte. „Mein Ansinnen ist es, dass die Rentner im Ort sich wieder regelmäßig treffen. Wenn ihr euch hier wohl fühlt, könnte es euer neuer Treffpunkt werden“, schlug Dörheit vor.

Beim Speisen erinnerten sich die Gäste an die Geschichte des Hofes. „Früher gehörte dem Großbauern Richard Schulze Haus und Hof“, erzählte der 91-jährige Willi Fehse. „Schulzes hatten einen Sohn, der im Krieg gefallen war. Nach 1945 musste die Familie raus aus dem Haus. Sie sind nach Calvörde gezogen. Der Hof wurde zum Volkseigenen Gut“, erzählte Hildegard Mahneke, die mit 87 Lenzen die betagteste Dame in der Runde war.

Jeder am Tisch verband mit dem Haus Erinnerungen. Nach dem Krieg war es eine Heimstätte für Flüchtlinge und Vertriebene.

Ab 1955/56 diente das Gebäude als Kindergarten. „Es war damals ein Ernte-Kindergarten. Zum Mittagessen ging es nach Hause und zum Schlafen wieder her. So konnten die Mütter auch auf dem Feld arbeiten“, erinnerten sich die einheimischen Frauen. „Der Raum, in dem wir jetzt sitzen, war der Spielraum, nebenan im Zimmer haben wir geschlafen“, erinnerte sich Gudrun Harpke.

Siegfried Dörheit erzählte, dass er auch noch ein fast vergilbtes Foto besitzt, auf dem er als Junge im Kindergarten auf der Treppe vorm Haus mit anderen Spielkameraden steht.

Für einige Zeit hielt auch der Landarzt im Haus seine Sprechstunden. „Außerdem war im Gebäude das Gemeindebüro“, erinnerte sich Helga Richter.

Über die Jahre gab es im Haus gemeindeeigene Wohnungen. Es war ein ständiges Kommen und Gehen. Bis 1993 wohnte auch Gudrun Harpke im oberen Geschoss.

„Beim Hoffest sagten wir, der Hof ist so gemütlich, hier könnten wir doch mal Kaffee trinken. Mein Enkel Micha fand die Idee gut. Und nun sind wir hier“, freute sich Monika Hornbruch. Sie gestand, dass sie mächtig stolz auf den Tatendrang ihrer beiden Enkelsöhne ist. „Wir waren alle erst mal skeptisch, als Micha uns seine Vorstellungen schilderte“, gestand die Großmutter. Vater Siegfried Dörheit erinnerte sich: „Ich sagte damals: ,Junge, weiß du überhaupt, was da für Arbeit drin steckt?‘ Aber er ist so ein Typ, wenn er sich etwas in den Kopf setzt, dann beißt er sich auch durch.“

Hildegard Mahneke verriet: „Ich hätte Angst gehabt, das Grundstück zu übernehmen. Das Haus war ja inzwischen viele Jahre unbewohnt und ziemlich runter gekommen.“

Edith Bammel war auch eines der damaligen Knirpse des Kindergartens. Sie schwärmte vom Engagement der Jugend: „Das Haus wäre ja sonst dem Verfall preisgegeben. Das wäre schade. Die jungen Leute haben schon viel geleistet und müssen sicher auch noch viel tun.“

Furcht vor der vielen Arbeit haben die Brüder und ihre Verbündeten nicht. Ein Mal im Monat treffen sich die Vereinsmitglieder, um Pläne für den neuen Monat zu schmieden. „Wir versuchen, Unterstützung zu bekommen und aktive und passive Mitglieder dazu zu gewinnen. Wir wollen den Hof Stück für Stück weiter ausbauen. Auch Fördergelder aus dem Europäischem Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums sind beantragt, um das Dach und die Fassade des Haupthauses zu erneuern“, schilderte Michael Dörheit.

Schon in Planung ist der zweite Handwerkertag, der im Herbst stattfinden soll. „Vielleicht gibt es im Sommer noch eine Veranstaltung. Aber wir müssen erst mal gucken, wie das mit dem Umbau wird“, sagte Michael Dörheit mit dem Blick auf den Hof.

Dort tummelten sich zwei Katzen. „Wir haben sie an der Straße gefunden. Jemand hat sie an der 90-Grad-Kurve ausgesetzt“, beschrieb Michael Dörheit. Die Tiger auf Samtpfötchen schauten neugierig, welche neuen tierischen Bewohner gerade aus der Kiste flatterten. Jetzt sind es sechs Hühner und ein Hahn, der es kaum erwarten kann, den Hennen zu zeigen, wer der Chef im Gatter ist.