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Interview Stadt kann Schulbau nicht finanzieren

Im Interview spricht Havelbergs Bürgermeister Bernd Poloski auch über Vorhaben, die für 2019 geplant sind.

Von Andrea Schröder 01.02.2019, 18:26

Volksstimme: Sie haben sich dieser Tage mit den Stadträten und Amtsleitern zur Haushaltsklausur getroffen, um die finanziellen Eckpunkte abzuklopfen. Wie ist die Finanzlage der Hansestadt Havelberg?

Bernd Poloski: Sie ist nach wie vor äußerst angespannt. Zwar fallen in diesem Jahr die allgemeinen und investiven Zuweisungen des Landes etwas höher als im letzten Jahr aus. Dennoch decken sie aber nicht einmal die Höhe der zu zahlenden Kreisumlage. Die Folge ist ein seit Jahren unausgeglichener Haushalt und die gesetzlich normierte Pflicht einer Haushaltskonsolidierung. Mit anderen Worten: Mehr Einnahmen und weniger Ausgaben.

Welche Rolle spielt bei Entscheidungen die Eröffnungsbilanz, die im Zuge der doppischen Haushaltsführung erstellt werden musste und der Hansestadt seit 2017 vorliegt?

Die Bilanz ist vereinfacht gesagt die Gegenüberstellung von Vermögen und dessen Finanzierung. Daraus resultiert letztendlich das vorhandene Eigenkapital. Entscheidend für die Handlungsfähigkeit ist aber vor allem die Liquidität der Gemeinde. Da diese bei uns aufgrund der Strukturschwäche nur sehr gering ist, müssen wir jährlich den zusätzlichen Finanzmittelbedarf von zirka sechs bis sieben Millionen Euro mit Kassenkrediten decken. Zudem schlagen mit Einführung der Doppik erhebliche Abschreibungskosten auf das Anlagevermögen zu Buche, die ebenfalls erwirtschaftet werden müssen. Was nicht leicht ist, denn wir können zum Beispiel schlecht für eine neu gebaute Straße eine Maut erheben.

Gibt es Möglichkeiten, sich finanziellen Spielraum etwa durch Verkäufe zu verschaffen?

Da es kaum noch Einsparpotenziale bei den pflichtigen und freiwilligen Aufgaben gibt, kann eine spürbare Haushaltsentlastung tatsächlich nur durch eine deutliche Steigerung von Verkaufserlösen erreicht werden. Das würde in erster Linie Grund und Boden betreffen, den die Gemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht benötigt.

Erstmals wurde mit Blick auf die Haushaltskonsolidierung 2018 die Kurtaxe von April bis Oktober von Urlaubern und Zweitwohnungsnutzern kassiert. Ein Tropfen auf den heißen Stein oder eine echte Hilfe im Haushalt mit Blick auf die Tourismusentwicklung?

Die Einnahmen aus der Erhebung der Kurtaxe beliefen sich in diesem Zeitraum auf 32.800 Euro. Eine durchaus beachtliche Summe – selbst wenn man die Verwaltungsaufwendungen berücksichtigt. Das Geld wird dem Haushalt für den Erhalt der touristischen Infrastruktur zugeführt.

Haben sich Urlauber beschwert, weil sie eine Kurtaxe bezahlen sollten?

Sicher gab es hier und da eine Unmutsäußerung oder Kritik. Eine förmliche Beschwerde ist bei mir aber nicht eingegangen.

Welche Investitionen gab es im Jahr 2018?

 

Besonders erfreulich ist der Abschluss der Sanierungsarbeiten in der Kita „Regenbogen“ mit einem Wertumfang von 695 000 Euro. Für den Erhalt und die Modernisierung sonstiger und privater Gebäude wurde im Rahmen der Städtebauförderung insgesamt eine halbe Million Euro zur Verfügung gestellt. Und nicht zuletzt möchte ich auch die Sanierung des Gerätehauses der Feuerwehr Garz sowie die Erneuerung der Tartanbahn im Sportforum nicht unerwähnt lassen.

Und wo soll in diesem Jahr Geld reingesteckt werden?

Ganz oben auf der Liste steht die restliche Beseitigung von Hochwasserschäden aus dem Jahre 2013 in Höhe von zirka 850.000 Euro. Das betrifft vor allem Durchlässe in den Gemarkungen Jederitz und Vehlgast-Kümmernitz sowie die Trübengrabenbrücke in Jederitz. Darüber hinaus ist der Eigenanteil für die Bereitstellung von zirka 1,3 Millionen Euro Städtebaufördermittel zu leisten. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Modernisierung der Kita „Zwergenland“, wofür mindestens 120 000 Euro zu veranschlagen sind. Gleiches gilt für die konsequente materiell-technische Sicherstellung in den Feuerwehren. Hier liegt der Investitionsbedarf bei zirka 160.000 Euro für das laufende Jahr.

Welche Möglichkeiten sind im Gespräch, den Ausbau der alten Sekundarschule für die Grundschule möglichst bald zu beginnen oder muss tatsächlich ein weiteres Jahr mit Warten auf Fördergeldern vom Land vergehen?

Da die Stadt allein nie ein solches Vorhaben finanziell stemmen könnte, bleibt nur die Hoffnung auf eine Förderung, welche es dann auch immer sein wird. Also in jedem Fall: warten! Es sei denn, der Stadtrat entscheidet etwas anderes.

Auch wenn in den vergangenen Jahren viele Straßen in Havelberg saniert worden sind, gibt es noch einige, die es dringend nötig haben. Für den Mühlenweg sollte die Planung im Januar ausgeschrieben werden. Wie sieht es zum Beispiel mit der Cothenius- und der Pestalozzistraße aus?

Da sich die voraussichtlichen Kosten für die Mühlenstraße in den letzten Monaten erhöht haben, müssen wir mit der Ausschreibung noch warten, bis die Gesamtfinanzierung geklärt ist. Über die anderen Straßen kann ich heute noch gar nichts sagen, zumal eine Änderung der bisherigen Regelungen zu den Straßenausbaubeiträgen durch das Land zu erwarten ist.

Gibt es Pläne für den Straßenbau in der Weinbergstraße und am Bischofsberg?

Für diese Straßen gilt das Gleiche.

 

Welche Wünsche sind in den Ortschaften noch offen?

Da sind zum Beispiel die Instandsetzung des Dorfgemeinschaftshauses in Nitzow, die Neugestaltung des Kulturzentrums in Garz oder der Wiederaufbau des alten Schöpfwerkes in Vehlgast. In den Ortsteilen versuchen wir, viele dieser Wünsche mit Leader-Fördermitteln zu untersetzen.

Wie stehen die Chancen, dass Kümmernitz doch noch einen kombinierten Geh- und Radweg entlang der Landesstraße bekommt?

Das wird man sehen. Zurzeit werden die möglichen Trassenvarianten und Kosten ermittelt. Erst dann ist eine endgültige Entscheidung zu erwarten.

Die Wohnungsvermieter haben 2018 eine Werbeoffensive zum Wohnen in Havelberg in Berlin gestartet. Wird dies von Seiten der Stadt unterstützt?

Die Stadt ist Mitgesellschafterin der Wohnbau GmbH und von daher finanziell immer mit „im Boot“. Schon allein deshalb unterstützen wir auch weiterhin nach Kräften alle Marketinginitiativen und Bemühungen zur Reduzierung des Leerstandes.

Die Einwohnerzahl ist zwar leicht zurückgegangen, doch gab es mehr Zuzüge als Wegzüge. Mit welchen Maßnahmen könnte aus Ihrer Sicht dieser Trend eine Fortsetzung finden?

Das A und O bleibt ein attraktives Wohnungsangebot, sowohl in der Altstadt als auch in den anderen Wohngebieten. Insbesondere die Wohnungsunternehmen haben das erkannt und investieren zielgerichteter in den Bestand. Aber auch die Einrichtungen der medizinischen, schulischen und sozialen Betreuung müssen unbedingt erhalten bleiben.

Sind Bauplätze für Eigenheime vorhanden?

Die Stadt hat keine eigenen Flächen dafür. Aber im Birkenweg/Lindenweg beginnt schrittweise der Bau einer Eigenheimsiedlung. Dafür gibt es einen B-Plan, der insgesamt 49 Parzellen vorsieht. Das setzt allerdings eine Erschließung des Gebietes durch den privaten Investor voraus. In der ersten Reihe, die erschlossen ist, sind sieben Eigenheime möglich. Außerdem sind im Grünen Weg Bauplätze möglich. Im Bauausschuss in der nächsten Woche wird das Thema behandelt. Denn dafür ist eine Abrundungssatzung erforderlich. Bis zu fünf Eigenheime könnten dort entstehen.

Gibt es oder gab es Nachfragen von Firmen, die sich hier ansiedeln wollen?

Ja, zurzeit sind es zwei kleine, die Interesse zeigen und mit uns über Gewerbegrundstücke verhandeln.

Was verspricht sich die Stadt in Bezug auf das Kooperationsprojekt „Luxus der Leere“?

Eine ganze Menge, unter anderem eine genaue Übersicht von Brach- und Leerstandsflächen. Im Weiteren wollen wir Eigentümern solcher Flächen und Leerstandsimmobilien damit eine kostenlose digitale Plattform geben, um mit ihnen bei Interesse ins Gespräch zu kommen. Und wir wollen vor allem mit diesen Fakten und Daten die Bundes- und Landespolitik verstärkt auf dieses zunehmend gesamtländliche Problem hinweisen.

Wie ist der aktuelle Stand in Sachen Quartiermanager, der vor allem dafür gedacht ist, die Altstadt zu beleben und Initiativen zu bündeln?

Der Förderantrag ist bereits bewilligt. Gegenwärtig wird die Stellenausschreibung vorbereitet.

Was ist aus Ihrer 2016 ins Leben gerufenen Initiative „Zukunft Stadtinsel“ mit der Gründung einer Interessengemeinschaft geworden?

Bedauerlicherweise nicht das, was ich mir erhofft hatte. Ich freue mich aber, dass sich zirka zehn junge Gewerbetreibende und Mitstreiter noch mindestens einmal alle zwei Monate zum Gedankenaustausch treffen.

Kulturell gesehen hat Havelberg viel zu bieten. Neu ist in diesem Jahr die „Mini-Buga“ mit der Konzentration von Kunst und Kultur in Gärten und Parks, ein Teil davon in einstigen Buga-Kulissen. Soll das ein festes Angebot im Elb-Havel-Winkel werden?

Zunächst ist es ein Pilotprojekt von vielen Kooperationspartnern. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass es allen Beteiligten gelingt, damit den Grundstein für weitere garten- und kunstbezogene Veranstaltungen zu legen.

Inwieweit hat die Stadt das 850-jährige Jubiläum der Domweihe im Blick, das 2020 begangen wird?

Unter Federführung der evangelischen Gemeinde erfolgen in diesen Wochen die ersten intensiven Abstimmungen und Planungen. Die Stadt wird ihren Beitrag dabei angemessen leisten.

Weit über die Landesgrenzen hinaus ist die Stadt für den Pferdemarkt bekannt. Von Tierschützern gibt es immer mal wieder die Forderung, keine Pferde mehr bei einem solchen Volksfest zum Verkauf anzubieten. Was wäre ein Pferdemarkt ohne Pferde?

Wie das Oktoberfest ohne die Maß Bier!

 

Stichwort Buga. Ist da jetzt alles abgerechnet und der Zweckverband endgültig aufgelöst. Und ist es beim Defizit von zwölf Millionen Euro geblieben?

Ja.

 

In Sachen Entwicklung der Altstadt will die Stadt verstärkt auf Kunst und Kultur setzen. Was hat es mit dem „Kunstcampus“ auf sich und wie ist der aktuelle Stand der Dinge?

Der „Kunstcampus“ ist für das übernächste Jahr geplant und soll Studenten verschiedener Kunsthochschulen die Möglichkeit geben, sich hier auszutauschen und gemeinsam zu arbeiten. Wir verbinden damit die Hoffnung, dass sich später der Eine oder Andere für Havelberg entscheidet. Aber auch dieses Projekt ist nur bei Gewährung der beantragten Förderung realisierbar.

Wenn schon keine Straßenautobahn, dann wenigstens eine schnelle Datenautobahn vor der Haustür – mit diesem Ziel haben Sie gerade sechs Info-Veranstaltungen für alle Ortschaften und Ortsteile zum Breitbandausbau hinter sich. Wie ist das Interesse?

Die Veranstaltungen waren wirklich sehr gut besucht und das Interesse sehr groß. Die Vertreter vom Zweckverband „Breitband Altmark“ und DNS-Net waren sehr gut vorbereitet und sind auf alle Fragen eingegangen. Es war unser Ziel, nicht auseinander zu gehen, bevor nicht die letzte Frage beantwortet ist. Wichtig war auch zu verdeutlichen, dass wir niemanden zu etwas zwingen wollen, wovon er nicht überzeugt ist. Unsere Aufgabe ist es, mit Argumenten zu überzeugen. Wenn jemand mit dem Internetangebot zufrieden ist, das er jetzt hat, ist das vollkommen in Ordnung. Aber wir haben jetzt die Chance, im Zuge des Breitbandausbaus wirklich jeden Ort und jedes Haus mit schnellem und zukunftsfähigem Internet zu versorgen.

Am 26. Mai werden ein neuer Stadtrat und neue Ortschaftsräte gewählt. Wofür sind Sie den bisherigen Räten dankbar?

In den letzten beiden Wahlperioden haben wir so viel erreicht, wie selten zuvor. Erinnern möchte ich nur an die Vorbereitung und Durchführung der Bundesgartenschau, aber auch an die vielen Investitionen in die kommunale Infrastruktur. Möglich war dies nur durch ein konstruktives Miteinander in den Räten und Ausschüssen, trotz unterschiedlicher politischer Grundüberzeugungen und verschiedener Auffassungen. Dafür bin ich allen Mandatsträgern beziehungsweise ehrenamtlich Berufenen sehr dankbar. Gleiches gilt für all unsere Bürgerinnen und Bürger, die sich mit Hingabe im Ehrenamt vielseitig engagieren. Jedem von ihnen gilt meine besondere Hochachtung und Anerkennung.

Warum sollten sich Bürger überhaupt im Stadtrat oder in Ortschaftsräten engagieren?

Weil unser Gemeinwesen grundsätzlich auf die demokratische Mitwirkung und Mitbestimmung der Menschen angewiesen ist. Ohne Räte keine Eigenständigkeit der Gemeinden. Ohne Eigenständigkeit der Gemeinden keine kommunale Selbstverwaltung und –gestaltung. Die Situation der kleinen ländlichen Gemeinde, wozu auch Havelberg gehört, unterscheidet sich erheblich von den großen und städtischen, nicht nur durch den demografischen Wandel, sondern auch in ­puncto Finanzausstattung. Die öffentliche Daseinsvorsorge unterliegt zum Teil tiefgreifenden Veränderungen. Es bedarf großer Anstrengungen, um das Wünschenswerte mit dem Machbaren unter einen Hut zu bringen. Schon deshalb hoffe ich, dass es auch künftig diese bewährte partei- und fraktionsübergreifende Zusammenarbeit in unseren Räten gibt.