Lockerung Fahrräder und Kontakte gepflegt
Es ging dem Landeskirchlichen Gemeinschaft in Haldensleben nicht nur darum, Mängel an Fahrrädern zu beheben.
Haldensleben l Im Mai 2019 hatte die Landeskirchliche Gemeinschaft Ohreland zum ersten Mal zu einer Fahrradwerkstatt eingeladen. Die Nachfrage war gut, deshalb sollte im März dieses Jahres erneut Hilfe rund ums Fahrrad angeboten werden. Wegen der Corona-Einschränkungen wurde jedoch erst jetzt etwas daraus. Gedacht war das Angebot für all jene, die auch sonst in das Haus an der Bülstringer Straße 42 in Haldensleben kommen. Und dazu gehören neben Einheimischen auch viele Flüchtlinge, die in Haldensleben ein neues Zuhause gefunden haben, sagt Sozialarbeiterin Anett Ranwig.
Reinald Kratzsch, der Vorsitzende der Landeskirchlichen Gemeinschaft, Thomas Kamm vom EC-Jugendverband, Lothar Häupl und Tobias Strabenow hatten gut zu tun, um all die Fahrräder zu reparieren. Meist gab es Probleme mit dem Licht oder mit den Bremsen. Nebenbei war an diesem Nachmittag auch Gelegenheit zum Erzählen.
Daniel Okbazgi hatte Tochter Yosan und Sohn Menkem mit ihren Rädern mitgebracht. Der Familienvater, der bei Hermes arbeitet, konnte seine Frau und die beiden Kinder im April des vergangenen Jahres nach Deutschland nachkommen lassen. Er ist glücklich, dass seine Familie hier in Sicherheit ist. Und doch macht sich Daniel Okbazgi große Sorgen. Während er einen Aufenthaltstitel hat und auch seine beiden Kinder, bekommt seine Frau immer nur eine Duldung für wenige Monate. Er hat Angst, dass sie zurück muss.
Als sie mit den Kindern nach Deutschland gekommen ist, war das an einem Sonnabend, erzählt er. Und sie sind vom Flugplatz gleich nach Haldensleben gefahren. Weil die Ankunft am Wochenende war, hat sie sich erst am Dienstag danach in der Zast in Halberstadt angemeldet. Das sei wohl falsch gewesen. Aber sie darf wenigstens einen Deutschkurs machen, berichtet Anett Ranwig. Sie hofft mit der Familie, dass alles gut wird. Yosan ist jetzt ein Jahr zur Schule gegangen, Menkem besucht den Kindergarten.
Weldemichael Habte, der ebenfalls bei Hermes eine Festanstellung hat, kam vor fünf Jahren aus Eritrea nach Deutschland. Seine Frau und die drei Kinder konnten vor zwei Jahren nachkommen. Das jüngste kommt jetzt zur Schule. Die älteren sind in der zweiten beziehungsweise vierten Klasse. „Die deutsche Sprache ist schwer“, sagt der Vater, „die Kinder lernen schneller, aber die Grammatik ist schwer.“
Und mit dem Lernen ging es in den vergangenen Wochen nicht gut voran, als sie nicht zur Schule konnten. Anett Ranwig hat wöchentlich die Schulaufgaben für die Kinder aus dem Internet ausgedruckt, hat sie zu den Familien gebracht. Das war zumindest eine kleine Hilfe. Sie betreut sonst auch noch eine Kindergruppe, doch das alles war in den vergangenen Wochen nicht möglich, kann erst wieder langsam anlaufen.
Salah Ismail hat es mit seiner Familie etwas leichter als seine Landsleute. Denn er ist mit seiner Familie 2015 nach Haldensleben gekommen, und sie haben sich gut eingelebt. Er habe vier Kinder, erzählt er, die mittleren seien Zwillinge. Sein ältester Sohn Rami kommt jetzt in die fünfte Klasse, er wird das Gymnasium besuchen. Salah Ismail macht eine Ausbildung zum Fachinformatiker, 2018 hat er damit begonnen, berichtet er, ein Jahr dauert die Ausbildung noch. Und er ist zuversichtlich.
Die Fahrradwerkstatt war jetzt eine Möglichkeit, zumindest wieder ein bisschen Zeit mit anderen zu verbringen, etwas zu erzählen. Wie „vor Corona“ war es natürlich nicht. Alle haben sich mit den reparierten Fahrrädern schnell wieder nach Hause aufgemacht.
„Wir freuen uns übrigens auch über Fahrradspenden, selbst wenn die Räder kleine Mängel haben, die können behoben werden. Auch Kinderfahrräder sind willkommen“, sagt Anett Ranwig. Der Bedarf sei da. Sie nimmt die Spenden gern an.
Bald wird in das Haus der Landeskirchlichen Gemeinschaft wieder mehr Leben einziehen, immer mit Blick auf die Hygienevorschriften. Gottesdienste finden bereits wieder statt.
Und in ein paar Wochen wird auch wieder zum Café International eingeladen, jeweils mittwochs von 16 bis 18 Uhr.