Homeschooling Doppelter Unterricht

Schulen müssen den Spagat zwischen den Kindern vor Ort und denen Zuhause schaffen. Die Alstein-Grundschule geht dabei neue Wege.

Von Juliane Just 02.02.2021, 00:01

Haldensleben l Freitag, 8.30 Uhr. Auf dem Stundenplan der Klasse 1 b steht Mathe. Doch die Kinder grübeln nicht vor ihren Heften, sondern starren gebannt auf den Monitor vor ihnen. Gleich werden ihre Mitschüler von Zuhause live ins Klassenzimmer zugeschaltet. Als Mathematiklehrer Michael Blaschke, gleichzeitig Schulleiter der Alstein-Grundschule, sich in das Programm einwählt, sind die neun Schüler im Raum mucksmäuschenstill.

Immer montags, mittwochs und freitags werden die Schüler Zuhause digital in die Klassenzimmer geholt. Dafür gibt es einen Zeitplan für jede Klasse, damit der Server nicht überlastet wird. „In dieser halben Stunde lösen wir Aufgaben gemeinsam. Diese Zeit ist aber auch da, um wichtige Dinge zu besprechen und auch Fragen zu beantworten“, erklärt Michael Blaschke.

Auf dem Bildschirm in der Mitte des Raumes taucht das erste Gesicht eines Mitschülers auf. „Hi, Fabi!“, rufen die Schüler im Chor. Nach und nach sind weitere Mitschüler zu sehen. „Das ist Jannes!“, sagt ein Mädchen, zeigt auf den Bildschirm und springt vor Freude auf. „Da kommt noch jemand!“, ruft ein Mitschüler. „Hallo!“, dröhnt es aus den Lautsprechern, winkende Schüler sind zu sehen. Der Mathelehrer lässt gelassen zu, dass sich die Aufregung legt.

„Die Corona-Zeit macht auch etwas mit den Schülern. Wir wollen sie manchmal Kinder sein lassen“, erklärt Michael Blaschke. Die Kleinen seien über Monate diszipliniert worden, Abstand zu halten und sich an alle Hygieneregeln zu halten. Der kombinierte Unterricht ist eine Form, damit die Klasse sich trotz allem sehen und gemeinsam lernen kann.

Als sich die Aufregung gelegt hat, beginnt der Unterricht. Michael Blaschke sagt den Kindern einzelne Zahlen im Zahlenraum bis 20 an, die sie schließlich der Größe nach ordnen sollen. Im Klassenraum als auch auf den Videos sind gesenkte Köpfe zu sehen. „Herr Blaschke, ich habe die Zahlen nicht verstanden“, sagt ein Schüler, der Zuhause ist. Der Lehrer wiederholt sie für ihn.

„Für mich als Lehrer ist das eine Herausforderung“, berichtet Blaschke. Er habe neun Kinder vor sich sitzen, weitere sechs im Rücken und alle sollen die Aufmerksamkeit erhalten, die sie brauchen. Er schätze sehr, dass das Kollegium in dieser Sache so gut mitziehe. Auch die Zusammenarbeit mit den Eltern hebt er hervor. „Ich weiß, dass ich den Eltern mit der Videokonferenz viel zumute, denn die Kinder können die Technik noch nicht allein bedienen. Aber es lohnt sich“, ist er sich sicher. Nur etwa ein Viertel des Unterrichtsmaterials sei in der kombinierten Unterrichtsstunde möglich, trotzdem sei es für die Kinder wichtig.

Um das Gelernte optisch zu untermalen, bittet der Lehrer mehrere Schüler vor die Kamera. So sind sie für die anderen Zuhause gut zu sehen. Mit großen Zahlen stellen sie eine Matheaufgabe. „13 + 4 =“ steht da. Hinter jeder Zahl ist ein Gesicht zu sehen. „Wenn ihr wisst, was drei plus 4 ist, dann ist die Zehnerzahl schnell hinzugefügt“, erklärt Michael Blaschke. Kichern an den Computern Zuhause. Für sie sieht es wahrscheinlich so aus, als würden die Zahlen tanzen.

Neben dem „doppelten“ Unterricht arbeiten die Grundschüler mit einer App. Dort können sie die Aufgaben direkt am Gerät lösen. Der Lehrer sieht dann, wie viele Fehler sie beispielsweise bei Rechenaufgaben gemacht haben und wie fleißig sie sind. „Es wird kein Kind vergessen oder allein gelassen. Das ist mir ganz wichtig“, so Blaschke. Auch für die technische Ausrüstung ist gesorgt, wenn ein Kind diese nicht vorhalten kann. „Jeder Schüler soll auch in diesen Zeiten eine faire Chance haben“, betont er.

Dabei nehmen die drei Absolventen des Bundesfreiwilligendienstes als auch die Schulsozialarbeiterin Franziska Reinhold den Lehrern so viel Arbeit ab, wie es geht. Teilweise würden sie auch zu den Kindern nach Hause fahren und individuell helfen, wenn es Lernprobleme gibt.

Die halbe Stunde geht für die Schüler der 1 b schnell vorbei. Zum Abschluss winken sie sich zu. Lange ist es ja nicht bis zum Wiedersehen. Schon bald steht die nächste Stunde mit ihren Mitschülern in der Ferne an.