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Notbetreuung Tränen trocknen auf Abstand?

Seitdem der Anspruch auf Notbetreuung auf immer mehr Berufsgruppen ausgeweitet wurde, sind wieder mehr Kinder in den Haldensleber Kitas.

Von Juliane Just 08.05.2020, 01:01

Haldensleben l Schon als die Eltern ihr Kind am Tor der Kita abgegeben haben, ist es voller Freude auf ihre Erzieherin zugerannt und ist ihr in die Arme gefallen. Laut der Eindämmungsverordnung ist das nicht erlaubt – auch bei der Kinderbetreuung wird auf Abstand gesetzt. „Aber die Kinder brauchen die Nähe. Sie hat ihnen so gefehlt“, sagt Krimhild Grahn, Leiterin der integrativen Kita „Rappelkiste“.

Man könne kaum in Worte fassen, wie sich die letzten Wochen angefühlt hätten. Totenstille in den Räumen. Kein Lachen, kein Weinen, nichts. „Da war nur eine riesige Leere“, beschreibt die Einrichtungsleiterin. Nachdem in den ersten Wochen der Corona-Pandemie nur Kinder von Eltern in medizinschen Berufen die Notbetreuung in Anspruch nehmen durften, wurden die Berufsgruppen inzwischen erweitert. Anfangs wurden in der Einrichtung noch acht Kinder betreut, jetzt sind es schon 33.

Neben Hygieneplänen wurden Erlass zur Notbetreuung in Kindertagesstätte und Tagespflegestellen des Sozialministeriums auch weitere Parameter festgelegt. Kinder dürfen demnach in der Krippe höchstens in Sechsergruppen betreut werden, in der Kita maximal in Zölfergruppen. Räume müssen mindestens fünf Quadratmeter pro Kind bieten.

Auf dem großen Spielplatz der Einrichtung werden die Kinder beim Spielen nun in ihren Grüppchen großzügig verteilt. „Die größeren Kinder verstehen die Umstände auch, die kleineren eher nicht“, sagt Krimhild Grahn. In der integrativen Kita werden auch geistig behinderte Kinder betreut, die gerade jetzt mehr Aufmerksamkeit benötigen.

Die Einrichtungsleiterin bemerkt einen großen Unterschied im Verhalten der Kinder im Zuge der Corona-Pandemie. Man merke, dass Corona auch in vielen Familien Thema ist. Die Kinder hätten auch Ängste. „Kurz vor Ostern haben die Kleinen nicht über das Fest geredet, sondern nur über Corona. Das hat mich sehr berührt“, so Krimhild Grahn.

Das ist auch Cornelia Schmidt, Einrichtungsleiterin der Kita „Birkenwäldchen“ in Satuelle, aufgefallen. „Das Virus ist auch für die Kinder ein Thema“, sagt sie. „Aber sie sind entspannter, wenn man es ihnen erklärt.“ In der städtischen Einrichtung waren anfangs bis zu 8 Kindern in der Notbetreuung, inzwischen sind es über 20. Normalerweise spielen und toben hier 64 Kinder.

Dass den Kleinen der Kindergarten gefehlt hat, merke man deutlich. „Wir machen mit den Kindern eine Art Eingewöhung, wenn sie zurückkommen“, sagt Cornelia Schmidt. Nach sechs Wochen müssen sich viele Kinder erst wieder an die Abläufe in der Einrichtung gewöhnen. Und auch wenn diese durch die Auflagen teilweise anders sind, versuchen die Erzieher, den Kita-Alltag so normal wie möglich zu gestalten.

Und wie steht es um den Abstand? „Die Eltern wissen, dass die Kinder untereinander Kontakt haben“, sagt die Einrichtungsleiterin. Keiner würde die Kleinen trennen, nur weil sie sich umarmen. „Sie sollen ja auch noch Kinder sein. Bei uns steht das Kindeswohl im Fokus. Dazu gehört Nähe nun einmal dazu“, sagt Cornelia Schmidt. So fasse man sich beispielsweise beim Singen nicht mehr an den Händen, aber wenn ein Kind weint, dann hole man es trotzdem zum Trösten auf seinen Schoß. Zusätzlich versuchen die Erzieher den Kindern auch beizubringen, wie man sich auch auf Abstand Zuneigung zeigen kann.

In den zehn städtischen Einrichtungen wurden am ersten Tag der Notbetreuung insgesamt 21 Kinder aufgenommen, sechs Woche später waren es schon 249 Kinder. Dabei stoßen einige Einrichtungen an ihre Grenzen – wie die Kita „Wirbelwind“. Sie stößt laut Stadtpressesprecher Lutz Zimmermann derzeit an ihre Grenzen. „Kinder können bei erschöpften Kapazitäten einer Einrichtung in Abstimmung mit den Eltern in eine andere, möglichst nahegelegenen Einrichtung betreut werden“, sagt er. Wenn alle Kapazitäten erschöpft seien, müssen Wartelisten geführt werden.

Doch Krimhild Grahn ist sich sicher, dass in einem solchen Falle keine Notbetreuung mehr möglich ist. „Dann müssten wir die Einrichtung wieder ganz normal öffnen“, sagt sie. Sie könne derzeit noch auf den Sportraum oder den Kreativraum ausweichen, aber auch das sei keine dauerhafte Lösung.