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Buchlesung Wenn Schafe einen Mord aufklären

Der Start der neuen Herbst-Winter-Lesereihe in der Buchstation auf der Stadtinsel Havelberg ist gelungen.

Von Bernhard Maslow 08.09.2016, 23:01

Havelberg l George ist tot. Der Schäfer hat einen Spaten in seiner Brust und seine Schafe ermitteln in dem Mordfall – so die Ausgangslage, mit der am Dienstagabend in der Buchstation in der Langen Straße 10 in Havelberg die Neugierigen durch Rainer Richter konfrontiert wurden. Zu der ersten Lesung in der Herbst-Wintersaison begrüßte Christine Foege, Leiterin der Buchstation des Kulturprojektes Stadtinsel, über 20 leseinteressierte Besucher. Sie zeigte sich positiv überrascht, dass der Einladung so viele gefolgt waren. „So voll war es zum letzten Mal zum Adventskalender im vorigen Jahr.“

Christine Foege wünscht sich, dass diese Auftaktlesung, die vom Havelberger Rainer Richter gestaltet wurde und in der es um Schafe im weitesten Sinne ging, ein Impuls ist für weitere Veranstaltungen, die wieder jeden Monat in der Buchstation stattfinden werden. Der Vortragende, der den meisten Zuhörern von einer Lesung im vorigen Jahr noch in Erinnerung ist, brachte diesmal ein nicht alltägliches Buch mit. Er habe es in einer Kramkiste in einem Havelberger Supermarkt entdeckt und sei neugierig geworden als er den Titel „Glennkill“ las.

Das Buch ist im August 2005 im Goldmann Verlag erschienen und der Erstlingsroman der deutschen Schriftstellerin Leonie Swann. Das Buch war über mehrere Jahre hinweg ein Bestseller, die Taschenbuchausgabe hielt sich 2007 mehrere Monate auf Platz eins der Bestsellerliste. Das Buch wurde über 1,5 Millionen Mal allein in Deutschland verkauft und in 30 Sprachen übersetzt.

Eine Besonderheit des Schafskrimis liegt darin, dass die in Irland spielende Geschichte aus der Perspektive von Schafen erzählt wird. Darum betonte Rainer Richter zu Beginn, dass es nicht eine normale Lesung sei, sondern ein „Lehrgang“, um schafig zu denken. Er schlug das Buch auf und begann nicht etwa am Anfang, wo der Leser erfährt, dass Schäfer George Glenn eines Morgens mit einem Spaten erstochen auf seiner Weide gefunden wurde und seine Schafe beschließen, den Mörder zu finden. Er startete in der Mitte der Romanhandlung, wo die Hauptakteurschafe bereits mit der Suche und Aufklärung des Verbrechens im vollen Gange sind. Hierbei wurden die Zuhörer mit den einzelnen Charakterzügen der handelnden Schafe vertraut gemacht. Sie lernten unter anderem Sir Ritchfield kennen.

Er ist der Leitwidder der Herde und nicht mehr der Jüngste. Nicht unerwähnt darf Miss Maple bleiben. Es ist das Gedächtnisschaf der Herde. Was es sich einmal gemerkt hat, vergisst es nie und vielleicht ist es das klügste Schaf der Welt. Zu den 19 verschiedenen Charakteren gehören auch Othello, ein schwarzer Hebridean-Vierhornwidder mit geheimnisvoller Vergangenheit und Zora, das einzige weibliche Schaf mit Hörnern.

Auf ihrer Tätersuche verdächtigen die Schafe zunächst den Metzger Ham, der ihnen Angst macht, und den örtlichen Pfarrer, den sie „Gott“ nennen, weil er die Menschen in seiner Kirche in Gottes Haus begrüßt. Später belauschen die Schafe ein Gespräch zwischen Ham und Gott, in dem Gott sich wundert, dass ihm dieses Mal niemand den Mord gebeichtet hat. Bei der Testamentseröffnung, zu der die Schafe ebenfalls gehen, stellt sich heraus, dass die Weide Rebecca, einer Frau aus dem Ort, die sieben Jahre im Ausland verbrachte, zufällt und Georges Geld den Schafen, was allgemeine Verwirrung hervorruft.

Trotz vieler Missverständnisse kommen sie der Menschenwelt mit ihrer Schafslogik nach und nach auf die Schliche und verfolgen unerbittlich die Spur des Täters. Zwischen Weide und Dorfkirche, Steilklippen und Schäferwagen warten ungeahnte Abenteuer auf Miss Maple und ihre Herde – bis es ihnen tatsächlich gelingt, Licht ins Dunkel zu bringen und den rätselhaften Tod ihres Schäfers aufzuklären.

Wie es zum Mord oder Selbstmord des Schäfers kam, wurde an diesem Abend nicht verraten, denn die Zuhörer sollten dies durch eigenes Lesen selbst erfahren. Die Autorin schaffe es, dass man Schafe mit etwas anderen Augen sehe, so Rainer Richter. Ihr Debütkrimi sei witzig, humorvoll, spannend und hintersinnig. Neugierde wurde geweckt durch den Spruch „In Irland ist unter jedem Dach ein Ach!“

Im Juni 2010 erschien die Fortsetzung „Garau“: Ein Schaf-Thriller. Die charakteristische Erzählperspektive wurde dabei ebenso beibehalten wie die meisten Figuren. Der Ort der Handlung liegt diesmal jedoch in Frankreich, was auch durch den Titel angedeutet wird. Das französische Wort „Loup Garou“ bedeutet Werwolf. Ein weiteres Buch wird den Titel „Flohzirkus“ tragen und nicht von Schafen handeln.

Für diesen Monat gibt es bereits einen nächsten Termin für eine Buchlesung, kündigte Christine Foege zum Ende der Veranstaltung an. Im Rahmen der Landesliteraturtage Sachsen-Anhalt im Landkreis Stendal liest am Dienstag, 27. September, Winfried Völlger aus seinem Buch „Sibirien. Südbalkan-Spiegelungen“. Beginn ist um 18.30 Uhr. Der deutsche Ich-Erzähler berichtet nicht über die üblichen touristischen Highlights oder den staatlich geförderten Folklorismus, sondern schaut in das wahre Leben der Menschen und der Landschaft.