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Lichtaktion Roter Roland als Hilferuf

Fast 9000 Gebäude in ganz Deutschland haben am Montagabend in rot erstrahlt. Auch das Haldensleber Rathaus war Teil der Aktion.

Von Anett Roisch 23.06.2020, 15:48

Haldensleben l Strahler für Strahler stellten sie auf. Einige waren auf das Haldensleber Rathaus gerichtet, andere wurden in den Nischen des Gebäudes platziert. Irgendwann waren es insgesamt 60 Lampen, die Steffen Schultz und Tobias Braumann von der Firma Arena-Events mit Helfern rund um das Rathaus platziert hatten. Am 22. Juni um 22 Uhr war es dann soweit: Das Haldensleber Rathaus erstrahlte in rot.

Mit der Aktion wollten Menschen aus der Veranstaltungsbranche auf ihre Situation aufmerksam machen. Aufführungen, Kongresse, Konzerte, Festivals oder Stadtfeste - überall dort, wo Menschen zusammenkommen, dürfen Veranstaltungen nur unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen stattfinden. Viele wurden ganz abgesagt. „Die Branche war eine der ersten, die dem Shutdown zum Opfer fiel und bisher ist kein Ende zu sehen“, sagt Steffen Schultz. Der Wahl-Haldensleber ist hauptberuflich Hausmeister in einer Grundschule. Nebenberuflich ist der DJ und rückt mit seiner Technik an, wann immer sie gebraucht wird. Die Firma Arena-Events ist spezialisiert auf Veranstaltungen.

Fast 9000 Gebäude in bundesweit mehr als 1500 Städten sind in der Nacht zum 23. Juni mit rotem Licht illuminiert worden, wie aus einer Pressemitteilung der Veranstalter hervorgeht. „Die überwältigende Zahl von Unterstützern und Teilnehmern aus allen Disziplinen der Veranstaltungswirtschaft zeigt deutlich, dass wir ein riesengroßes Problem haben“, sagte Tom Koperek, Initiator der Aktion „Night of Light 2020“ und Vorstand der LK-AG Essen. Die nächsten 100 Tage werde die Veranstaltungsbranche nicht überstehen, wenn es keine alternativen Lösungsansätze gebe.

In Haldensleben ist die Lage ähnlich prekär. „Mich trifft der Ausfall der Veranstaltungen durch die hauptberufliche Tätigkeit nicht so sehr, aber ich habe Kollegen, die um ihre Existenz bangen“, sagt Steffen Schultz. Seit Mitte März macht die Veranstaltungswirtschaft quasi keinen Umsatz mehr. Anders als im produzierenden Gewerbe können weggefallene Umsätze nicht mehr nachgeholt werden. „Die Veranstaltungswirtschaft steht auf der Roten Liste der akut vom Aussterben bedrohten Branchen“ ist auf der Website der Aktion zu lesen.

Auch Steffen Schultz sieht, wie verzweifelt seine Kollegen sich teilweise über Wasser halten. Einige Veranstalter würden derzeit ihre Ausrüstung verkaufen, um über die Runden zu kommen. Doch diese müssen sie wieder teuer kaufen, wenn die Branche wieder hochfährt. Ein Teufelskreis.

Steffen Schultz hofft, dass die Politik mit der Aktion zum Handeln gezwungen wird. „Momentan sind alle betroffen, egal ob Großstadt oder auf dem Land“, sagt er. Die Branche bräuchte „echte Hilfe anstelle von Kreditprogrammen“ ist auf der Website von „Night of light“ zu lesen. Die Veranstalter fordern einen Branchendialog mit der Politik, um gemeinsam einen Weg aus der Krise zu finden.

Mit etwa 40 Lichtern half auch Marco Dörheit, das Haldensleber Rathaus rot zu bestrahlen. „Wir hatten uns abgesprochen, etwas gemeinsames zu machen. Es geht uns ja allen aus der Branche etwas an“, sagte Marco Dörheit. Der Velsdorfer bereichert Veranstaltungen in der Region mit Licht und Dekorationen. „Wir arbeiten mit LED. Der Schriftzug ist mit einem Laser projektiert“, beschrieb Dörheit das Licht.

Das angeleuchtete Rathaus sei nicht das erste Gebäude, das von den Beleuchtern mit Licht geschmückt wurde. Zur Sommermusikakademie im vergangenen Jahr beleuchteten die Lichtexperten das Barockschloss. „Bei jedem von uns läuft es nicht so rosig. Die Auftragsbücher waren voll und die Veranstaltungen für das ganze Jahr geplant. Von heute auf morgen ging dann gar nichts mehr. Es ist ja auch nicht abzusehen, wann der Tag X kommt und wann es wieder losgeht“, sagte Dörheit und gesteht, dass er sich auf den Sommer gefreut habe. Nun seien das Gertrudium, das Altstadtfest und sogar kleinere Familienfeiern abgesagt. „Ich bin gespannt, was es für Bilder von anderen Städten gibt und was es bewirkt“, so der Lichttechniker.

Koch Sascha Oldenburg erzählte, dass er gerade erst von der Beleuchtungsaktion gehört habe. „Wir sind eine Gastronomie-Familie, deshalb bin ich auch heute dabei. Wir arbeiten alle zusammen. Jeder braucht mal etwas von dem anderen. Egal, ob Licht, gutes Essen oder Getränke, das gehört alles zusammen. Davon lebt die Branche“, sagte Oldenburg.

Was wohl alle Anwesenden gemerkt haben: Es zieht die Menschen nach draußen. „Die Leute haben Lust, wieder hinauszugehen, zu feiern oder zu Veranstaltungen zu gehen“, sagt Steffen Schultz. Auch am Montag hätten ihn viele gefragt, wann es wieder Veranstaltungen geben wird. Die Antwort darauf hat bisher keiner.