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Kanalinspektion Feuchttücher nicht in die Toilette!

Spezialfahrzeuge waren in der Klietzer Seesiedlung unterwegs. Eine Firma aus der Stadt Brandenburg kontrollierte die Abwasserkanäle.

Von Ingo Freihorst 07.11.2020, 00:01

Klietz l Seit Jahren ist es im Bundesland vorgeschrieben, dass Abwasserkanäle alle zehn Jahre per Kamerabefahrung überprüft werden müssen. Im Gebiet des Trinkwasser- und Abwasserzweckverbandes Havelberg (TAHV), welcher für Wasserversorgung und Abwasserentsorgung im Bereich des Altkreises Havelberg zuständig ist, befinden sich allein etwa 90 Kilometer Abwasser-Hauptleitungen – nicht mitgerechnet sind darin die Hausanschlussleitungen. „Was bedeutet, dass im Jahr im Schnitt etwa neun Kilometer Leitungen inspiziert werden müssen“, erklärte Betriebsingenieurin Anja Asche, welche bei den Stadtwerken in Havelberg für den Abwasserbereich zuständig ist. Die Stadtwerke wurden vom ehrenamtlich geführten TAHV mit der Erledigung seiner laufenden Geschäfte beauftragt.

In der Klietzer Seesiedlung wurden jetzt die Hauptkanäle inspiziert – und zwar schon nach knapp vier Jahren. Denn nach vier Jahren läuft die Gewährleistung aus, das Kanalnetz war in der Siedlung als Flutschadensbeseitigung neu installiert worden.

Die Firma Aqua Tool aus der Stadt Brandenburg hatte den Zuschlag für diese Arbeiten vom Verband erhalten. Vorab wurden die Anwohner der betroffenen Straßen informiert, und zwar über eine Anzeige im „Generalanzeiger“. Denn bei der Befahrung kann Über- und Unterdruck entstehen, welcher dafür sorgt, dass es zum einen kurzzeitig riecht oder aber der Toilettentraps leer ist. Dieser sollte dann wieder mit Wasser gefüllt werden, um Geruchsbildung zu vermeiden, rät Anja Asche. Auch sollte man die Toilettendeckel geschlossen halten. Probleme könnte es aber auch geben, wenn die Entlüftung nicht richtig funktioniert.

Der Druck entsteht, weil der Kanal vor der Befahrung gesäubert werden muss – unter der Sielhaut (ein dunkler ­Bakterienbelag) würde man Schäden nicht entdecken. Dazu fährt ein Lkw vorweg, welcher einen Wasservorrat von 6000 Litern in zwei Kammern mit sich führt. In einer befindet sich frisches Wasser, welches über eine Düse mit einem Druck von 80 Bar in den Kanal geleitet wird. Das Spülwasser wird abgesaugt und landet in der anderen Kammer.

Dann kommt die Kamera zum Einsatz. Über einen Schacht wird diese in den Kanal gesetzt, wo sie dann über einen Joystick vom nachfahrenden Kleintransporter aus gesteuert wird. Das Kabel, was die Kamera mit ihrem „Steuermann“ verbindet, ist 210 Meter lang. LED-Strahler leuchten den sonst finsteren Kanal taghell aus. Je nach Beschaffenheit des Untergrundes und der Kanalgröße können auch größere Räder anmontiert werden.

Im Transporter sitzt der Steuermann und schaut auf zwei Computerbildschirme. Im Kanal kann die Kamera nur geradeaus fahren, kommen Ecken, muss sie rausgenommen und umgesetzt werden. Jede erste und letzte Muffe im Kanal – also die Verbindungsstelle der Rohre – wird in einem 360-Grad-Winkel mit der Kamera komplett abgeschwenkt. Die in Klietz aufgenommenen Videos werden an die Stadtwerke geschickt, dort werden sie dann ausgewertet.

Auch in Schollene und Kamern waren zuvor Kanäle inspiziert worden, nun sind noch ausgewählte Straßen in Schönhausen an der Reihe. Nach der Flutkatastrophe vom Juni 2013 waren ebenfalls Kanäle befahren worden, wobei man etliche Schäden fand. Diese wurden bis 2018 beseitigt.

Die Brandenburger Firma werde aber auch bei Störungen gerufen, informierte die Betriebsingenieurin. So wie vor einiger Zeit beim Straßenbau in Sandau, als im Kanal mineralische Grobstoffe entfernt werden mussten. Oder wenn es unklare Verstopfungen gibt. Dann können die betroffenen Anwohner natürlich nicht noch vorab informiert werden.

So manches entdeckten die Facharbeiter bei ihren Kamerabefahrungen: Feuchttücher bereiten zum Beispiel große Probleme, sie lösen sich nicht auf, bleiben in den Kanälen liegen und verstopfen sogar Pumpstationen, wo sie zu Matten verklumpen. Auch Damenbinden und Masken gehören in den Müll und nicht in die Toilette. Kröten wurden von der Kamera ebenfalls schon entdeckt – sogar Waschbären wurden andernorts schon in den Kanalrohren gesichtet.