Coronavirus Medien mit Suchtfaktor

Die Corona-Pandemie sorgt dafür, dass Kinder und Jugendliche in Haldensleben zunehmend an ihren Smartphones hängen.

Von Juliane Just 04.05.2020, 01:01

Haldensleben l Ständig hängt der Sohn vor dem Smartphone. Er löst Schulaufgaben, schreibt mit seinen Freunden oder spielt zum Zeitvertreib. Gerade in der Corona-Pandemie werden die Medien für Kinder zum Hauptinstrument in die Welt da draußen. Doch das kann auch Gefahren bergen, denn sie können auch zur Sucht werden. Wie viel Zeit sollten Kinder vor den Geräten verbringen? Die Suchtberatungsstelle des Paritätischen gibt einige Tipps, damit Eltern den richtigen Weg finden.

„In diesen Zeiten ist es normal, dass die Mediennutzung der Kinder erhöht ist“, stellt Wiebke Hoffmann klar. Sie ist als Beraterin in der Drogen- und Suchtberatungsstelle des Partitätischen in Haldensleben tätig. Es sei eine ungewohnte und schwierige Situation für Kinder und Eltern zwischen Homeschooling, Homeoffice und Familienalltag. „Allerdings sollte auch in dieser Ausnahmesituation auf einen guten Umgang mit digitalen Medien bei Kindern und Jugendlichen geachtet werden, da sich Verhaltensmuster festsetzen“, so die Expertin. Denn wenn der Schulalltag wieder normal abläuft, kann es schwierig werden, den Medienkonsum wieder nachhaltig zu reduzieren.

Deshalb rät die Suchtberaterin, gemeinsam mit den Kindern Medienzeiten und medienfreie Zeiten zu vereinbaren. Diese sollen für die ganze Familie gelten und beispielsweise in den Lern-, Essens- und Schlafenszeiten eingeführt werden. „Sollte es bereits derartige Regeln geben, sollte man gemeinsam überlegen, ob eine vorübergehende Anpassung an die derzeitige Situation notwendig ist“, sagt Wiebke Hoffmann.

Eine Verlängerung der Medienzeit könnte sinnvoll sein, sollte aber besprochen und auch entsprechend begründet werden. Eltern sollten jedoch auch betonen, dass diese erweiterten Regeln eine Ausnahme sind und die ursprünglichen Absprachen wieder gelten, sobald der gewohnte Alltag fortgesetzt werden kann.

Außerdem rät die Suchtberaterin, zwischen der Mediennutzung zu differenzieren. So kann das Smartphone zu Lernzwecken genutzt werden, zur Unterhaltung mit Spielen oder auch zur Kontaktpflege mit Freunden. „Gerade die Kontaktpflege hat in dieser Krisenzeit einen hohen Stellenwert“, sagt Wiebke Hoffmann.

Vor allem bei jüngeren Kindern sollte beachtet werden, dass sich diese ungewohnte Situation und die neue Tagesstruktur auf das Verhalten und die Stimmung auswirken kann. „Darüber zu sprechen ist umso wichtiger“, betont Hoffmann. Das Gespräch helfe, die Regeln zur Mediennutzung dementsprechend abzustimmen.

Eine gute Verbindung zwischen digitalen Medien und Bewegung bietet das Mitmachprogramm „Kinder stark machen“ der Bundeszentrale für politische Bildung. Das Programm ist normalerweise deutschlandweit unterwegs, wurde jetzt aber für die Online-Nutzung hochgeladen.

Tatsächlich ist Mediensucht inzwischen ein anerkanntes Phänomen. Die mediale Verbreitung hat dazu geführt, dass auch sich immer mehr Beratungsgespräche mit medialer Sucht, Smartphone-Sucht oder Spielsucht am Computer beschäftigen. Im Fachjargon wird dies pathologische Mediennutzung genannt. „In einer Zeit, in der nahezu jeder Haushalt mehrere Geräte dieser Art hat, ist das vorprogrammiert“, so Hoffmann. Viele Eltern seien hilflos, wenn das Kind einfach nicht vom Gerät loskommt.

„Viele Eltern kennen den Umgang mit solchen Medien nicht aus ihrer eigenen Kindheit und haben keine Regularien“, erklärt die Suchtberaterin. Je nach Grad der Abhängigkeit können Regeln zum Medienkonsum und eine Beratung bereits vieles bewirken, doch einige Klienten wurden auch schon stationär behandelt. „Jede Sucht sollte ernst genommen werden oder mit Regeln möglichst verhindert werden“, appelliert Hoffmann.