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Bundesforst Xavier erntete über 10.000 Bäume

Die Surmtiefs der vergangenen Monate haben auch auf dem Klietzer Schießplatz Schäden angerichtet. Über 10.000 Bäume sind gefallen.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 05.02.2018, 13:23

Klietz l Für die Wälder auf dem gut 9000 Hektar großen Klietzer Truppenübungsplatz ist der Bundesforstbetrieb nördliches Sachsen-Anhalt zuständig. Dessen neuer Leiter des Betriebsbereiches Ost, Lutz Freytag, antwortete auf Fragen von Anke Schleusner-Reinfeldt.

Volksstimme: Nach Xavier und Herwert ist nun auch noch Sturmtief Friederike übers Land gezogen. Sind in den Wäldern des Truppenübungsplatzes weitere Schäden entstanden?

Lutz Freytag: Friederike hat auf dem Truppenübungsplatz keine größeren Schäden angerichtet, obwohl wir natürlich in Sorge waren, weil die vorgeschädigten Bestände für einen neuen Sturm besonders anfällig sind. Durch die hohen Niederschläge der vergangenen Monate und den aufgeweichten Boden haben die Bäume weniger Halt als gewöhnlich und kippen leichter.

Inzwischen ist sicher genau ermittelt, welche Schäden „Xavier“ angerichtet hat?

Es handelt sich fast ausschließlich um Einzelbäume und kaum flächenhafte Schäden. Die sind ganz besonders schwer zu schätzen. Mittlerweile gehen wir von rund 10.000 Kubikmeter Holz aus. Das ist etwa die Hälfte der jährlich geplanten Menge. Die Nachhaltigkeit ist also weiterhin gewährleistet. Aber die Beseitigung von geworfenen und gebrochenen Bäumen ist aufwändiger als bei der regulären Holzernte. Darin besteht auch der eigentliche Nachteil: Wir wollen die Wälder pflegen und durch eine planvolle Holznutzung weiterentwickeln und uns nicht von Sturmereignissen vorgeben lassen, wo wir arbeiten.

10.000 Kubikmeter – können Sie das für den Laien etwa in der Anzahl der Bäume ausdrücken?

Eine Kiefer mit durchschnittlich 30 Zentimeter Durchmesser hat einen knappen Kubikmeter verwertbares Holz. Wir müssen also etwas mehr als 10.000 Bäume beseitigen. Wo es die Soldaten nicht stört, bleiben auch mal einzelne Bäume liegen, wenn die Bergung sehr aufwendig ist. Das ist auch gut für Insekten und andere Lebewesen, deren Lebensraum das absterbende Holz ist. Wir nennen das Biotopholz.

Wieviel konnte schon aufgearbeitet werden?

Eines vorweg: Die militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes konnte zu jeder Zeit sichergestellt werden. Zum Arbeitsfortschritt muss ich etwas ausholen: Die vergangenen Stürme haben so große Schäden in der ganzen Nordhälfte Deutschlands verursacht, dass sämtliche Kapazitäten an Forsttechnik und Personal gebunden sind. Friederike hat das jetzt noch verschlimmert: Die Schätzungen von Holzmarkt- experten liegen bei acht bis zwölf Millionen Kubikmetern! Im Harz sind ganze Berghänge entwaldet und derzeit werden Maschinen und Personal aus allen Bundesländern und auch dem Ausland dort konzentriert, wo es am schlimmsten aussieht. Seit Jahren sind wir auch in der Forstwirtschaft vom demografischen Wandel und Firmenschließungen bei den Holzeinschlagsunternehmen betroffen. Solche Sturmereignisse machen die Lage am Markt erst richtig sichtbar. Der Bundesforstbetrieb versucht gegenzusteuern und bildet schon länger junge Menschen zu Forstwirten aus. Interessierte Schüler dürfen uns gern ansprechen! Ich rechne damit, dass wir noch bis in den Spätsommer an der Schadensbeseitigung arbeiten werden.

Was passiert mit den vielen Wurzeltellern, die zum Teil riesige Löcher in den Erdboden gerissen haben?

Bei allem Übel sind wir erleichtert, dass die Bäume entwurzelt wurden und nicht gebrochen sind. Dadurch wäre das Holz nicht mehr für die Sägeindustrie geeignet und durch Fäule auch schneller abgewertet. Im Bereich Klietz haben die Stämme meistens weiter Kontakt zu Wurzel und Krone und das Holz bleibt länger frisch. Ein weiterer Vorteil: Wenn man den Stamm nun absägt, klappt der Wurzelteller oft in den Boden zurück. Selbst wenn einige Teller aufgerichtet bleiben sollten, ist das für unsere Art der naturgemäßen Forstwirtschaft kein Nachteil, weil wir die Wälder ohnehin nicht flächendeckend mit Maschinen befahren werden. Somit sind die Wurzeln nicht im Weg. Im Gegenteil: Wurzelteller, die sich langsam zersetzen, bieten Lebensraum für viele Tierarten. Vielleicht wurden Sie auch schon mal einen Zaunkönig beschimpft, der sein Nest in der Wand eines Wurzeltellers verteidigt hat.

Hat die unerwartete Ernte Folgen auf die Einschlagpläne dieses Jahres?

Es gibt Landesforstbetriebe, die den Frischholzeinschlag vollständig einstellen, um sinnvoll auf die Marktlage zu reagieren. Die Bundeswehr benötigt stabile Waldbestände, die bestimmte Funktionen wie zum Beispiel Sichtschutz und Lärmschutz erfüllen. Bei der Entwicklung dieser Waldbestände fällt zwingend Holz an und daher werden wir die reguläre Holzernte nicht einfach abstellen. Dort, wo wir können, verschieben wir die reguläre Ernte ins nächste Jahr. Oft sind wir in der Regel vertraglich gebunden und unsere Kunden aus der regionalen Holzindustrie planen die Mengen fest ein. Dennoch versuchen wir, in Abstimmung mit allen Beteiligten, Anpassungen vorzunehmen.

Wird wieder aufgeforstet?

Da es sich vorwiegend um Einzelbäume handelt, entstehen nur kleine Lücken in den Waldbeständen. An diesen Stellen sind oftmals schon junge Bäume vorhanden, die sich natürlich angesät haben oder stellen sich durch den neuen Lichteinfall ein. Natürlich siedelt sich dort die Kiefer an und wenn die Wildbestände angepasst sind, auch Eiche und Buche. Dabei sind wir auf einem guten Weg.

Gibt es Forstschädlinge, die beobachtet werden müssen, weil ihre Zahl steigend ist?

Ja, sie tragen klangvolle Namen wie Kiefernbuschhornblattwespe, Prachtkäfer und Waldgärtner und es gibt auch Pilzinfektionen, die eine Bedrohung für vorgeschädigte Bestände darstellen. Denn man muss bedenken, dass durch die Wankbewegungen auch bei den stehengebliebenen Bäumen viele Feinwurzeln abreißen können. Dadurch kann die Wasserversorgung für die Baumkrone trotz viel Regen zu gering sein, was die Abwehrkräfte schwächt – dadurch haben es Schädlinge leichter. Der Forstbetrieb arbeitet mit zwei Mitteln dagegen: Förderung von Mischbaumarten und eine intensive Kontrolle zur Früherkennung von Massenvermehrungen bei Schadorganismen.

Zum Ende des Jahres hatte der Bundesforstbetrieb traditionell mehrfach zu Jagden eingeladen. Es heißt, dass nicht mehr so viele Jäger kommen, weil wegen des Wolfes kaum noch Muffelwild vorhanden ist. Stimmt das und wie ist die Abschussbilanz?

Richtig ist, dass die Überpopulation Muffelwildes beendet ist. Die heimische Leitwildart ist das Rotwild, das sein Verhalten an die Wölfe anpasst. Alle heimischen Tierarten können sich gut auf das Vorhandensein von Beutegreifern wie den Wolf einstellen. Wir sind schon dabei, das auslaufende Jagdjahr auszuwerten, damit wir unsere Jagden methodisch und organisatorisch an das geänderte Verhalten des Wildes anpassen können. Vor diesem Hintergrund sind genaue Planungen und Abschusspläne mit Unsicherheiten behaftet. Das wichtigste ist weiterhin die tierschutzgerechte Regulierung der Wildbestände auf einem Niveau, bei dem sich die heimischen Baumarten natürlich verjüngen können.

Können Sie etwas zur Wolfspopulation sagen?

Auf dem Truppenübungsplatz Klietz konnten im Monitoringjahr 2016/17 von Mai 2016 bis Ende April 2017 zwei Alttiere und acht Jungtiere nachgewiesen werden. Für 2017/18 können wir mindesten drei neue Welpen bestätigen. Während unserer letzten Jagd im Dezember wurden von mehreren Gästen und Helfern fünf gemeinsam jagende Wölfe und mehrere Einzelwölfe beobachtet. Wir verfolgen die Entwicklung gerade jetzt zur bevorstehenden Ranz, also der Paarungszeit, sehr gespannt und stehen im engen Kontakt mit dem Wolfskompetenzzentrum Iden.

Wegen der drohenden Afrikanischen Schweinepest sollen mehr Wildschweine geschossen werden. Trifft das auch auf den Bereich des Truppenübungsplatzes zu?

Von der Ausbreitung ist ganz Europa bedroht, obwohl ich gern betone, dass niemand auf Wildragout verzichten muss, denn die Afrikanische Schweinepest ist für Menschen absolut ungefährlich. Vielmehr geht es um den Schutz der landwirtschaftlichen Schweineproduktion. Wir versuchen, unseren Beitrag zu leisten und haben intern festgelegte Jagdruhezeiten aufgehoben.

Was steht für 2018 auf dem Arbeitsplan?

Für die erfolgreiche Etablierung von Laubgehölzen gibt es aus den vergangenen Jahren viele Wildschutzzäune, die wir in nächster Zeit öffnen und abbauen können, weil die Bäume gut gewachsen sind. Das wird unsere Mannschaft in diesem Jahr neben der Sturmholzaufarbeitung beschäftigen.