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Museum Haldensleben Im Bann des Zettelkastens

Das Grimmsche Zettelkastensystem lässt Künstlerin Xenia Fink nicht mehr los. Ein Jahr lang recherchiert sie im Museum Haldensleben.

Von Lan Dinh 08.01.2018, 00:01

Haldensleben l Es herrscht Chaos in dem braunen, alten Schrank. Zettel über Zettel liegen über- und nebeneinander. Eine Ordnung ist nicht zu erkennen. Doch dahinter steckt ein ausgeklügeltes System. Der Zettelkasten der Brüder Grimm hat es Xenia Fink besonders – seine Geheimnisse gilt es zu entschließen.

Für den besonderen Grimmschen Nachlass im Museum Haldensleben ist die gebürtige Brasilianerin in die Kreisstadt gekommen. Als Stipendiatin im Museum nimmt sie sich dem Rätsel um den Zettelkasten an. Bei diesem handelt es sich um ein Werkzeug, mit dem sich Informationen organisieren lassen.

„Das Unlineare daran hat mich fasziniert, weil ich gerne mit ungeordneten Erzählsträngen arbeite“, erzählt die Künstlerin. Die Grimm-Brüder hatten das Zettelkastensystem für ihre Arbeit mit Märchen und später fürs Deutsche Wörterbuch entwickelt. Museumsleiterin Judith Vater erklärt das Prinzip: „Die Brüder Grimm hatten Zuträger, die ihnen Belegstellen zuschickten. Diese sammelten sie dann im Zettelkasten.“

Xenia Fink, die in Halle an der Burg Giebichenstein Kunst und Design sowie an der Universität der Künste Berlin studiert hat, beschäftigt sich vor allem mit Bildern und kunsthistorischen Werken von Herman Grimm, Sohn von Wilhelm Grimm, der Kunsthistoriker und Publizist gewesen ist. „Ich finde ihn spannend, weil über ihn noch nicht so viel bekannt ist wie über die Brüder Grimm“, sagt Xenia Fink.

Für die Künstlerin ist die Zeichnung das wichtigste Mittel. Von Bildern und Textzitaten lässt sich Xenia Fink inspirieren. Für ihr aktuelles Projekt wolle sie Tafeln in der Grimm-Ausstellung verändern und in den Zwischenräumen eigene Arbeiten aufhängen. „Mein Ziel ist es, die Bilder miteinander zu kombinieren“, hat sich die 38-Jährige vorgenommen. „Dann sollen die Betrachter aus ihnen eigene Geschichten entwickeln.“

Einmal in der Woche reist die Stipendiatin nach Haldensleben, in der Zwischenzeit lehrt sie an ihrer einstigen Lernstätte Burg Giebichenstein Anatomie und Aktzeichnen. Von morgens bis abends stöbert sie dann im Archiv in den Büchern, liest, stöbert nach Bildern und fotografiert. In den eigenen vier Wänden geht die Arbeit anschließend weiter. Dort fertigt die Künstlerin Skizzen für die späteren Zeichnungen an. Xenia Fink plant auch, die Besucher in die Ausstellung mit einzubeziehen.

„Für die Haldensleber soll ein Aha-Effekt entstehen. Da kommt extra jemand nach Haldensleben, weil er die Stadt für seine Kunst attraktiv findet“, erklärt Judith Vater. Weiterhin sei es eine gute Gelegenheit, den Nachlass der Grimms aus Sicht der bildenden Kunst darzustellen. Auch ein neuer Zugang zu Regionalmuseen wird geschaffen. Bis Ende September bereitet Xenia Fink ihre Ausstellung vor. Dann können die Haldensleber in die Bildergeschichten aus dem Zettelkasten eintauchen.

Die Idee hinter dem sogenannte Heimatstipendium ist es, die beiden Gegensätze der modernen, bildenden Kunst und Regionalmuseen zu vereinen. Außerdem solle der Blick der Stipendiaten auf die Sammlung der Museen gelenkt werden. Das Heimatstipendium organisierte die Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt, die mit dem Landesmuseumsverband kooperiert.

Acht kleinere Museen konnten sich für das Heimatstipendium vorstellen. Auch das Museum in Haldensleben. Danach konnten sich Künstler aller Sparten für eines der Museen bewerben. Die Höhe des Stipendiums liegt bei 12.000 Euro. Zwei Künstlerinnen haben sich für das Museum in Haldensleben beworben – Xenia Fink ist es geworden. Blatt für Blatt wühlt sie sich nun in den kommenden Monaten durch das Grimm-Archiv.