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Schuldenberg Tafelsilber für die Stromrechnung

Mittelfristig kann Sandau seine Schulden nicht zurückzahlen. Seit diesem Jahr kann die Stadt nicht einmal ihre Pflichtaufgaben bezahlen.

02.07.2017, 23:01

Sandau l Seit nunmehr elf Jahren befindet sich die Elbestadt Sandau in der Konsolidierung – und ein Ende der Misere ist derzeit nicht abzusehen. Doch kann die Stadt selbst nicht mehr allzuviel dazu beitragen, den aufgelaufenen Schuldenberg von 511.443 Euro abzutragen, zeigte Hauptamtsleiter Martin Schröder – er vertritt derzeit den Kämmerer – anhand des Haushaltskonsolidierungskonzeptes auf der jüngsten Ratssitzung auf. Allein im Vorjahr kam ein Minus von 226.353 Euro hinzu, darunter fast 162.000 Euro an Tilgungsleistungen.

Die meisten kommunalen Einnahmen kommen in der Regel aus den Steuern, doch hat Sandau seine Hebesätze bereits ausgereizt: Mit 350 beziehungsweise 400 Prozent bei den Grundsteuern A und B sowie 350 Prozent bei den Gewerbesteuern liegt die Stadt bereits auf der vom Land vorgegebenen Höhe – und bei zweien sogar darüber. Eine weitere Steigerung sei laut Konzept nicht angebracht, da im kommenden Jahr die Ortsdurchfahrt saniert wird, was zu Gewinneinbußen bei den Gewerbetreibenden führen könnte.

Bei den freiwilligen Ausgaben kann die Stadt ebenfalls nicht noch mehr sparen, denn diese schlagen nur noch mit knapp einem Prozent des Gesamt-Etats zu Buche. „Dieses eine Prozent ist schon das absolute Limit“ meinte Bürgermeister Henry Wagner dazu. Ansonsten würde es im Ort fast gar kein kulturelles Leben mehr geben.

Auch beim Personal kann nicht mehr eingespart werden: Eine Verwaltungsbeamte, ein Stadtarbeiter, insgesamt 3,5 Fährarbeiterstellen sowie eine Reinigungskraft für die Turnhalle auf 11-Stunden-Basis sind hier schon die unterste Grenze. Übrigens wird in diesem Jahr erstmals ein Lehrling für die Fähre eingestellt.

Mehr Einnahmen kann die Stadt noch bei den Nutzungsgebühren für die Turnhalle generieren, denn bei einer aktuellen Tagesmiete von 30 Euro ist noch Luft nach oben. Eine Erhöhung von 100 Prozent ist laut Konzept bereits Konsens im Rat, die entsprechende Satzung soll dieses Jahr beschlossen werden. Zudem sollen die Betriebskosten reduziert werden – unter anderem beim Flutlicht und der Bewässerung des Platzes. Allerdings halten sich die erhofften Spareffekt in Grenzen, denn die Hallentechnik wurde bislang nur unregelmäßig gewartet, was jetzt an einem erhöhten Aufwand zu merken ist. Seit 2011 schoss die Stadt im Schnitt fast 23.000 Euro pro Jahr für die Halle hinzu. Doch dürfen die Kosten nicht ins Uferlose steigen, denn in Havelberg und Kamern gibt es auch Turnhallen.

Geringe Einspareffekte gibt es auch bei der Fähre, welche der Stadt im Schnitt der letzten sechs Jahre einen Überschuss von knapp 2700 Euro einfuhr. Die Benutzungs- und Entgeltordnung wird dieses Jahr neu beschlossen, danach soll dazu alle drei Jahre neu beraten werden. Nicht nur die Tarifentgelte für die Beschäftigten steigen hier stetig, auch die Kosten für die alle fünf Jahre fälligen Landrevisionen. Da das Gefährt in die Jahre gekommen ist, werden auch die Reparaturen nicht weniger.

Die dritte Einrichtung, wo die Stadt Gebühren und Entgelte erhebt, ist der Friedhof. Hier gab es im Schnitt der letzten Jahre einen minimalen Überschuss von 53 Euro. In Kürze wird die Verwaltung dem Stadtrat eine Kalkulation dazu vorlegen – wobei es gar nicht so einfach war, an alle Daten zu gelangen. Doch auch hier sei laut Konzept ein „spürbares Konsolidierungspotenzial nicht gegeben“.

Warum Sandau nicht aus den Schulden herauskommt, wird im Konzept ebenfalls deutlich: Seit diesem Jahr decken die Einnahmen samt Landeszuführungen – diese sanken um 34.000 Euro – nicht einmal mehr die Pflichtausgaben. Die Umlage an die Verbandsgemeinde musste auch erhöht werden, weil zur Flutschadensbeseitigung mehr Mitarbeiter eingestellt werden mussten. Unterm Strich bleibt ein Minus von fast 29.000 Euro.

„Wenn die Kommune mehr abführen soll, als sie erwirtschaftet, dann ist das ein Bruch mit dem Prinzip der intergenerativen Gerechtigkeit!“ merkte Martin Schröder dazu an. Und zieht als Fazit: Sandau sei gezwungen sich von seinem Tafelsilber zu trennen, um die Stromrechnung zu bezahlen. Mittelfristig ist ein Abtrag des Sandauer Schuldenberges jedenfalls nicht in Sicht.