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Schüleraustausch Gespannt auf ein Jahr in Kanada

Alena Bloch verbringt ein Jahr in Kanada. Nach ihrem Abitur besucht die Havelbergerin nun dort die Schule.

Von Elisabeth Schneider 15.09.2017, 16:03

Volksstimme: Wann und warum hast du dich dazu entschlossen, ein Auslandsjahr zu machen?

Alena Bloch: Ich habe mich früh für ein Auslandsjahr entschieden, schon in der Grundschule. Durch meine Tante, die in England war, erfuhr ich von der Möglichkeit. Da war mir klar, dass ich das machen möchte. Motivation dafür waren vordergründig das Sammeln von Erfahrungen und das Reifen als Person sowie die Neugier auf eine andere Kultur, eine andere Sprache und andere Menschen.

Warum hast du dich für Kanada entschieden?

Ich wollte von Anfang an in ein englischsprachiges Land, weil ich mich in der Sprache recht sicher fühle. Da ich mein Abitur bereits habe, wollte ich mehr als nur in Europa bleiben, sondern die Welt sehen. Ich hatte dann das Gefühl, einiges über Länder wie die USA, Australien etc. zu wissen, Dinge die man eben so hört und die man für ländertypisch hält. Tatsächlich fiel mir dann auf, dass ich wenig über Kanada, dessen Kultur und Einwohner wusste, weshalb ich neugierig wurde. Nach ein bisschen Recherche war die Sache klar. Letztendlich hat es mich nach Neufundland verschlagen.

Wie hat deine Familie auf diese Idee reagiert?

Da ich ja schon als kleines Kind im Ausland leben wollte, waren meine Eltern darauf vorbereitet und absolut bereit, mich dabei zu unterstützen. Als dann alles klar war und uns bewusst wurde, dass es bald losgeht, war es dann doch für uns alle eine komische Vorstellung.

Wann ging es los und wie verlief die Reise?

Am 31. August bin ich zuerst von Berlin nach Frankfurt geflogen und von dort nach Toronto. In Toronto bin ich mit meiner Gruppe (etwa 20 deutsche Austauschschüler) bis zum 3. September geblieben und bin dann in das östlich gelegene Saint John’s auf Neufundland geflogen. Ich hatte auf dem Flug das Gefühl, alle Extreme zu erleben. Zuerst der kürzeste Flug, auf dem ich je war – nicht mal 45 Minuten von Berlin nach Frankfurt. Dann ein Langstreckenflug von acht Stunden in einem riesigen Flugzeug, doppelstöckig, plus Zeitunterschied von sechs Stunden. Auf dem Papier war ich nur von 14 bis 16 Uhr unterwegs.

Als ich in Toronto gelandet war, musste ich einen Stempel in meinen Reisepass bekommen. Aufgrund meiner langen Au­fenthaltsdauer wurde ich länger von Grenzpolizisten befragt, bis ich dann endlich den Stempel und mein endgültiges Visum hatte. Das Flugzeug, mit dem ich nach Neufundland flog, war hingegen winzig – zwei Reihen mit jeweils nur zwei Sitzen. Schlussendlich war das Schlimmste wahrscheinlich das Essen im Flugzeug und die ganzen stressigen Sicherheitskontrollen. Das Beste war die Tatsache, dass man nie allein war und immer jemand da war, der mir geholfen hat.

Wie war der Abschied in Deutschland?

Vom Großteil meiner Familie und meiner Freunde in Havelberg habe ich mich in der Woche vorher bei verschiedenen Treffen verabschiedet. Ich war glücklich, alle noch mal gesehen zu haben. Am Tag des Abfluges habe ich mich morgens von meiner Mutter und meinen Brüdern verabschiedet, die zur Schule und zur Arbeit mussten. Ich glaube, das tatsächliche Ausmaß der Zeit, die ich nicht da sein würde, war zu diesem Zeitpunkt keinem bewusst. Nach vielen Umarmungen und der ein oder anderen Träne bin ich dann zu meinem Vater ins Auto gestiegen, der mit mir zum Flughafen nach Berlin gefahren ist. Dort haben wir noch eine sehr gute Freundin getroffen. Der Moment, sich mitsamt Koffer schließlich umzudrehen und den ersten Schritt in Richtung Auslandsjahr zu machen, war ganz seltsam. Aber ich war gleichzeitig voller Vorfreude und überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Wie hast du dich im Voraus auf den Tapetenwechsel vorbereitet?

Ich habe alles ruhig angehen lassen. In dem Wissen, dass ich manchmal recht schusselig bin, haben wir in Ruhe Checklisten fürs Gepäck und einen Hefter für alle wichtigen Dokumente vorbereitet. Zwei Tage bevor es losging, habe ich noch die letzten paar warmen Klamotten eingekauft und habe meine 21 Kilogramm schwere Tasche gepackt. Kann man sich emotional darauf vorbereiten? Ich glaube nicht. Mir war schon klar, dass ich knapp ein Jahr woanders leben würde, aber so richtig bewusst war es mir vermutlich nie. Ich habe einfach eins nach dem anderen abgearbeitet, den Abschied, den Flug, den Aufenthalt in Toronto und dann das Ankommen bei meiner Gastfamilie.

Wie hast du dich während des Fluges gefühlt? Worüber denkt man dann so nach?

Der erste Flug nach Frankfurt war nicht so schön, da habe ich einfach nur Musik gehört und versucht zu realisieren, was gerade passiert. Ich war nicht traurig wegen des Abschieds, sondern einfach nur aufgrund der Gesamtsituation sehr aufgewühlt. In Frankfurt habe ich dann meine Gruppe getroffen, es war sehr hilfreich Leute zu haben, die das gleiche erleben wie ich. Der Flug nach Toronto war total spannend, da ich noch nie außerhalb von Europa war und viel überlegt habe, wie Nordamerika wohl sein würde. Auf dem Flug nach Neufundland war ich sehr nervös, weil ich ja das erste Mal meine Gastfamilie treffen sollte und mich gefragt habe, ob sie mich denn mögen und ob wir gut mitein­ander klarkommen würden.

Wie war der erste Schritt auf kanadischem Boden?

Im wahrsten Sinne des Wortes unglaublich. Nach dem Motto: Wow, ich bin jetzt wirklich, wirklich hier! Die Begeisterung war aber aufgrund der Müdigkeit und der Aufregung um das Visum schnell wieder verflogen und kam erst auf unseren Touren durch Toronto zurück.

Was hast du während der ersten Tage in Toronto erlebt?

Am ersten Tag haben wir eine Tour durch die Stadt gemacht. Wir hatten einen Tourguide, eine sehr nette Frau namens Melanie, die mit uns alle interessanten Orte in Torontos Zentrum abgelaufen ist. Am Abend waren wir auf dem CN Tower, Nordamerikas höchstem freistehenden Gebäude – sieht ein bisschen aus wie der Fernsehturm in Berlin und funktioniert genau so. Den zweiten Tag haben wir auf der anderen Seite des Ontariosees verbracht, in Niagara Falls. So heißt die Stadt bei den Niagarafällen. Diese Wasserfälle sind aufgrund der Wassermassen, die dort in Bewegung sind, sehr berühmt und wirklich wunderschön. Am letzten Tag sind wir dann schon um halb sechs morgens zum Flughafen gefahren.

Wie war die erste Begegnung mit deiner Gastfamilie in Saint John‘s?

Ich war sehr, sehr nervös, bevor ich meine Gastfamilie traf. Wir hatten vorher zwar SMS geschrieben und zweimal telefoniert, aber ich hatte tatsächlich ein bisschen Angst. Am Flughafen führte dann eine Rolltreppe runter in die Wartehalle, von wo aus ich schon die roten Haare meines Gastbruders sehen konnte. Wir haben uns zur Begrüßung umarmt und zusammen auf mein Gepäck gewartet. Anfangs war ich noch sehr schüchtern und hatte Angst, viel zu reden, aber nach einigen Stunden lief alles super und wir haben uns sehr schnell besser kennengelernt und angefreundet. Am Abend meiner Ankunft sind wir sogar noch für eine Nacht mit dem Wohnwagen campen gefahren.

Wie sieht dein neues Zuhause aus?

Meine Gastfamilie besteht aus meinen Gasteltern, meinem neunjährigen Gastbruder, dem Hund Buddy und der Katze Ebony. Sie haben ein Haus außerhalb des Zentrums der Stadt. Es besteht aus zwei Stockwerken, einer Art Keller und einem Obergeschoss. In Nordamerika sind Keller allerdings nicht das gleiche wie in Europa. Man stellt dort keine Sachen ab und geht selten rein, sondern hat dort Gästezimmer, ein weiteres Badezimmer, Büros oder Aufenthaltsräume. So ist es auch bei uns, sodass ich im Untergeschoss ein eigenes Zimmer und Bad habe. Mein Zimmer ist sehr schön hergerichtet. Die Haustiere halten uns ganz schön auf Trapp. Die Katze ist sehr eigenwillig, während der Hund ständig energiegeladen, aber total lieb ist.

Wie war die erste Schulwoche?

Ich glaube, Kanadier sind von Natur aus freundlicher und offener als Deutsche. In der Schule habe ich sofort Anschluss gefunden und lerne täglich mehr nette Leute kennen. Der Unterricht selbst ist wesentlich entspannter, die Schule beginnt um 9.10 Uhr und endet um 15.10 Uhr.

Man hat nur sechs Fächer, die sich jährlich ändern. Die Lehrer sind lockerer und unterhalten sich gern auf einer freundschaftlichen Ebene mit ihren Schülern. Auch der Stoff, der vermittelt wird, ist nicht ganz so anspruchsvoll wie das, was ich in der 12. Klasse gelernt habe. Ich habe auch schon einen „Locker“, ein Schließfach, typisch amerikanisch mit Zahlencode.

Wie gut hast du dich jetzt eingelebt?

Sowohl mein Englisch als auch meine Personen- und Ortskenntnis verbessern sich Tag für Tag. Ich fühle mich schon sicherer. Ich bekomme langsam ein Gefühl für meinen Alltag, den ich jetzt eher allein gestalte als in Deutschland.

Wie ist es, jetzt regulär Englisch zu sprechen?

Komisch, da ich mehr verstehe, aber weniger gut spreche, als ich gedacht hätte. Ich hab mich langsam an den Akzent gewöhnt, verhaspele mich aber beim Sprechen doch oft mit der Aussprache oder der Grammatik. Mein Ziel ist es, in dem Jahr meinen deutschen Akzent loszuwerden.

Wie viel Kontakt hast du nach Hause?

Momentan noch relativ viel. Ich telefoniere etwa zweimal die Woche mit meinen Eltern und chatte zwischendurch viel mit Verwandten und Freunden. Ich denke aber, das wird mit der Zeit weniger werden und Heimweh hatte ich bis jetzt auch noch nicht.

Was steht in den kommenden Wochen an?

Meine Gastfamilie geht gern raus, weshalb wir viel unterwegs sind. Für die nächsten Tage sind Ausflüge zu Leuchttürmen, Wandertouren, Quad-und Bootsfahrten geplant. Ich hoffe, bald einen Wal und einen Elch zu sehen! Das Wetter spielt dabei nicht immer mit, da es überdurchschnittlich viel regnet. Die Schule nimmt viel Zeit in Anspruch, aber ich unternehme auch immer mehr mit Freunden, somit steht auch die ein oder andere Party in Aussicht.