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Demonstration Wo der Handschlag noch zählt

Zu einer Demonstration gegen die Corona-Regeln hatte die AfD am Montagabend in Haldensleben aufgerufen: Kampfreden aber kein Abstand.

19.05.2020, 08:07

Haldensleben l AfD-Stadtrat Wolfgang Rehfeld stellte gleich zu Beginn klar: Auch auf dieser Demonstration müssten auf Geheiß der Behörden einige Regeln eingehalten werden. Ein Mindestabstand von 1,50 Meter etwa, eine Teilnehmerliste müsse geführt werden, außerdem wies er auf die Nies-Netiquette hin. Doch wie glaubhaft kann so ein Hinweis schon sein, wenn wenig später auf der Demonstration vom Schatzmeister der Börde-AfD, Andreas Kühn, ein „sofortiges Beenden der Corona-Einschränkungen“ gefordert wird?

Tatsächlich ist von einer Einhaltung des Mindestabstands dann auch bei den AfD-Politikern vor Ort nicht viel zu sehen. Stattdessen wird die Begrüßung mit Handschlag gepflegt. Von Maik-Walter Wiese etwa, dem Fraktionsvorsitzenden der AfD im Stadtrat. Sein Stadtverband hat die Demonstration am Montagabend angemeldet. Seine Rede klang nach Kampf.

„Wir sind nicht ohnmächtig, wir leisten Widerstand“, sagte Wiese vor seinen Zuhörern auf dem Marktplatz. Schließlich seien auch gelockerte Fesseln trotzdem Fesseln, betonte er mit Verweis auf beschlossene Lockerungen der Corona-Regeln. Die Bilder von aufgelösten Kundgebungen gegen diese Regeln aus anderen Städten erinnerten ihn an die DDR. Viel zu sehen war von der Polizei am Montagabend allerdings nicht. Nur einige wenige Polizisten beobachteten das Protest-Geschehen auf dem Marktplatz, überwiegend aus einiger Entfernung.

Die Rednerliste war wenig überraschend von AfD-Politikern dominiert. Steffen Schroeder, Vorsitzender der Börde-AfD, wetterte in seinem Redebeitrag gegen die Maskenpflicht. Die Maske sei ein „Maulkorb“, sagte Schroeder. Eine Sichtweise, mit der er am Montagabend vor dem Rathaus nicht allein war.

Markus Motschmann, Chefarzt der Klinik für Augenheilkunde in Haldensleben, begann seinen Redebeitrag mit einer schwarzen Schnabelmaske, die einst Doktoren vor der Pest schützen sollte. Die Maske habe die Pest damals nicht aufhalten können, ebenso wenig halte der Mundschutz heute das Coronavirus auf, sagte Motschmann, der einst Mitglied bei den Republikanern war. Zudem ging der Arzt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier scharf an. Dieser hatte kürzlich an die Vernunft der Bürger appelliert und gesagt: „Der Mundschutz ist empfehlenswerter als der Aluhut.“ Motschmann nahm darauf Bezug und sagte: „Dieser Mann ist eine unerträgliche Zumutung.“

Unter den Zuhörern waren am Montagabend nicht wenige Mitglieder der AfD. Teilweise waren sie aus anderen Landkreisen angereist, etwa aus dem Jerichower Land und dem Altmarkkreis Salzwedel. Allerdings gab es auch Zuhörer, die sich nicht als Mitglied der AfD vorstellten.

Ralf W. Neuzerling etwa, Haldensleber Anwalt und einst Stadtrat. Der 64-Jährige war mal Mitglied der FDP, mittlerweile ist er ausgetreten. Die Corona-Pandemie sei für ihn mit der Grippe vergleichbar, sagte Neuzerling. „Es hat sich gezeigt, dass die Maßnahmen nicht notwendig waren“, behauptete er. Vielmehr würden die Bürger durch die Corona-Regeln ausgegrenzt. Neuzerling betonte allerdings auch, dass er es für richtig halte, die Abstandsregeln zu berücksichtigen. Und der Handschlag? Er begrüße seine Mandanten nicht mit Handschlag in diesen Tagen, sagte der Jurist.