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Unterstützung Geld fließt für Fahrzeugumbau

Beim behindertengerechten Umbau ihres Fahrzeuges wollte sich Justine Wieder aus Irxleben unterstützen lassen. Vier Jahre hat es gedauert.

Von Constanze Arendt-Nowak 05.05.2019, 10:00

Irxleben l Wenn Justine Wieder an die vergangenen vier Jahre zurückdenkt, so sieht sie sich immer wieder einem Kampf gegen die Windmühlen der Bürokratie und gegen die Auslegung von Gesetzen gegenüber. Streitobjekt dabei war ihr Familienauto, das behindertengerecht für Tochter Lea-Justicia umgebaut werden sollte. Finanzielle Hilfe erhoffte sie sich über das Sozialamt in Magdeburg, wo die Familie damals noch wohnte.

„Im Gesetz steht, dass ein behinderter Mensch Teilhabe in der Gesellschaft haben kann“, erklärt sie. Die mittlerweile zehnjährige Lea-Justicia leidet an einer seltenen Gen-Mutation, dem Fox G1-Syndrom, das erst 2010 entdeckt worden ist. Aufgrund dessen ist sie komplexbehindert. Da sie unter anderem stark entwicklungsverzögert (auf dem Stand eines fünf- bis sechsmonatigen Kindes) ist und häufig zu Krampfanfällen neigt, ist sie in vollem Umfang auf Hilfe angewiesen. Ein Auto, das das Mädchen mit ihrem Rollstuhl und anderen benötigten Hilfsmitteln auch nutzen kann, bringt Erleichterung bei der schweren Bewältigung des Alltags.

„Am 12. Mai 2015 habe ich den ersten Antrag gestellt, der wurde gleich abgelehnt“, erinnert sich Justine Wieder an den Anfang des Streits. Mit der Begründung, in der es unter anderem hieß, dass Hilfsmittel für behinderte Menschen nur dann getragen werden, wenn sie die Behinderung verbessern oder sie am Arbeitsleben teilnehmen lässt, gab sich die Mutter damals nicht zufrieden. Sie ging in Berufung und bezog sich auch darauf, dass ihr Kind ein Recht auf Teilhabe in der Gesellschaft hat. Das bedeutet, dass sie nicht nur Freunde im Kindergarten hatte, sondern auch außerhalb, sowie auch Angebote wie den Musikgarten oder therapeutisches Reiten nutzte. Auch eine Schulpflicht bestünde später.

Die vom Amt damals vorgeschlagene Beantragung eines Fahrdienstes, der sie zur Schule bringt, war für Justine Wieder keine wirkliche Alternative. „Wen meine Tochter Krampfanfälle hat, muss ich sie regelmäßig aus der Schule abholen und auch in die Klinik oder zu Ärzten bringen“, beschreibt Justine Wieder die Praxis. Hilfsmittelanpassungen, Therapien, Kuren kommen hinzu. Krankentransporte müssten aber jedes Mal längerfristig angemeldet werden.

Die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs, sprich der Straßenbahn, ist ebenso abwegig für Lea-Justicia und ihre Mutter. Dafür spricht unter anderem, dass die Krampfmittel während eines Anfalls rektal gegeben werden müssen und auch, dass Lea-Justicia gewindelt werden muss.

Als auch der zweite Antrag abgelehnt wurde, nahm sich Justine Wieder einen rechtlichen Beistand. Ein Rechtsanwalt nahm sich der Sache an, aber konnte selbst über einen Eilantrag zunächst nicht viel ausrichten. Der Eilantrag hatte zur Grundlage, dass sich die Situation inzwischen verschärft hatte, da Justine Wieder nochmals schwanger war und ihre Tochter deshalb nicht mehr tragen durfte. Nach Stellen dieses Antrages im Oktober 2015 gingen die Monate ins Land, bis der Antrag im Juli 2016 abgelehnt werden konnte, da Justine Wieder inzwischen ihren Sohn entbunden hatte.

Der zuerst gestellte Antrag wurde im Amt unterdessen nicht weiterbearbeitet und vielleicht auch vergessen. „Die Hauptargumente daraus waren aber weiterhin gegeben, so dass ich mit anwaltlicher Hilfe darauf gedrungen habe, die Anklage aufrechtzuerhalten – das war im Mai 2018“, so Justine Wieder.

Im Oktober 2018 kam es dann zu einer Verhandlung vor dem Magdeburger Sozialgericht. „Da haben wir uns das erste Mal Auge in Auge unterhalten“, blickt Justine Wieder zurück. Doch der Richter wollte nach ihrer Darlegung zunächst keine Entscheidung treffen, so dass eine weitere Verhandlung folgte – wieder in Anwesenheit Justine Wieders. Nachdem der Richter, der ihre Anträge zuvor schon immer abgelehnt hatte, die Chefin vom Pflegedienst und die Klassenlehrerin von Lea-Justicia, ohne sie anzuhören, entlassen hatte, erbat sich Justine Wieder die Möglichkeit zum Reden. „Ich war sehr emotional“, erinnert sie sich an die Gelegenheit, darzulegen, dass sie selbst am Arbeitsleben teilnimmt, aber dieses auf das Leben mit ihrer Tochter abgestimmt hat. Sie komme ihrer Fürsorge vollständig nach.

Die Wartezeit vor der Tür des Gerichtssaals zog sich wie Kaugummi, aber am Ende ging alles positiv aus. Dem Einbau einer Rampe wurde mit einer umfangreichen Begründung zugestimmt. So wurden Leas Krampfanfälle als besondere Bedingung für die individuelle Entscheidung angegeben, auch die nicht spontane Verfügbarkeit von Fahrdiensten spielte eine Rolle.

Die finanzielle Unterstützung wurde nun endlich im März über den Landkreis Börde – da Justine Wieder gemeinsam mit ihrer Familie seit Anfang 2016 in der Hohen Börde wohnt – ausgezahlt. Damit kommt sie gerade recht, um das neue Familienauto mit einer Rampe auszustatten. Das Vorgängerfahrzeug ist, nachdem der Rollstuhl Leas Größe angepasst wurde, zu klein geworden. Die Kosten für die erste Rampe hat die Familie selbst finanziert.

Mit ihrer Geschichte möchte Justine Wieder anderen Eltern auch zeigen, dass es sich lohnt, zu kämpfen und zäh zu bleiben.