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Landkreis Börde Frust und Ärger über rücksichtslose Raser

Über Raser ärgern sich Anwohner der Bahnhofstraße in Rätzlingen. Seit Wochen führt eine Umleitung durch den Ort.

Von Anett Roisch 25.11.2020, 00:01

Rätzlingen l „Wir als Anwohner der Bahnhofstraße ärgern uns schon Monate lang über die Raser. Morgens um halb fünf geht das hier los“, beschreibt Frank Eggestein. Besonders schlimm sei die Situation – nach seinen Ausführungen – als die Bauarbeiten an der Bundesstraße 188 n begannen und der Verkehr durch Rätzlingen geleitet wurde.

„Die Autos müssen ja irgendwo lang fahren. Das ist ja gar nicht das Problem, aber die Art und Weise wie gefahren wird. Es wird sogar noch überholt, wenn einer schon 70 fährt“, sagt der Rätzlinger verärgert. Er betont, dass er auch im Namen vieler Nachbarn spricht und appelliert an die Vernunft der Kraftfahrer. „Wenn die voll beladenen Lkw um die Ecke kommen und die Straße lang brettern, dann wackeln die Häuser“, ergänzt seine Frau Rita.

Auch Eggesteins Schwager Hermann Böttcher, der gleich nebenan wohnt, hat die Nase vom Verkehrschaos gestrichen voll. „Die letzten zehn Wochen waren extrem. Es müsste eine Verkehrsberuhigung her“, sagt Böttcher und erklärt, dass es den Anliegern der L 24 in Richtung Bösdorf und auch an der Everingen Straße ähnlich ergehe. Wichtig sei den Bewohnern der Bahnhofstraße, dass die Polizei die Raser blitzt, um sie zu erziehen.

Sorgen um ihre Kinder macht sich Susann Täger, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite wohnt. „Wir sind vor eineinhalb Jahren in dieses Haus gezogen und fühlen uns eigentlich in Rätzlingen sehr wohl. Wenn da nicht diese viel befahrene Straße wäre“, sagt die Mutter. Ihre Söhne sind neun und sechs Jahre alt. „Sie dürfen nicht allein zur Straßenseite raus. Und auch der Große darf nicht mehr mit dem Fahrrad zur Schule. Das ist einfach zu gefährlich“, erklärt Susann Täger.

„Man muss wirklich froh sein, dass bis jetzt noch nichts passiert ist. Wenn ein Lkw hier 80 oder 90 Kilometer pro Stunde runter brettert, kommt der nicht so schnell zum Stehen“, sagt Böttcher. Rita Eggestein hat schon oft bei verschiedenen Ämtern angerufen. Dabei habe sie das Gefühl, dass die Behörden nicht für die Bürger da seien.

„Die Straßenbauarbeiten an der B 188n sind in den letzten Zügen. Demnächst soll die Bauabnahme erfolgen. Voraussichtlich am Sonnabend wird die Straße dann freigegeben“, erklärt Friedbert Kloss, verantwortlich für die Verkehrsorganisation im Straßenverkehrsamt des Landkreises Börde.

„Wir waren an der Bahnhofstraße. Die Polizei hat zwei Mal an verschiedenen Tagen und zu unterschiedlichen Zeiten gemessen. Es gab gerade mal zwei oder drei Vergehen, die etwas über 60 Kilometer pro Stunde gefahren sind“, erinnert sich Kloss. Aus Erfahrung sagt er, dass ein gefühlter Wert der Anlieger ein anderer sei, als der gemessene. „Sicher gibt es immer Verkehrsteilnehmer, die schneller fahren, aber die Masse der Fahrzeugführer fuhr dort akkurat“, sagt Kloss.

Auch Detlef Meyer, Leiter des Ordnungsamtes der Einheitsgemeinde, bestätigt, dass es Geschwindigkeitskontrollen an der Bahnhofstraße gab. Diese seien auch ausgewertet worden. Es habe keine großen Verstöße gegeben. Wie oft die Polizei dort blitzt oder nicht, darauf habe die Kommune keinen Einfluss.

„Im Zuge der Umleitung wurden Schilder mit einer Tempo-30-Begrenzung für LKW an der Einmündung zur Dorfstraße angebracht, weil dort Kinder, die zur Schule wollen, über die Fahrbahn müssen“, beschreibt Kloss. Diese Schilder sollen mit der Aufhebung der Umleitung wieder weggenommen werden. Eine Aussicht auf eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung sieht auch Meyer vom Ordnungsamt nicht. Dafür sei – wenn es nicht gerade eine Umleitungsstrecke über Rätzlingen gibt – der Verkehr zu gering. „Die Straßenverkehrsordnung regelt eindeutig, wo Tempo-30-Schilder aufgestellt werden. Vor zwei Jahren wurde festgelegt, dass nur vor Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern eine 30 aufgestellt wird“, betont Kloss.

Groß ist der Unmut bei Familie Eggestein, als sie dann auch noch einen Brief vom Ordnungsamt der Einheitsgemeinde mit dem Hinweis bekommen, dass die Straße nicht richtig gefegt sei und mit der Aufforderung, vor ihrem Grundstück das Unkraut zu entfernen. „Da sind ein paar Grashalme hochgekommen. Aber im Sommer als die Maisernte war, fuhr fast kein Lkw mit einer Plane über seiner Ladung. Das heißt, überall auf den Straßen und auf den Gehwegen in Rätzlingen lagen Reste von Mais“, sagt Eggestein und zeigt Fotos, auf denen Erntereste zu sehen sind.

Zum mahnenden Brief des Ordnungsamtes sagt Meyer, dass es die Aufgabe des Amtes sei, die Straßenreinigungspflicht zu überprüfen. Die Schreiben vom Amt wären aber nur ein Hinweis, diese Bürgerpflicht erfüllen zu müssen. Der Ordnungsamtsleiter kritisiert auch, dass in der Erntezeit die Fahrer der Traktoren und Lkw ihre Ladungen nicht abdecken. Dies sei – nach seinen Ausführungen – zwar gesetzlich vorgeschrieben, aber vom Ordnungsamt nicht zu kontrollieren. „Wir dürfen den fließenden Verkehr nicht stoppen. Das darf nur die Polizei“, erklärt Meyer. Anlieger könnten selbst Anzeige unter der Angabe des Kennzeichens vom Laster, des Datums und der Uhrzeit bei der Polizei erstatten.

Anwohner machen auch auf die Gefahr aufmerksam, dass der Gehweg der Bahnhofstraße einfach endet. „Mit dem Kinderwagen kommt da niemand lang“, weiß Frank Eggestein.

„Das es teilweise keinen Fußweg an der Bahnhofstraße gibt, ist die Schuld der Gemeinde. Sicher wurde das bisher aus Kostengründen nicht umgesetzt“, vermutet Kloss. Ingolf Kollmeyer, Mitarbeiter des Bauamtes der Einheitsgemeinde, erklärt: „Es ist auf lange Sicht geplant, dort einen Gehweg anzulegen. Die Realisierung bedarf noch einiger umfassender Planungen und Rücksprachen. Es gibt da viele große Bäume und einen Graben, der verrohrt werden muss. Das geht aber alles nicht von heute auf morgen.“