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Tourismus Gästeführer ohne Gäste

Die Corona-Pandemie hat auch Stadtführungen lahmgelegt. Die Stadtführer hoffen, Haldensleben bald wieder an den Mann bringen zu können.

Von Juliane Just 07.05.2020, 01:01

Haldensleben l Das letzte Mal verkörperte sie Gertrud von Haldensleben auf der Nationalen Poswertzeichenausstellung (Naposta) in der Ohrelandhalle. Ein letztes Mal zog sich Kerstin Weinrich das historische Gewand über. Ein letztes Mal posierte sie mit Roland von Haldensleben für ein Foto. Danach sorgte die Corona-Pandemie dafür, dass das öffentliche Leben lahmgelegt wurde. Und damit musste sie ihr Amt kurzfristig niederlegen.

„Normalerweise sind April bis Juni die stärksten Monate für uns“, sagt Kerstin Weinrich. Viele Menschen wollen in die Natur, wollen ihre Heimat kennenlernen – dort kommt Gertrud von Haldensleben ins Spiel. Seit 2011 mimt Kerstin Weinrich die Haldensleber Stadtddame. Sie führt Gäste durch Haldensleben und die Umgebung, aber auch darüber hinaus.

„Man hat sich über so viele Jahre etwas aufgebaut und so viel Energie hereingesteckt und nun fängt man wieder von vorn an“, ärgert sich die Gästeführerin, die hauptberuflich in der Haldensleber Stadtverwaltung im Bereich Marketing tätig ist. Gästeführer sind oft vernetzt mit Vereinen, Gastronomien, Kutschfahrern oder Busunternehmen – keiner weiß, ob der andere die Pandemie übersteht.

Etwa 20 bis 30 Führungen hat Kerstin Weinrich pro Jahr auf ihrem Programm. 2020 werden es deutlich weniger. „Ich hoffe, dass die Führungen im Juli wieder angeboten werden können“, sagt sie. Da die Deutschen nun im eigenen Land Urlaub machen müssen, sieht sie für Haldensleben eine Chance. Doch mit Mundmaske, da ist sie sich sicher, wird sie keine Führungen machen.

Auch Susan Bernt führt Gäste normalerweise nebenberuflich durch die Börde und Teile von Niedersachsen. Sie ist zertifizierte Gästeführerin und springt in Haldensleben ein, wenn Not am Mann ist. So war sie schon für das Museum im Einsatz oder auch im Schloss Hundisburg. Als Vorsitzende des Arbeitskreises der Gästeführer in der Region Ostfalen sieht sie die Not der Kollegen. „Es ist eine schwierige Stimmung unter den Gästeführern“, sagt sie.

Viele seien nicht zwingend auf das Geld angewiesen, aber eben auf Einrichtungen oder Institutionen, für die sie oft im Einsatz sind. „Wenn beispielsweise das Schloss Hundisburg geschlossen hat, hängt dort der Gästeführer dran, der jeden Tag Führungen anbietet“, sagt sie. Und selbst wenn die Branche sich wieder erhole, sei der Normalzustand in der Schwebe. So würde man nicht wissen, wie beispielsweise Busreisen künftig ablaufen.

Digitale Varianten wie Audioguides sieht Susan Bernt in der Region Fehl am Platz. Diese Führungen funktionieren auf eigene Faust mit Tonaufnahmen, die auf entsprechenden Geräten oder Mobiltelefonen abgespielt werden können. „Wir haben zum Beispiel viele Waldpädagogen, die den Kleinen den Lebenraum Wald erklären. Das wäre allein gar nicht machbar“, sagt Susan Berndt. Oftmals sei vor allem der direkte Kontakt zum Gästeführer als auch seine besonderen Anekdoten das Erlebnis an der Führung.