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Geschichte Grauinger enthüllen bei Dudelsackmusik einen Gedenkstein

Bewohner von Grauingen haben die Geschichte ihres Dorfes erkundet und enthüllen mitten im Ort einen Gedenkstein. Was schätzen die Dorfältesten an ihrem Heimatort und warum erklingt zur feierlichen Einweihung des neugestalteten Platzes Dudelsackmusik?

Von Anett Roisch 26.09.2023, 08:28
Martin Schliephake spielt auf seiner Schäferpfeife schottische und auch deutsche Stücke. Angelika und Friedhelm Heinemann  enthüllen den großen Stein, der auf einer Grünfläche mitten im Ort an die Geschichte von Grauingen erinnern soll.
Martin Schliephake spielt auf seiner Schäferpfeife schottische und auch deutsche Stücke. Angelika und Friedhelm Heinemann enthüllen den großen Stein, der auf einer Grünfläche mitten im Ort an die Geschichte von Grauingen erinnern soll. Foto: Anett Roisch

Grauingen - „Heute ist ein schöner Tag für Grauingen – und das liegt nicht allein am schönen Wetter“, verkündet Calvördes Bürgermeister Volkmar Schliephake (CDU) gut gelaunt. Seiner Ansicht nach gibt es gleich zwei gute Gründe zum Feiern. Zum einen sei es eine neu gestaltete Grünfläche mitten im Ort und zum anderen gilt es, auf dem Platz einen Stein einzuweihen.

Es sei ein Vorhaben, das es so in Grauingen noch nicht gab. Die Grünfläche war Anfang der 90er Jahre nach dem Abriss eines gemeindeeigenen Wohnhauses und des alten Spritzenhauses entstanden. „Sicher können sich noch einige erinnern, dass das damalige Gebäude auch die Konsumverkaufsstelle und die Poststelle beherbergte. Dafür wurden aber damals neue Domizile gefunden“, erklärt der Bürgermeister, der selbst auch in Grauingen zuhause ist.

Damals sei die Platzgestaltung mit Springbrunnen und Bepflanzung schick gewesen, aber alles hätte eben seine Zeit. „Wir wollen mit dem Stein nicht nur neu gestalten, sondern darauf hinweisen, dass Grauingen – als Ortsteil von Calvörde - eine lange Geschichte hat“, beschreibt Schliephake. Er betont, dass die Idee mit dem Stein von Hartmut Behrens und Friedhelm Heinemann kam.

„Die Bemühungen, eine urkundliche Ersterwähnung von Grauingen zu finden, verlief leider ins Leere, obwohl sich Friedhelm Heinemann ordentlich und richtig ins Zeug gelegt und auch viel Zeit und Energie investiert hatte“, schildert der Bürgermeister.

Heinemann habe keine Gelegenheit und keine Ebene ausgelassen, um an Informationen zu kommen. Der Hobbyforscher war unter anderem im Landesarchiv Sachsen-Anhalt in Magdeburg, bei der Landeskirche in Braunschweig und im Landesarchiv in Wernigerode auf Erkundungstour. Dafür bekommt Heinemann nun einen tosenden Applaus von den Gästen.

Feuersbrunst vernichtete das Dorf fast vollständig

Der Ortsname würde – nach den Ausführungen der Heimatforscher – auf die Entstehung im 5. und 6. Jahrhundert hinweisen, so dass die Grauinger – auch ohne Urkunde – auf eine 1500 Jahre alte Geschichte blicken können.

Auch die Feuersbrunst am 13. Juli 1832, bei der das Dorf fast vollständig vernichtet wurde, habe Grauingen nicht ausgelöscht. In der Folge wurde der Ort in der ursprünglichen Hufeisenform, die auf wendischen Ursprungs schließen lässt, wieder aufgebaut.

Die heute noch vorhandenen Kopfweiden seien die Lieblingsbäume der alten Wenden gewesen. Laut Aussagen einer Chronik habe das Dorf aus sieben Ackerhöfen, acht Kossatenhöfen und fünf Anbauernstellen bestanden.

„Heute soll der Stein als Symbol der Unvergänglichkeit dienen. Bereichert wird der Koloss von einer Tafel mit dem Grauinger Wappen, auf dem sich die Friedenseiche und die Spetze befinden“, beschreibt Schliephake und motiviert die anwesenden Zeitzeugen, ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln von der Errichtung des Steins zu erzählen.

Aktuell wohnen in Grauingen 142 Menschen. In den vergangenen Jahrzehnten wurden bereits einige Vorhaben für die kommenden Generationen umgesetzt, wie das Pflanzen der Kastanienallee zum Sandberg und der Weiden an der Spetze sowie die Neuanlage des Spielplatzes.

Jagdgenossenschaft fördert öffentliche Projekte

Ein Dankeschön geht an die Unterstützer des aktuellen Projektes. In erster Linie sei die Bereitstellung der Finanzen der Jagdgenossenschaft Grauingen und somit allen Eigentümern von bejagbaren Flächen zu verdanken. Seit 30 Jahren hilft die Jagdgenossenschaft öffentliche Projekte, wie die Erneuerung der Gedenktafel für die gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkrieges oder erst vor einigen Wochen die Seilbahn für die Kinder auf dem Spielplatz. Ein Dankeschön geht im Rahmen der Platzneugestaltung auch an die Agrargenossenschaft Wegenstedt und an die Firma Vision-Metall aus Oebisfelde. Lobende Worte bekommen auch Hubertus Nitzschke, Reinhard Röhl, Ingo Märtens, Normen Kirchner, Reinhard Waeke, Peter Laßmann sowie Angelika und Friedhelm Heinemann. Das Ehepaar Heinemann darf dann auch den großen Findling samt Tafel enthüllen.

„Wenn in Grauingen etwas los ist, sind wir dabei“, sagt der 88-jährige Herbert Ernst. Er ist ein „Ur-Grauinger“ und liebt nicht nur seine Ehefrau Anneliese, sondern auch sein Heimatdorf. Zu den ältesten Bewohnern zählt die 91-jährige Lisa Bortfeldt. Sie erzählt: „Ich bin in Flechtingen geboren und in Böddensell aufgewachsen. In Grauingen fühle ich mich seit über 70 Jahren sehr wohl.“

Auch Lisa Bortfeldt (v.l.; 91 Jahre), Herbert Ernst (88),  Gerda Busse (88), Anneliese Ernst (85), Ingrid Hofmann (80) und Erika Görsch (87) verfolgen die Enthüllung des Steins. Der Koloss  mit Gedenktafel soll an die Geschichte von Grauingen erinnern.
Auch Lisa Bortfeldt (v.l.; 91 Jahre), Herbert Ernst (88), Gerda Busse (88), Anneliese Ernst (85), Ingrid Hofmann (80) und Erika Görsch (87) verfolgen die Enthüllung des Steins. Der Koloss mit Gedenktafel soll an die Geschichte von Grauingen erinnern.
Foto: Anett Roisch

„Der Stein steht in Grauingen für Zufriedenheit, Einigkeit und vor allem für Glück und Gesundheit“, sagt Heinemann und lädt alle zu einer anschließenden Cocktailparty ein.

Spiel mit der Schäferpfeife selbst beigebracht

Doch vorher spielt Martin Schliephake, der auch seine Wurzeln in Grauingen hat, noch ein schottisches Stück auf dem Dudelsack, einer sogenannten Schäferpfeife. „Ich hab mir das Dudelsackspielen selbst beigebracht auf Basis der Instrumente, die ich zuvor auch schon autodidaktisch spielen gelernt hatte, wie die Pibgorn – eine walisische Hornpfeife und die Sipsi – eine türkische Hirtenschalmei. Das sind quasi Dudel ohne Sack“, erklärt der Musiker und spielt noch eine Zugabe.