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Stadtempfang Von Bürgerstolz und Ehrenamt

Rückblick halten, nach vorn schauen und Ehrenamtler würdigen - das gab es beim Jahresempfang der Stadt Haldensleben auf Schloss Hundisburg.

Von Theo Weisenburger 24.06.2019, 01:01

Haldensleben l Am längsten Tag des Jahres, und an einem so schönen dazu, lässt es sich gut feiern. Und wenn dann noch das Ambiente passt, umso besser. Alles war perfekt am Freitagabend, als die Stadt zu ihrem Jahresempfang ins Schloss Hundisburg einlud. Gekommen waren – neben Vertretern aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft – insbesondere Ehrenamtler. Vor allem um sie sollte es beim Empfang gehen, wie bereits Stadtratsvorsitzender Guido Henke (Die Linke) in seiner Begrüßung sagte: „Wir wollen uns bei Ihnen bedanken. Dieser Abend gilt Ihnen.“

Vor allem aber galt er zwei neuen Trägern des Rolandschwertes. Es ist Tradition in Haldensleben, bei den Jahresempfängen verdiente Bürger oder Vereine auszuzeichnen.

Das erste Schwert ging an den Verein Flora, im Namen des Vorstands nahmen Gisela Kondratjuk und Eberhard Resch die Auszeichnung entgegen. Der bereits 1990 gegründete Verein, er ist damit einer der ersten, der nach der Wende ins Leben gerufen wurde, kümmert sich um die Integration seelisch behinderter Menschen in das normale alltägliche Leben. Seit 1998 betreibt der Verein sozialpsychiatrische Eingliederungsangebote, unter anderem in seinem Domizil an der Dessauer Straße. Wer sich diese Gebäude anschaue „und die vielen verschiedenen Angebote zur Kenntnis nimmt, der kommt nicht umhin, den von Anfang an aktiven Akteuren des Vereins ein herausragendes Maß an Mut, Empathie, Beharrlichkeit und Engagement zu konstatieren“, sagte Henke.

Im Oktober 1998 sind die ersten fünf Bewohner ins Haus an der Dessauer Straße gezogen. Derzeit leben dort 39 Menschen, dazu kommen zwölf weitere, die in Wohnungen in der Stadt leben. Zudem habe der Verein in den vergangenen Jahren sein Angebot erweitert, unter anderem um eine Tagespflege für ältere Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen in der Casa Florentiona. Das Besondere dabei: Während körperlich erkrankten Menschen öffentliche Gesundheitseinrichtungen zur Verfügung stünden, „sind es hier im Fall der Flora ehrenamtlich arbeitende Menschen, die einen Verein tragen und damit die gesamte Verantwortung für Personal, Immobilien und Verwaltung.“ Das verdiene eine Würdigung in Form des Rolandschwertes.

Das sei nicht immer so gewesen, konnte sich Gisela Kondratjuk in ihren Dankesworten einen Kommentar dazu dann doch nicht verkneifen. Es sei schön, dass „nach 30 Jahren die Angebote unseres Vereins ordentlich wahrgenommen werden“, verwies sie insbesondere auf die Anfangsjahre, in denen der Flora-Verein eben jene Würdigung vermisste, die er jetzt bekam. Es sei ein schwerer Weg gewesen, ohne finanziellen Rückhalt die Arbeit aufzunehmen.

Ein langen Weg hat auch der zweite Empfänger des Rolandschwerts zurückgelegt, Haldenslebens früherer Bürgermeister Norbert Eichler. Die stellvertretende Bürgermeisterin Sabine Wendler würdigte ihn als einen Mann, „der den Mut zur Tat besitzt und dabei auch das Wort gut gebrauchen kann. Er hat in einer Zeit entschieden gehandelt, in der die Fundamente für das heutige Erscheinungsbild von Haldensleben gelegt worden sind.“

Wendler meinte damit das wirtschaftliche Geschehen, die Ansiedlung des Otto-Versands, die Entwicklung des ersten Gewerbegebiets, das Investoren von außerhalb anzog, aber auch einheimischen Gesellschaften die Möglichkeit der Expansion gegeben habe. Aber auch die Gründung kommunaler Unternehmen, die Sanierung von Schloss Hundisburg und Kulturfabrik und der Stadionbau – all dies seien Dinge, die mit dem Namen des früheren Bürgermeisters in Verbindung stehen.

„Ich habe Gänsehaut bekommen bei dieser Laudatio“, gestand Norbert Eichler. Auch er erinnerte sich an die Anfangsjahre zurück. Heute redeten viele über Bürgernähe. Er habe damals Bürgernähe anders verstanden, als viele das heute tun. Es gehe darum, die Bedürfnisse der Menschen zu verstehen, und das dann auch umzusetzen. Angesichts der wirtschaftlichen Lage nach der Wiedervereinigung und drohender Massenarbeitslosigkeit habe Bürgernähe dann eben bedeutet, Arbeitsplätze zu schaffen. Das sei gelungen, so Eichler. Und weiter: „Ich bin stolz auf meine Stadt und darauf, was wir geschafft haben.“

Diesen Bürgerstolz hatte zuvor auch Sabine Wendler angesprochen. Der Roland, der vor 600 Jahren aufgestellt wurde, sei ein Symbol dafür. In ihrem Rückblick sprach sie Projekte an wie den Neubau der Feuerwehr Wedringen an, aber auch andere Entwicklungen. Die Stadt habe bewegte Monate und Jahre hinter sich, „und manches ist noch offen und wird offenbleiben“. Dennoch glaube sie zu spüren, dass bei vielen Bürgern „der Wunsch nach neuer Gemeinsamkeit und möglichst konstruktivem Miteinander vorhanden ist“.