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Übung Abwehr feindlicher Flieger

Auch wenn man wenig hörte und sah - in den zurückliegenden Tagen hat eine der größten Übungen 2019 auf dem Klietzer Platz stattgefunden.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 24.10.2019, 15:02

Klietz l Am Freitag rücken die knapp 700 Soldaten der Flugabwehrraketengruppen 21 und 24 wieder an ihre Standorte Sanitz und Bad Sülze bei Rostock ab.

Ein feindlicher Flugkörper taucht auf dem Radar auf. Schnell steht fest: eine Mittelstreckenrakete. Noch gut 200 Kilometer entfernt, wird sie in einer Minute und 20 Sekunden vor dem Parlament des Übungslandes Tytan einschlagen. Das darf nicht passieren! Die Entscheidung fällt blitzschnell: Abschuss! Per Knopfdruck schickt der Soldat im Feuerleitstand des Waffensystems „Patriot“ den Lenkflugkörper zum Abfangen der Mittelstreckenrakete in Marsch. Treffer! Parlament gesichert.

Das ist nur eine von unzähligen Szenarien, die in dieser Woche auf dem Klietzer Truppenübungsplatz geübt worden sind. Major Christian Mondok als Verantwortlicher für Lagendarstellung hat sich all das erdacht, quasi das „Drehbuch“ geschrieben. Was darin steht, wissen nur er und sein Team – die aus 600 Mann bestehende Übungstruppe nicht. Unter möglichst realen Bedingungen sollen sie üben, was sie im Einsatz erwarten könnte.

Die Flugabwehrraketengruppen 21 und 24 (FlaRak) gehören zur Luftwaffe und sind zwei Verbände der schnellen Luftabwehr-Einsatzgruppen der Nato in Deutschland. Diese waren zuletzt bis 2015 in der Türkei im Einsatz. „Fühlt sich ein Nato-Bündnispartner bedroht, fordert er Hilfe über den Nordatlantikrat an. Wenn dann auch der Bundestag zustimmt, ist die Truppe in fünf bis sieben Tagen abmarschbereit und wird rein defensiv mit einem der modernsten Waffensysteme der Welt zur bodengebundenen Luftverteidigung eingesetzt. Wir sind sehr gut ausgerüstet und bestens ausgebildet“, erklärt Oberstleutnant Siegfried Kraus, Kontingentführer des Einsatzverbandes. „Die Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten ist das A und O. Binnen Minuten, oft auch Sekunden, müssen die Besatzungen in den Feuerleitständen die Entscheidung treffen, ob es sich um einen feindlichen Flugkörper welcher Art auch immer handelt und ob sie die Lenkflugkörper zu Bekämpfung der Bedrohung in Marsch setzen. Deshalb ist es auch wichtig, sich im Vorfeld über die feindlichen Waffensysteme und deren militärische Standorte zu informieren. Denn es darf nicht passieren, dass womöglich eigene Kräfte oder auch der zivile Flugverkehr gefährdet wird.“

Der Schutzauftrag lautet, die verbündeten Kräfte, die Zivilbevölkerung und auch die Infrastrukturen des Landes zu schützen. Das ist auch bei der Übung, die in diesem Umfang einmal pro Jahr stattfindet, so. Das zu schützende Land nennt sich Tytan, hat einen Flughafen und ein Parlament und wird permanent von Feinden angegriffen – mit Kurz- und Mittelstreckenraketen, per Hubschrauber, Tiefflieger und Drohnen. Auch Angriffe von Terroristen, die sich Zutritt zu Tytan verschaffen wollen, sind nicht auszuschließen. Also kommen nicht nur die Flugabwehrraketensysteme zum Einsatz, sondern auch die Bodentruppen müssen sich verteidigen.

Vier Patriot-Kampfstaffeln mit je zirka 90 Soldaten befinden sich in Klietz. Dazu gehört ein Radar, der Feuerleitstand, in dem auf den Monitoren die Bewegungen im Luftraum angezeigt werden, was auf Tytan zufliegt, und die Stromversorgung, damit sämtliche Technik funktioniert. Herzstück ist der Feuerleitstand, welcher nur minimalen Platz für drei Soldaten und zwei Monitore bietet. Hier werden die wichtigsten Entscheidungen getroffen. Die Startgeräte für den Abschuss der Lenkflugkörper befinden sich in ausreichendem Abstand im Gelände.

Scharf sind die Übungslenkflugkörper natürlich nicht und es fliegt auch nichts los – die Simulation erfolgt am Computer. Auch der unwahrscheinliche Fall, dass eine Bekämpfung der feindlichen Luftbedrohung misslingt, wird geübt. Die Versorgung von verwundeten und gefallenen Darstellern sowie der Ausfall einzelner Waffensystemkomponenten wird trainiert.

Wann was passiert, wissen die Soldaten nicht. Es kann auch sein, dass gerade Schichtwechsel ist und sie sich im Feldlager Großwudicke im Zelt zur Ruhe legen wollen. Wenn Luftalarm oder der Befehl zur Verlegung der Staffeln an einen anderen Standort ergeht, bleiben die Ruhepausen der Soldaten aus. „Die Soldaten werden bei der Übung, für die sich der Klietzer Truppenübungsplatz wegen seiner Größe bestens eignet, körperlich und psychisch an ihre Grenzen gebracht. Denn im Ernstfall müssen sie für alles gewappnet sein, um ihr eigenes und das Leben Anderer zu schützen“, so Oberstleutnant Siegfried Kraus, der sich gestern zufrieden zeigte und die Bedingungen im Feldlager lobte. Auch „Regisseur“ Major Christian Mondok ist in erster Einschätzung und Auswertung der Übung zufrieden.