Havelberger Dialoge Kreis Stendal: Shelly Kupferberg sucht Lebensspuren und wird Buchautorin
Die Journalistin und Moderatorin Shelly Kupferberg hat mit ihrem Buch „Isidor. Ein jüdisches Leben“ einen Roman verfasst. In Havelberg berichtet sie von der Entstehung.

Havelberg. - Shelly Kupferberg gehört zu einer jüngeren Generation, die einen anderen Umgang mit ihrer Lebensgeschichte finden musste und gefunden hat. Es gab bei den „Dialogen“ in Havelberg erneut jüdische Lebensgeschichte aus erster Hand, wie man sie sonst nicht erleben kann. Wer Jahrgang 1974 ist, muss sich auf die Erzählungen der älteren Generation verlassen oder begibt sich selbst auf Spurensuche. Shelly Kupferberg hat beides getan. Als Journalistin und Moderatorin hat sie sich nie als Schriftstellerin gesehen, doch mit ihrem Buch über ihren Urgroßonkel Isidor hat sie den Schritt dahin gemeistert.
Das Buch war nach den Worten von Pfarrer Teja Begrich Ausgangspunkt für den Titel der Herbstreihe „Was für ein Leben! Lebensgeschichte als Weltgeschichte“.
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Shelly Kupferberg stellte in Havelberg mehr die Entstehung, das „Making-of“, zum Roman „Isidor. Ein jüdisches Leben“ in den Mittelpunkt ihrer Lesung. Mit dem Blick hinter die Kulissen bekamen die Zuhörer einen Eindruck, aus wie vielen Puzzleteilen Shelly Kupferberg ein Menschenleben wieder zusammensetzte.
Eine Tagung gab den Anstoß
Vor einigen Jahren war sie als Moderatorin bei einer Tagung, die sich mit Provenienzforschung, der Herkunft Kunstwerken, befasste. Das Thema übte immer mehr Faszination auf sie aus, denn sie erinnerte sich an die eigene Familie, an den Onkel, der ein Palais in Wien gehabt hatte. Da muss doch Kunst gehangen haben? Was ist daraus geworden? Gibt es irgendwelche Spuren?
Sie hatte nun ihr privates Forschungsprojekt „gefunden“, stellte Anfragen an das österreichische Staatsarchiv und erfuhr, dass es die Person wirklich gab. Aus dem, was in der Familie über den Urgroßonkel erzählt wurde und was sich in Archiven finden ließ, entstanden Bausteine, die immer mehr zusammenpassten.
Shelly Kupferberg ist in Tel Aviv geboren und dann in Westberlin aufgewachsen. Oft war sie in den Sommerferien zu Besuch bei den Großeltern in Tel Aviv, mit ihnen konnte sie sogar über deutsche Literatur reden. Die Großeltern waren vor den Nationalsozialisten geflohen.
Die Geschichte bis zum Buch
Sie waren eine Brücke zum Urgroßonkel. Großvater Walter galt schon in seiner Jugend als sehr gebildet und wurde später Historiker und Experte für deutsche Geschichte. Walter war des Öfteren im Palais in Wien zu Gast und lernte einiges von Isidor kennen. Auch von Maitressen war die Rede, für die Forscherin wurde es immer abenteuerlicher und interessanter, in die Familiengeschichte einzutauchen.

Shelly Kupferberg konnte schließlich den Weg von Isidor aus ganz armen Verhältnissen in Galizien bis hin zum Millionär und angesehenen Mann in Wien nachvollziehen. Die Nationalsozialisten nahmen ihm genauso wie anderen jüdischen Menschen die Besitztümer weg.
Irgendwann hatte Shelly Kupferberg so viel Material zusammen, dass sie daraus eine Dokumentation für das Radio machen wollte. Doch aus dem Wunsch, das alles aufzuschreiben, damit es nicht in Vergessenheit gerät, entstand der Roman. Die Autorin sagte: „Die Geschichte hat sich die Buchform gesucht.“
Für die Menschen heute und für kommende Generationen bleiben Erinnerungen an Erfolge im Leben und die beklemmenden Bilder, wo nur noch ein Koffer zu sehen ist, denn Auschwitz und andere Lager sind genauso Teil der Lebensgeschichte.
Geduld war gefragt, wer am Schluss eine signierte Ausgabe des Buches mitnehmen wollte. Shelly Kupferberg nahm sich Zeit, im kleinen Rahmen Fragen zu beantworten. Die „Dialoge“ wurden von der Staatskanzlei und dem Ministerium für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt unterstützt. Gefördert werden Projekte wie das der Evangelischen Kirchengemeinde in Havelberg, die jüdisches Leben im Land stärken. Zu Gast mit einem Grußwort war an diesem Abend Claudia Stephan, Referentin für den Ansprechpartner jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt und gegen Antisemitismus, Dr. Wolfgang Schneiß.
Pfarrer Teja Begrich, der die „Havelberger Dialoge“ initiierte, sagte: „Wir bekommen Impulse von Menschen, die man sonst nicht trifft. Ich lerne auch jedes Mal dazu und nehme Neues wahr.“ Weitere Dialoge werden folgen.