Bundeswehr Abtauchen bei fünf Grad im Kiesloch
Hohengöhren
„Ich hatte hier schon Aquarium-Verhältnisse mit Sicht bis zu acht Meter. Aber heute ist es nicht mal ein Meter – ungewöhnlich für Hohengöhren. Wahrscheinlich alles noch aufgewirbelt vom Sturm am Wochenende.“ Stabsfeldwebel Tino Rosenburg ist gerade zurück von seinem Tauchgang im Kiesloch. Er und die anderen Soldaten des Havelberger Taucherzuges mit Oberstabsfeldwebel Heiko Mangelsdorf als Zugführer an der Spitze haben hier vor wenigen Tagen das Orientierungstauchen geübt. Dafür eignet sich der große See bestens, „die Bedingungen könnten kaum besser sein“.
Am südlichen Ufer gibt es einen leichten Einstieg, auch das Begleitboot kann hier gut zu Wasser gelassen werden. Am westlichen und östlichen Ufer schwimmen zwei Bojen – sie sind das angepeilte Ziel für die je zwei Taucher. Gut 50 Meter entfernt, hätten sie ordentlich zu tun, bis sie dort ankommen. Aber sie haben Hilfe von einem Scooter. Die Geräte werden von Elektromotoren angetrieben und ziehen die Taucher, die quasi nur noch lenken müssen, durchs Wasser. Immerhin bis zu 20 km/h schnell. Deshalb kommen die Bojen, an denen die Taucher mit einem sieben Meter langen Seil befestigt sind, auch gut voran. Die Soldaten im Begleitboot haben die Bojen gut im Blick, um im Notfall eingreifen zu können. Deshalb sitzt auch immer ein Sicherungstaucher an Bord. Und am Ufer steht einsatzbereit Hauptfeldwebel Kevin Steddin. Er ist tauchmedizinischer Assistent. Sollte es tatsächlich mal zu gesundheitlichen Atem-Problemen kommen, gibt es am Standort in Havelberg eine Druckkammer. „Aber die Sicherheitsvorkehrungen sind auf höchstem Niveau“, weiß Tino Rosenburg um die sehr gute Ausbildung seiner Kameraden und auch um die moderne Technik, die ihnen zur Verfügung steht. Die Scooter gibt es seit vier Jahren.
30 Pflichttauchstunden müssen die Soldaten übers Jahr verteilt absolvieren, damit sie nicht aus der Übung kommen, meistens sind es ein paar mehr.
In Ferropolis unter Eis
Im Februar hatte sich ihnen eine eher seltene Möglichkeit geboten: Im alten Braunkohletagebau Ferropolis bei Dessau konnten sie aufgrund der frostigen Temperaturen unter Eis tauchen. „Für etliche von uns war das Premiere, denn zugefrorene Gewässer gibt es in den milden Wintern ja nicht mehr so oft. Es war für alle eine wertvolle Erfahrung und Übung – wer weiß, wofür man es mal braucht“, will der stellvertretende Zugführer auf alle Eventualitäten bestens vorbereitet sein.
Deshalb wird auch immer wieder das Strömungstauchen geübt. Dafür eignen sich Elbe und Havel bestens. Vor der Übung in Hohengöhren waren die Havelberger in Nitzow und Strohene im Wasser. Die Havel machte es den Tauchern mit derzeit minimaler Fließgeschwindigkeit von 0,4 Metern pro Sekunde recht leicht, „gerade in der Elbe geht es da oft schon deutlich schneller zur Sache“.
Die nächste Übung führt die Havelberger im April nach Bayern an der Starnberger See, wo sich das Taucherausbildungszentrum des Heeres befindet. Von einer mitten auf dem 127 Meter tiefen See liegenden Fähre geht es ab in die Tiefe – bis 50 Meter üben die Soldaten. Kompass und Tiefenmesser sind unentbehrliche Begleiter.
Jede Menge Fische
Ähnlich wie im Starnberger See bekommen die Taucher auch im Hohengöhrener Kiesloch mit ein bisschen Glück unter Wasser Einiges zu sehen: Karpfen, Hechte, jede Menge Weißfisch, kleine und große Exemplare. Weil das Gewässer in den 90-er Jahren durch den Abbau von Kies entstanden ist, sind viele Abbruchkanten und Steilwände zu sehen. „Gleich am Ufer geht es abrupt runter bis auf sieben Meter, dann plötzlich taucht wieder eine Steilwand auf. Die Tiefen sind wirklich sehr unterschiedlich, man sieht richtig die Spuren des Schaufelbaggers an den Wänden. Eben deshalb ist es auch nicht ungefährlich im Kiesloch, wo jederzeit auch Kanten abbrechen können“, kennt Einsatzleiter Sebastian Babick die Gefahr. Wie tief der See tatsächlich ist? Die Havelberger Taucher haben ein einer Stelle 18 Meter gemessen, „es können aber auch mehr sein, weil die Tiefen so unterschiedlich sind“.
Neben den natürlichen Gewässern steht dem Taucherzug, der auch insgesamt 30 Soldaten in drei Gruppen besteht, auch noch der Tauchtopf in der Havelberger Kaserne zur Verfügung. Auch er wird regelmäßig zum Üben genutzt. Tatsächlich aber steigen die Soldaten lieber draußen ins Wasser, „egal ob im Sommer oder Winter, am Ausbildungsplan wird nicht gerüttelt. Denn im Ernstfall fragt auch keiner, wie warm oder kalt es gerade ist“, so Oberstabsfeldwebel Heiko Mangelsdorf.
Auch wenn das nicht ihr Auftrag ist, bringen die Soldaten hin und wieder Unrat mit an die Wasseroberfläche.
Jüngster im Zug ist übrigens der gerade 20 Jahre alt gewordene Cederik Worch, der von seinen erfahrenen Kameraden vieles lernen und sich jederzeit auf sie verlassen kann.
Schon zu DDR-Zeiten hatte es bei der NVA in Havelberger eine Taucherlehreinheit gegeben, aus der mit Bildung der Bundeswehr eine Gruppe wurde, seit 2015 ist es ein vollständiger Taucherzug.