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Kriegsende Gefechte tobten um Garz und Klietz

Vor 75 Jahren ging an Havel und Elbe der Zweite Weltkrieg zu Ende. Am schlimmsten betroffen war in der Region die Stadt Sandau.

Von Ingo Freihorst 04.05.2020, 01:01

Elbe-Havel-Land l Als erste bekommen die Sandauer das Grauen dieses Krieges zu spüren. Am 13. April um 13.30 Uhr beginnt der Artilleriebeschuss von der anderen Elbseite durch die Amerikaner, der erst nach elf Tagen mit der fast völligen Zerstörung der Stadt endet: Etwa 80 Prozent der Gebäude sind Ruinen, neun Sandauer fielen dem Beschuss zum Opfer, 58 erliegen später ihren Verletzungen. Die Toten können nur nachts geborgen werden, beerdigt werden sie früh zwischen 4 und 6 Uhr – da war Feuerpause.

Luftwaffeneinheiten der Panzer-Jagd-Brigade „Herrmann Göring“ sowie Einheiten des XXXXI. Panzerkorps des Generalleutnants Rudolf Holste werden am 21. April zwischen Fischbeck und Havelberg stationiert. Im Norden schließt sich das III. SS-Panzerkorps an. Der Raum war bis dahin fast völlig von Truppen entblößt.

Klietz wird am 20. April 1945 stark bombardiert, wobei zahlreiche Wohnhäuser, Ställe und Scheunen zerstört wurden. Zum „Führergeburtstag“ war eine Hakenkreuzfahne gehisst worden. In der Chronik des damaligen Pfarrers Heinrich Peper ist zu lesen: „Otto Alex kam mir als erster vom Dorf entgegen und rief: ,Herrr Pastor, die Kirche, die Kirche! Die kriegen wir nie wieder aufgebaut!‘ Sie bot wirklich einen trostlosen Anblick. Eine schwere Bombe hatte den Chorraum getroffen, bis auf den Rest der Südmauer zerstört und gleichzeitig das Dach des Schiffes abgedeckt. ...

Als die Russen von Ost und Nord immer näher heranrückten, wurde unser Dorf noch drei Tage verteidigt. In diesem Kampf war oft die Kirche mit ihrem Turm Zielpunkt der Artillerie. Die Nordost-Ecke wurde bis zum Glockenboden herausgeschossen. Zuletzt stürzte krachend die schlanke Turmspitze herunter. Als dann am 8. Mai die Russen einrückten, ... wurde von ihnen das noch intakte Gestühl herausgerissen und fand Verwendung für die Waldlager zur Unterbringung der Truppen.“

Die Division „Theodor Körner“ der Wenck-Armee, welche Klietz verteidigte, bestand aus den jüngsten und ältesten Soldaten des Krieges, es waren Hitlerjungen und Mitglieder des Reichsarbeitsdienstes. Viele ließen sinnlos so kurz vor Kriegsende ihr Leben. – Sie fanden ihre letzte Ruhe auf dem „Heldenfriedhof“, wie die Kriegsgräberstätte im Wald an der Forststraße im Dorf immer noch genannt wird. Nicht alle konnten identifiziert werden.

In der Elb-Havel-Region kämpft die kurz zuvor eiligst aufgestellte 12. Armee, die zwar kaum noch über Waffen und Munition verfügt, dafür aber über einen starken Kampfeswillen. Der noch rasch zusammengewürfelten Truppe bleibt in der Zange zwischen Amerikanern und Russen auch gar nichts anderes übrig. Sogar die Versprengten waren in einer ausweglosen Situation: Warfen sie ihre Waffen weg, galten sie als Fahnenflüchtige und wurden von Standgerichten auf der Stelle hingerichtet. Mit Waffen mussten sie aber auch mit dem Tod rechnen – dann durch den Gegner. Alles drängte panisch zur Elbe, um egal wie zu den Amerikanern zu gelangen – kein Deutscher wollte den Russen in die Hände fallen, egal ob als Zivilist oder Militär.

Der Angriff der Polen beginnt am frühen Morgen des 2. Mai, Hohenofen, Rhinow, Spaatz und Hohennauen werden eingenommen. Die Angriffsspitzen – ausgegliederte Regimenter der 4. und 6. Panzerdivision – stoßen am Abend im Raum Strodehne, Gülpe und Parey bis zur Havel vor. Einen Brückenkopf auf dem Westufer des Flusses können sie dort allerdings nicht bilden, was das Übersetzen der nachrückenden Hauptkräfte arg erschwert.

Der linke Nachbar der Polen, die sowjetische 47. Armee, gerät in eine schwierige Lage: Die Reste der Berliner Garnision, etwa 5000 Soldaten, durchbrechen teils mit Schützenpanzern und Panzern bei Spandau den Blockadering, um sich zur Elbe durchzuschlagen. Sie dringen bis Falkensee, Staaken und Seeburg vor, wo sie gestoppt und am Folgetag zerschlagen werden. Für diese Aktion müssen auch starke Verbände der 47. Armee abgestellt werden, so dass diese am 2. und 3. Mai im Havelgebiet vorerst nicht weiter angreifen kann. Auf die Kampfhandlungen der Polen hatte dies aber keinen Einfluss.

Die Verteidiger Havelbergs ziehen sich am Morgen des 3. Mai auf Befehl von Generalleutnant Karl Arndt auf die Linie Kamern-Wulkau zurück. Ein Grenadierregiment der Division „Ulrich von Hutten“ trifft bei Havelberg ein und stabilisiert die Lage im Süden. Dadurch können die Gegner vorerst nicht weiter vordringen und den Brückenkopf der Wenck-Armee an der Elbe um Tangermünde aufrollen.

Ebenfalls im Morgengrauen erreichen die Hauptverbände der Polen das Ostufer der Havel und beginnen überzusetzen. Am rechten Flügel setzt zuerst das 2. Bataillon des 14. Regiments über und bildet bei Gülpe einen Brückenkopf. Das 16. Regiment forciert die Havel bei Strodehne und bildet gleichfalls einen Brückenkopf.

Beim Angriff des 16. Infanterieregiments auf Garz toben erbitterte Gefechte. Das Dorf wird am Nachmittag erobert, es folgt Kuhlhausen. Währenddessen drängt das 18. Regiment die Deutschen von Warnau ab, das 14. Regiment stößt nach Einnahme von Hohenkamern und Kamern (in Kamern drangen die Polen am Hunnenberg ein) auf das Ostufer des Schönfelder Sees vor.

Nierow und Mahlitz werden von der polnischen 4. Panzerdivision und dem 11. Regiment erobert, das 12. Regiment nimmt Schollene ein und marschiert nach Ferchels und Karlsthal. Bei Ferchels gibt es heftige Gefechte mit dem Grenadierregiment 1 der Infanteriedivision „Ulrich von Hutten“, gekämpft wurde zudem ostwärts von Klietz.

Den größten Erfolg erringt das 14. Regiment der 6. polnischen Panzerdivision: Um 17.30 Uhr erreichen die Soldaten bei Wulkau die Elbe und nehmen mit der auf dem Westufer lagernden 102. Division des 13. Korps der 9. US-Armee Verbindung auf. Die Elbfront ist nun in Nord und Süd geteilt.