Sonderausstellung "Kosmos Provinz" wird am Sonnabend eröffnet Prignitz-Museum würdigt das Schaffen von Kurt Henschel
Dem 90. Geburtstag von Kurt Henschel ist die neue Sonderausstellung im Havelberger Prignitz-Museum gewidmet, die an diesem Sonnabend, 16. Juli, eröffnet wird. Rund 50 Bilder geben einen Einblick in das künstlerische Schaffen des Malers. Einen kleinen wohlgemerkt, denn sein Gesamtwerk schätzt Kurator Hans-Peter Jakobson auf 14000 Werke.
Havelberg. "Das, was ich für meine Bilder brauche, habe ich hier, ich brauche nichts anderes." Diesen Satz hat Hans-Peter Jakobson oft von Kurt Henschel gehört, wenn er ihn in seinem Atelier besuchte. Der Blick ging über die roten Dächer Havelbergs. Der Dom, die Havel, die Schiffe, die Stadt, die Menschen - all das liebte Kurt Henschel. Hielt es in seinen Bildern fest. "Er hat in diesem Mikrokosmos Havelberg und Prignitz seinen großen Kosmos gesehen", sagt der Kurator und nennt damit einen Grund für den Titel der Ausstellung "Kosmos Provinz". Mit der Provinz ist zudem der Mikrokosmos Havelberg und Prignitz gemeint, "in dem Lichtgestalten wie Kurt Henschel einen Boden hatten und heranwuchsen".
Seit Ende der 1970er Jahre kannte er Kurt Henschel, der 2008 im Alter von 87 Jahren verstorben ist. Er lebte da schon in Gera, kam mit Frau und Kindern aber oft zurück in sein Geburtshaus, das in Quitzöbel steht. "Mit dem Fahrrad sind wir oft auf dem Deich nach Havelberg gefahren." Er besuchte eine Ausstellung in der Kreuzganggalerie des Prignitz-Museums von der Warnauerin Elfriede Raphael. "Da sah ich Bilder von meiner Prignitz, wie ich sie gern gemalt hätte." Später besuchte er eine Bofinger-Ausstellung und lernte Kurt Henschel, den damaligen Leiter des Museums, kennen. "Wir sind gleich warm miteinander geworden. Er zeigte die Galerie und das Museum und am Ende improvisierte er am Klavier." Eine Begegnung mit Kurt Henschel, wie ihn viele kannten. "Schon bald war mir klar, dass Kurt Henschel ein ganz außergewöhnlicher Mensch und Maler ist." Viele Jahre verband den Havelberger Maler und den Museumsleiter in Gera, der Kunstgeschichte und Kulturwissenschaften studiert hat, eine enge Freundschaft.
"Kurt Henschel ist ein ganz großer Erbe des Expressionismus", sagt Jakobson. Er bezeichnet ihn als Spätexpressionisten, der so wie andere Künstler seiner Generation zwischen den Mühlen des Kriegsendes und der neuen Gesellschaftsstruktur tätig war. "Er konnte dadurch, dass er am Museum arbeitete, abseits der großen Kunstszene seine persönliche Kunst entwickeln, viel Gedachtes und Abstraktion mit einfließen lassen. Er hat mit Formen experimentiert, gegenständlich gemalt, aber mit dem Expressionismus gespielt." In den 1980er Jahren hatte Kurt Henschel eine surreale Phase. Die brutale Zerstörung der Natur drückte er in seinen Bildern aus. "Er zeigte mir, wie die Fischer auf der Havel die Fische elektrisch gefangen haben. ,Was soll das noch werden?\' fragte er damals. Es entstand seine Bilderserie, in der die Fische sich an den Menschen rächen. Für seine Werke verwandte er einen gewissen Humor und ganz große Kunst", so Hans-Peter Jakobson.
In sein Spätwerk hat Kurt Henschel alles Wissen, alles Erlernte und Erfahrene einfließen lassen. "Er hatte ein ungeheures künstlerisches Wissen und verstand es sehr gut, das anzuwenden", schätzt Jakobson ein. Es wirkt alles ganz leicht und selbstverständlich, als hätte er nur noch gespielt. Dom, Stadt, Schiffe, Menschen - all das schwebt im Raum als große Komposition darüber, um Spannung aufzubauen und das Bild lebendig zu machen. Dabei verstand es Kurt Henschel auch sehr gut, zu reduzieren.
"Es wäre ein Verlust für die deutsche Kunstgeschichte, wenn das Werk nicht aufgearbeitet wird."
"In diesem kleinen Kosmos liegt der große Kosmos, was Malerei im 20. Jahrhundert ausmacht", sagt der 64-Jährige und hofft, dass sein Wunsch, das Werk Kurt Henschels im Prignitz-Museum zu erhalten, in Erfüllung geht. Ein Wunsch, den der Maler seiner Frau Waldtraut auf seinem Sterbebett diktierte: Sein Nachlass soll in Havelberg verbleiben und dauerhaft im Prignitz-Museum untergebracht sein.
Hans-Peter Jakobson hat zudem vor, das Werksverzeichnis über das Schaffen des Havelberger Malers anzulegen. Er schätzt den Bestand auf 14000 Werke. Sie müssen gesichtet und bewertet werden. Messen, Beschreiben, Technik und Entstehungszeit festschreiben und die digitale Erfassung gehören dabei zu den Aufgaben. Er hofft, dass dafür Geld etwa durch Stiftungen zur Verfügung gestellt wird.
"Es wäre ein Verlust für die deutsche Kunstgeschichte, wenn das Werk nicht aufgearbeitet und der Wissenschaft, den Sammlern und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird."
Deshalb hofft er auch auf eine ständige Ausstellung im Prignitz-Museum, das Kurt Henschel 34 Jahre bis 1986 geleitet hat. Zudem wären Sonderausstellungen möglich, die Bilder etwa von Studienkollegen und Schülern des Malers zeigen. Einen zusätzlichen Punkt, der für diese Ausstellung des Henschel-Werkes im Museum am Dom spricht, sieht er in dem Interesse von Touristen, die Havelberg aus diesem Grund besuchen. "Ein solches eigenständiges Werk ist heute selten", weiß der Kurator. "Es wäre gut, das bis zur Bundesgartenschau 2015 zu schaffen. Ich komme aus einer Buga-Stadt und weiß, wie viele Besucher sie anzieht."
Zur Ausstellung, die an diesem Sonnabend um 15 Uhr im Museum eröffnet wird, erscheint ein Katalog mit Bildern aus allen Schaffensperioden Kurt Henschels. "Damit wollen wir uns und viele andere motivieren, das Werksverzeichnis und die Henschel-Galerie zu ermöglichen und Sponsoren zu gewinnen."
In der Ausstellung im östlichen Kreuzgang des Prignitz-Museums werden etwa 50 Bilder von Kurt Henschel ausgestellt. Es werden Werke aus allen Phasen sein, zum Beispiel auch abstrakte Studien aus den 1950er Jahren. Der Schwerpunkt wird aber auf dem Alterswerk des Künstlers liegen als Brücke zwischen Abstraktion und Vereinfachung, so der Kurator.