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  7. Video zu Demo Haldensleben: Boot-Protest auf Mittellandkanal gegen Sojaimporte, Fleischindustrie und Wiesenhof

Tiernahrung für Wiesenhof Mit Video: Fleischindustrie: Protest auf dem Mittellandkanal in Haldensleben gegen Sojaimporte aus Südamerika

Das Futtermitteilwerk von Mega Tierernährung in Haldensleben gehört zur PHW-Gruppe und produziert Geflügelfutter für Wiesenhof, die auch zur PHW-Gruppe gehören. Nun kam es zu Protesten vor dem Werk. Im Fokus: Die Sojaimporte aus Brasilien. Warum? Mehr dazu auch im Video.

Von Kaya Krahn Aktualisiert: 21.08.2023, 11:06
Um gegen die Sojaimporte aus Brasilien bei Mega Tierernährung zu demonstrieren, sind Mitglieder vom Verein Aktion Agrar unter anderem mit einem „Sojaboot“ und einem „Huhn“ auf dem Mittellandkanal unterwegs gewesen.
Um gegen die Sojaimporte aus Brasilien bei Mega Tierernährung zu demonstrieren, sind Mitglieder vom Verein Aktion Agrar unter anderem mit einem „Sojaboot“ und einem „Huhn“ auf dem Mittellandkanal unterwegs gewesen. Foto: Kaya Krahn

Haldensleben - Lange Lieferkettel, Rodung des Regenwaldes und schlechte Arbeitsbedingungen vor Ort – das sind nur einige der Punkte, die die Mitglieder von Aktion Agrar an Sojaimporten aus Südamerika, vor allem Brasilien, bemängeln. Gestern haben sie deswegen vor dem Futtermittelwerk von Mega Tierernährung in Haldensleben auf dem Mittellandkanal demonstriert. Denn dort wird, laut Angaben des Unternehmens in einem Video über ihre Produktion, zu 100 Prozent mit Soja aus Brasilien gearbeitet. Damit wird Geflügel von Wiesenhof gefüttert. Wiesenhof gehört wie Mega Tierernährung zur PHW-Gruppe.

 
Video: Protestaktion gegen Soja-Importe - Verein "aktion agrar" demonstriert in Haldensleben (Bericht / Kamera: Kaya Krahn, Schnitt / Sprecher: Torsten Grundmann)

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„Es gibt fünf Standorte von Mega Tierernährung. Einer ist in Haldensleben“, sagt Leonie Steinherr. Sie ist Mitglied bei Aktion Agrar, studierte Öko-Agrarwissenschaftlerin, arbeitet nebenbei als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Agrarökologie, Obstbaumpflegerin und Gemüsegärtnerin. „Pro Jahr werden an den Standorten etwa 1,2 Millionen Tonnen Geflügelfutter hergestellt. Welches zu etwa 18 bis 23 Prozent aus Soja besteht.“

Leonie Steinherr bei der Aktion von Aktion Agrar in Haldensleben.
Leonie Steinherr bei der Aktion von Aktion Agrar in Haldensleben.
Foto: Kaya Krahn

Eine Sprecherin der PHW-Gruppe teilt dazu mit: „An unserem Mega-Standort in Haldensleben werden jährlich circa 230000 Tonnen Geflügelfutter produziert. Bei diesem Standort handelt es sich um einen reinen Produktionsbetrieb, das heißt, wir schlagen keine Ware für Dritte um.“ Wie Steinherr bereits darlegte, besteht das Futter nicht zu 100 Prozent aus Soja. Im Gegenteil. „Der Anteil des ausschließlich zertifizierten Sojas aus Südamerika liegt in unserem Standort Haldensleben derzeit bei unter 20 Prozent der insgesamt verarbeiteten Rohwaren. Im Wesentlichen werden in Haldensleben Mais und Weizen zu Geflügelfutter verarbeitet.“ Wie viele Tonnen Soja das genau sind und woher er bezogen wird, lässt das Unternehmen unbeantwortet.

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Stattdessen heißt es: „Der nachhaltige Bezug von Sojaschrot im Geflügelfutter nimmt seit vielen Jahren einen hohen Stellenwert ein. Er ist ein Teil unserer Nachhaltigkeitsstrategie und unterliegt einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess.“ Zudem würde der Einsatz von alternative Proteinquellen, „wie zum Beispiel den Einsatz von PAPs oder anderen Leguminosen, wie beispielsweise Erbsen“ geprüft.

Soja-Flächen in Brasilien größer als Deutschland

Laut Statista werden allein in Brasilien fast 40 Millionen Hektar Fläche für den Sojaanbau genutzt. Hinzu kommen weitere knapp 16,5 Millionen Hektar in Argentinien. Zum Vergleich: Deutschland hat eine Fläche von etwa 35,8 Millionen Hektar. Das Problem: Es wird Regenwald für den Anbau gerodet. Aktuell werden laut WWF etwa 80 Prozent der produzierten Bohnen für Futtermittel von Tieren verarbeitet – Alternativprodukte spielen bei den Mengen kaum eine Rolle, wie etwa das Wissensmagazin Quarks herausgearbeitet hat. „Wir sagen nicht, dass man kein Fleisch mehr essen sollte, sondern dass man nicht so viel Fleisch essen sollte, und schaut, wo es herkommt“, sagt Leonie Steinherr.

Ein "Sojaboot" mit "Huhn" vor dem Werk von Mega Tierernährung.
Ein "Sojaboot" mit "Huhn" vor dem Werk von Mega Tierernährung.
Foto: Kaya Krahn

Dass dafür so viel Soja importiert würde, gerade aus Brasilien, wodurch die Rodung des Regenwaldes vorangetrieben würde, sei laut Leonie Steinherr gar nicht nötig. „Soja kann auch hier angebaut werden, gerade in Zeiten des Klimawandels. Soja ist eine wärmeliebende Pflanze. Außerdem gibt es andere Eiweißträger wie Lupinen, die genauso verarbeitet werden können.“ Zudem gäbe es Alternativen, mit weniger langen Transportwegen. „Es gibt etwa den Donausoja. Und in der Ukraine und im europäischen Teil von Russland wird ebenfalls angebaut.“

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350 Millionen geschlachtete Tiere

Die PHW-Gruppe lässt die Frage, warum sie noch auf Soja aus Südamerika zurückgreifen, unbeantwortet. Stattdessen teilt das Unternehmen mit: „Bezüglich entwaldungsfreier Lieferketten verfügt die PHW-Gruppe seit dem zweiten Quartal 2022 über freiwillige Leitlinien, die die Entwaldungsfreiheit in unserem Mischfutter bezogen auf die Rohstoffe Soja und Palmöl für in Deutschland produziertes Geflügel sicherstellen. Die Einhaltung dieser Richtlinien werden regelmäßig durch interne und externe Audits überprüft. Sollte das verwendete Soja aus Südamerika stammen, muss es nach einem als nachhaltig anerkannten Standard zertifiziert sein.“ Zudem soll laut dem Konzern ein „QS-Zusatzmodul“ eingeführt werden, wodurch ab 2024 die „Entwaldungsfreiheit“ von Soja unabhängig vom Herkunftsland garantiert werde. „Das Cutt-off-Date beläuft sich hier auf dem 31. Dezember 2020.“

Mega Tierernährung und Wiesenhof gehören beide zur PHW-Gruppe.
Mega Tierernährung und Wiesenhof gehören beide zur PHW-Gruppe.
Foto: Kaya Krahn

Für die Aktion Agrar reicht das nicht aus. „Wir fordern mit der Aktion den Stopp der irrsinnigen Soja Weltreise“, sagt Steinherr.

Ein weiterer Grund, warum der Anbau in Brasilien nicht gut ist: die hohe Pestizidbelastung. „Als Beispiel: Hier in Deutschland dürfen je Hektar zwei Kilogramm Glyphosat, das ist ein Herbizid, aufgebracht werden. In Südamerika sind es zehn bis 12 Kilogramm. Und es ist nur eins von vielen. Das hat Auswirkungen. Vor Ort gibt es eine erhöhte Anzahl an Krebserkrankungen, Fehlgeburten, Missbildungen bei Neugeborenen.“

Um die Bedeutung von PHW in der Geflügelproduktion zu zeigen: In den Jahren 2021 und 2022 wurden laut dem Statistischen Bundesamt in Deutschland etwas mehr als 700 Millionen Geflügel geschlachtet. Die PHW-Gruppe lässt laut dem DGS-Magazin und Agrarheute pro Jahr 350 Millionen Geflügel schlachten. Die Sprecherin von PHW beantwortet die entsprechende Volksstimme-Frage nicht, dementiert diese Zahl aber auch nicht.

Soja aus Südamerika wird oft über den Mittellandkanal transportiert - deswegen findet die Aktion von Aktion Agrar auf dem Wasser vor dem Futterwerk statt.
Soja aus Südamerika wird oft über den Mittellandkanal transportiert - deswegen findet die Aktion von Aktion Agrar auf dem Wasser vor dem Futterwerk statt.
Foto: Kaya Krahn

Doch wie könnte die Importsituation verändert werden? „Wir brauchen mehr Druck aus Politik und Zivilgesellschaft“, sagt Leonie Steinherr. Um die Zivilgesellschaft zu erreichen, sind die Mitglieder von Aktion Agrar am Sonnabend, den 19. August, von 10 bis 15 Uhr auf dem Marktplatz in Haldensleben. „Wir wollen mit den Menschen ins Gespräch kommen, wie sie sich die Ernährung der Zukunft vorstellen und was ihnen wichtig ist.“