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Landkreis Börde Junge Ollner im Turn-Fieber

Es gab Zeiten, lange vor den Weltkriegen, da waren die Althaldensleber im Turn-Fieber.

Von Juliane Just 28.12.2020, 00:01

Haldensleben l Wie so oft im Leben war alles Zufall. Als die Althaldensleberin Regina Peters in jenem Haus zu Gast ist, in dem sie ihre Kindheit verbracht hat, springt ihr eine Urkunde ins Auge. Dort geht es um eine „Männerturnerschaft Althaldensleben“. Zufällig ist Regina Peters eine von sechs Ortschronisten des Ortsteils, deshalb fällt ihr der historische Schatz direkt auf. Turner? In Althaldensleben? Schon zu der Zeit? Sie begibt sich auf die Suche.

„Die sportliche Vergangenheit Ollns hatte sich bis dato noch keiner angesehen“, sagt Regina Peters. Sie klemmte sich dahinter und recherchierte kreuz und quer. Die Urkunde, die sie fand, ehrte 25 Jahre Turnerschaft. Es handelte sich also nicht nur um einen kurzen Abriss in der Ollner Geschichte. Tatsächlich war die Turnerschaft ab 1875 in Althaldensleben aktiv.

Fündig wurde sie schließlich im Stadtarchiv. Dort bekam sie ein Protokollbuch in die Hand, das die Männerturnerschaft von 1899 bis 1904 geführt hat. Dort sind sämtliche Namen und auch Veranstaltungen in altdeutscher Schrift zu lesen. „Ich habe immer mehr Sachen entdeckt, die in Verbindung mit der Turnerschaft standen“, so Regina Peters.

Aus den Aufzeichnungen ging auch hervor, dass das Männerturnen kein Alleinstellungsmerkmal von Althaldensleben war, sondern auch die Nachbarorte kräftig mitturnten. In Olln selbst gab es zwei Vereine – die Männerturnerschaft und den „Männerturnverein“ (gegründet 1862). Aber auch in Neuhaldensleben, Uthmöden, Wedringen, Neuenhofe, Hillersleben, Bödensell und Groß Ammensleben existierten derartige Sportvereine, in denen Männer sich verbogen haben und menschliche Pyramiden bauten.

Regina Peters schätzt, dass etwa 50 Männer zusammenfanden, die im Jahr 1875 die Turnerschaft Althaldensleben gründeten. Im Alter von 18 Jahren durften die Turner Mitglieder werden, konnten aber in jüngeren Jahren schon mittrainieren. Dabei war die Ollner Turnerschaft auch durchaus erfolgreich, wie Urkunden aus dem Jahr 1924 zeigen. Dort wurden mehrere Sportler für Wettkämpfe wie den Zehnkampf ausgezeichnet. Bei großen Sportfesten waren diese Leichtathletik-Bereiche als auch Geräteturnen sowie Massengymnastik an der Tagesordnung.

Doch ihre Recherchen haben auch ergeben, dass das Turnen kein reiner Männersport war. Früher gab es am Burgwall in Haldensleben einen Turnplatz, der nachweislich für das Mädchenturnen genutzt wurde. Weitere Aufzeichnungen zeigen, dass ab 1924 Frauen bei der Männerturnerschaft dabei waren.

Regina Peters fand Aufzeichnungen der Pläne für die 25-Jahr-Feier. Dieser sollte mit einem großen Umzug gefeiert werden. Der Umzug startete am einstigen Vereinslokal, das sich laut den Recherchen an der Neuhaldensleber Straße/Ecke Mittagstraße befand. „Auch Silvester, Weihnachten und Ostern feierten die Turner gemeinsam“, so Regina Peters. Gemeinsame Wanderungen standen ebenfalls einmal jährlich auf dem Programm. Diese führten vom Forsthaus Eiche auf die Wiese Podagrien (Nähe Süplingen).

Doch es gab nicht nur Gründe zum Feiern, auch Trauer gehörte zur Vereinsgeschichte der Althaldensleber Sportler. Mehrere Gedenktafeln und -objekte zeugen von jenen Turnern, die an den Kriegen in den Jahren 1866, 1870 und 1871 teilnahmen, oder auch im Ersten und Zweiten Weltkrieg ums Leben kamen. Dem Ersten Weltkrieg fielen beispielsweise 15 Turner zum Opfer. Der Jüngste war 19 Jahre alt.

Regina Peters mutmaßt, dass die Turnerschaft mit dem Zweiten Weltkrieg gänzlich aufgegeben wurde. Erst im Jahr 1951 suchte der neue Verein „Traktor“ laut einem Inserat wieder Turner. Doch von der Althaldensleber Turnerschaft ist in dieser Zeit nichts mehr zu finden.

Für Regina Peters ist jedes Stück Geschichte wertvoll. Viele Sportvereine in der Umgebung hätten sie mit historischem Material unterstützt, erzählt sie. Auch Privatpersonen aus Althaldensleben und der Region haben sie mit Informationen versorgt. Was gänzlich fehlt, sind Zeitzeugen. „Viele Ollner erinnern sich wahrscheinlich noch“, sagt Regina Peters. Doch sie hofft, dass der ein oder andere in seinem Keller oder Dachboden noch ein Schätzchen bewahrt und sie einen Blick darauf werfen darf – damit die Ollner Turner nicht vergessen werden.