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Natura 2000 Unwissenheit schützt nicht vor Strafe

Macht es bei all den Einschränkungen, die es derzeit an den Elbgewässern gibt, über noch Spaß zu Angeln?

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 30.01.2020, 06:36

Schönhausen l Natura 2000 mit Verboten und Einschränkungen, Flutfolgen, ausgetrocknete Elblöcher, Biberfraß... Über diese Themen hat Anke Schleusner-Reinfeldt mit dem Schönhauser Angelvereinsvorsitzenden Bernd Witt gesprochen.

Die Landesverordnung hat seit gut einem Jahr Rechtskraft. Begibt man sich als Angler, Spaziergänger oder Radler auf den Deich oder an die Elbe, sieht man davon nichts – kein Schild weist darauf hin, wo sich eine Schutzzone befindet, die man, teilweise zu bestimmten Zeiten, weder befahren noch betreten darf. Sind die Schönhauser Angelfreunde mit den Vorschriften vertraut?

Was heißt vertraut?! Wir haben unsere Mitglieder und darüber hinaus interessierte Bürger über die aktuellen uns zur Verfügung stehenden Informationen in Kenntnis gesetzt. Bei den Zusammentreffen mit Mitgliedern und Bürgern war Natura 2000 immer ein stark diskutiertes Thema. Das ist auch gut so. Denn das Lesen und Verstehen der über 800 Seiten der Verordnung ist äußerst kompliziert. Schon das Finden der Verordnung und die dazu gehörigen Übersichtskarten im Internet ist eine Herausforderung. Das Thema trifft nicht nur den Angler, sondern ist auch ein einschneidendes Ereignis für jeden Bürger und Grundstücksbesitzer beziehungsweise Pächter, also Landwirte, Fischer und Angler. Andere, noch viel strengere Gesetze, sind auch noch zu beachten. Hierbei verliert man schon den Überblick, welches Gesetz und welche Verordnung wirklich zutrifft.

Haben Sie etwas vom Aufstellen der Schilder gehört

Das sollte ja eigentlich schon erfolgt sein. Aber wie man sieht, sieht man nichts. Für problematisch halte ich die Standfestigkeit des „Schilderwaldes“ zwischen Elbe und den Deichen, wenn es Hochwasser mit Eisgang gibt. Trotz der fehlenden Schilder ist Vorsicht geboten! Denn Unwissenheit schützt nicht vor Strafe.

Sind Ihnen schon Verstöße, die auch geahndet wurden, bekannt?

Nein, noch nicht. Aber die Ordnungshüter oder Ranger stehen wohl in den Startlöchern. Ich glaube, dass der Landkreis aber auch die Wasserschutzpolizei zukünftig damit überfordert sein könnte. Wenn man bedenkt, dass zirka 12 000 Schilder aufgestellt und das Territorium kontrolliert werden soll, ist das doch gar nicht zu schaffen.

Gab es wegen der Einschränkungen für die Angler Austritte aus dem Verein?

Spurlos geht das nicht an uns vorbei. Derzeit hat unser Verein noch 222 Mitglieder – das sind rund zehn Prozent weniger als vor ein paar Jahren. Die ständige Diskussion um dieses Thema hat einige Mitglieder doch verunsichert. Wir wollen einfach nur dem schönen Hobby in den Elbauen nachgehen. Viel mehr haben wir hier in der Region doch nicht – in vielen Orten gibt es nicht einmal mehr eine Gaststätte. Wir haben hier aber unsere herrliche Natur. Und die dürfen wir nur noch eingeschränkt nutzen.

Wie schon 2018 war auch 2019 ein extrem trockenes Jahr mit niedrigem Wasserstand in den Elblöchern, die ausgetrocknet sind, Kann man da überhaupt noch angeln?

Ja, doch der niedrige Wasserstand macht uns Anglern und auch Fischern mächtig zu schaffen. Der Sauerstoffgehalt im Wasser ist stark gesungen und hat somit einen großen Einfluss auf das Beißverhalten der Fische. In vielen Gewässern wie beispielsweise dem Stadtsee in Stendal oder im Fischbecker Tankstellenloch gab es ein großes Fischsterben. Wir hatten bisher Glück mit unseren Gewässern. Es wurde kein nennenswertes Fischsterben beobachtet. Gott sei Dank mussten wir auch nicht umsetzen, denn das ist in der sehr warmen Jahreszeit der pure Stress für die Fische – das überleben auch nicht alle. Aber es ist im Notfall immer noch besser, als nichts zu tun. Generell sind alle Gewässer flach und der Sauerstoffgehalt ist niedrig, was den Fischen natürlich Probleme bereitet.

Sind 2019 wieder Fische eingesetzt worden?

Dafür waren die Gewässer viel zu flach gewesen. Wir hatten nach der Flut Fördermittel vom Land in Höhe von zirka 14 000 Euro für Besatzmaßnahmen erhalten. Hätten wir dieses Geld schon komplett ausgegeben und in den letzten zwei Jahren unbeirrt weiter besetzt, hätten wir bei den niedrigen Wasserständen den sich auf die Fische stürzenden Kormoranen ein Festmahl bereitet.

Wie sieht es denn generell mit dem Fischbestand seit der Flut vor sechs Jahren aus und haben sich die umfangreichen Besatzmaßnahmen bezahlt gemacht?

Er erholt sich nur langsam, trotz der Besatzmaßnahmen, die wir ja besonders intensiv kurz nach der Katastrophe ausgeführt hatten. Der Fischbestand im Land Sachsen-Anhalt entwickelt sich leider rückläufig. Das erfuhr ich auf der Beiratssitzung im Dezember 2019 im Landesverwaltungsamt im Beisein der Vertreter des Landesverwaltungsamtes, des Landesfischereiverbandes und der beiden Landesanglerverbände des DAV und VDSF. Laut Statistik sind die Fänge bei den Edelfischen wie Aal von 2001 mit 4,5 Tonnen auf 1,5 Tonnen im Jahr 2019 zurückgegangen; bei Zander von 5,9 auf 2,5 Tonnen; bei Hecht von 3,8 auf 1,8 Tonnen; bei Karpfen von 22,5 auf 12 Tonnen. Nur beim Wels gab es eine Steigerung. Diese Tendenz ist für mich Besorgnis erregend. Sollte sich dieser Trend weiter fortsetzen, werden wir uns bald nur noch zum „Pose wässern“ an unseren Gewässern aufhalten. Hier ist unsere Landes- uns Bundespolitik gefragt. Eine Bekämpfung des Raubwildes wie Waschbär, Mink oder Kormoran, die keine einheimischen Tierarten sind, ist zwingend erforderlich!

Der Neue Wiehl in Schönhausen gehört zu den Löchern, die mehr und mehr verlanden. Es gibt auch keine Seerosen mehr so wie sonst – was ist da los?

Ja, der Verlandungsprozess ist bei vielen Gewässern deutlich sichtbar. Beim Neuen Wiehl „hilft“ zusätzlich zur Trockenheit der Biber mit. So gibt es im nordöstlichen Teil des Gewässers keine Seerose mehr. So ein Seerosenfeld ist die Kinderstube der Fische. Hier finden Laichprozesse statt, hier schützen die Seerosenblätter vor starker Sonneneinstrahlung und bieten Schutz vor Feinden aus der Luft. Der Biber ist vielleicht ganz possierlich anzusehen. Aber seine Wirkung auf die Seerosen und vor allem auch auf die Bäume ist für mich besorgniserregend.

Der Verein hat vor zwei Jahren das Kiesloch Lampes Tannen gekauft. Welchen Grund gab es dafür?

Jahrelang haben wir das Gewässer von der Gemeinde gemietet. Gern möchten wir eigene Gewässer bewirtschaften. Wir möchten es als biologisches Kleinbiotop aufbauen. Das umzusetzen, wäre in Eigentum der Gemeinde aufwendiger gewesen.

Kleinbiotop – hört sich danach an, als würde es sehr viel Geld kosten – wie stemmt der Verein das?

Das Förderprogramm des Landes, aus dem wir 100 000 Euro beantragt haben, unterstützt das Programm zur „Artensofortförderung“ mit 100 Prozent – kostet uns also nichts. Jedoch müssen wir bis zur Entscheidung erheblich in Vorleistungen und in Vorkasse gehen. Die bürokratische Hürde zur Umsetzung sind sehr hoch.

Die Nachfrage nach Angelberechtigungen ist groß – sowohl am kleinen Fischereischein für Jugendliche beziehungsweise ausschließlich Friedfischangeln, den die Schönhauser Angelfreunde zweimal jährlich mit vereinfachter Prüfung anbieten, und auch am großen Fischereischein ist unbegrenzt. Sehen Sie das Angeln trotz der vielen Einschränkungen dennoch als ein Hobby mit Zukunft?

Auf jeden Fall! Unser Hobby bietet ein sehr umfangreiches Betätigungsfeld. Unter der Leitung von Eckhard Habiger, der auch gleichzeitig Fischereibeirat des Landkreises Stendal ist, führen wir jährlich zwei Lehrgänge für die „großen Fischereischein“ und auch zwei einfache Prüfungen für den „kleinen Schein“, der nur zum Friedfischangeln berechtigt, durch. Und beim Angeln steht der Fischfang auch nicht immer an erster Stelle. Die Ruhe am Wasser inmitten der Natur ist Erholung pur! Ich kann nur jeden ermuntern, sich uns anzuschließen und sich für den Erhalt unserer wunderschönen Natur einzusetzen.