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Eltern wollen sich nach und nach aus Backstube und Geschäft zurückziehen Nach 35 Jahren übergibt Wolfgang Groß seinem Sohn die Schönhauser Bäckerei

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 11.01.2013, 02:24

Auch wenn Wolfgang und Sebastian Groß nach wie vor gemeinsam in der Backstube stehen, gab es zum Jahreswechsel doch eine entscheidende Veränderung auf dem Papier: Chef ist nun Sebastian Groß. Vater und Mutter ziehen sich nach 35 Jahren aus ihrer mit viel Herzblut aufgebauten Bäckerei zurück.

Schönhausen l Jeder weiß, was er zu tun hat, jeder Handgriff sitzt - da braucht es nicht vieler Worte. Sebastian und Wolfgang Groß sind ein eingespieltes Team, das von Christel Groß komplettiert wird. Seit 1998 unterstützt der 37-Jährige seine Eltern. Seit Jahresbeginn allerdings trägt er die Verantwortung - der Vater hat dem Sohn die Geschäfte überschrieben. Allerdings ziehen sich Wolfgang und Christel Groß nicht von heute auf morgen aus Backstube und Verkauf zurück, "nach und nach, bis Jahresmitte muss Ersatz gefunden werden". Wolfgang Groß ist froh, dass die Familientradition fortgeführt wird, auch wenn er weiß, dass es heute längst nicht mehr so leicht ist, neben der großen Konkurrenz der Supermärkte und Tankstellen zu bestehen. "Früher war es leichter. Wir mussten zwar auch sehr viel und mit viel weniger technischer Hilfe als heute arbeiten, aber es gab keine Existenzängste." Wolfgang Groß erzählt, wie es damals war, als er und seine Frau Christel das Bäckerhandwerk erlernten. Beide wuchsen in Klietz auf, kannten sich aus der Schule. Christel lernt genau wie ihr Bruder Wolfgang in Vater Franz Glasers Bäckerei, Wolfgang Groß, dessen Familie nach Thüringen umgezogen war, ebenfalls in einer Backstube, die dem Vater eines Kumpels gehörte. Als er 1964 ausgelernt hat, heuert er auf einem Frachtschiff an, bekocht die Mannschaft und backt zweimal pro Woche auch Brot, Brötchen und Kuchen. Auch wenn er fern der Heimat ist, hat er Christel Glaser nicht vergessen. Aus Japan schickt er ihr einen besonderen Brief und bei einem der Heimaturlaube werden die beiden ein Paar. 1969 feiern Wolfgang und Christel Hochzeit, Sohn Tobias kommt auf die Welt. 1971 ist das der Grund, wieder festen Boden unter Füßen zu bekommen und Wolfgang Groß kehrt heim nach Klietz - in die Glasersche Backstube, wo genug Arbeit auch noch für ihn ist. Doch die Wohnsituation für die junge Familie ist schlecht und sie zieht nach Stendal um. Während Christel Groß weiter bei Vater arbeitet, wechselt ihr Mann den Beruf und geht in den Maschinenbau. Doch Mitte der 70er Jahre werden Bäcker gebraucht und die Handwerkskammer drängt das Bäckerehepaar, die seit zwei Jahren leerstehende Backstube von Lentzkow in Schönhausen wiederzueröffnen. "Lange gezögert haben wir nicht und uns an die Arbeit gemacht, das Wohnhaus erst einmal bewohnbar zu machen. Am 2. Mai 1977 eröffneten wir die Bäckerei." Christel Groß berichtet, dass sie schon zwei Tage zuvor angefangen hatten zu backen. "Die Regale waren übervoll. Um 7 Uhr haben wir eröffnet, um 10 Uhr war alles ratzekahl ausverkauft. Das war Wahnsinn." Bis zu 5000 Brötchen haben Großens sonnabends gebacken. Die Kunden standen Schlange bis raus auf die Straße.

Dieser Andrang

änderte sich mit der Wende. Doch genau wie eine zweite Bäckerei im Ort meistert das Ehepaar die Marktwirtschaft. Neues wird ausprobiert, Traditionen bewahrt. Die gute alte Streußelschnecke liegt noch immer täglich frisch in den Regalen. "Die esse auch ich am liebsten", erzählt Sebastian Groß. 1992 hatte er eine Lehre in Hannover absolviert, dann kurz in Tangermünde und in Wolfsburg gearbeitet. Nach der Zeit bei der Bundeswehr ist er in den elterlichen Betrieb eingestiegen. Was Vater und Mutter aufgebaut haben, will er fortsetzen, auch wenn er zumindest in nächster Zeit nicht ganz auf die Unterstützung verzichten will. Doch Wolfgang Groß ist 66 Jahre alt, seine Frau wird in wenigen Wochen 65, "es wird Zeit, sich zur Ruhe zu setzen". Einen Traum will sich das Bäckerehepaar erfüllen: Mit dem Camper durch Neuseeland fahren, "die Landschaft mit Vulkanen und Geysiren fasziniert mich - das will ich unbedingt sehen."