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Wenig Nachwuchs 51 Junge fliegen ab in den Süden

Wieviel Storchennachs gab es im Altkreis Havelberg und wo mussten Adebare gerettet werden? Das berichtet der Stochenbeauftragte.

Von Armin Wernicke 19.11.2020, 23:01

Elb-Havel-Winkel l Um den 20. März trafen die ersten Weißstörche wieder in ihrem Brutgebiet im nördlichen Elbe-Havel-Winkel ein. Dann ging es recht zügig: Noch im März war der größte Teil der Nester besetzt und es wurde ohne große Verzögerung mit dem Brutgeschäft begonnen. Günstige Wetterbedingungen auf den Zugwegen hatten wohl zu einem schnellen Rückflug in die Brutgebiete beigetragen.

Auch in diesem Frühjahr wurden vor Ankunft der Störche Nester instand gesetzt und auch neu errichtet. Die Volksstimme berichtete anlässlich der Arbeiten in Warnau und Rehberg bereits darüber. In diesem Jahr führte mein Weg von Schollene nach Havelberg wegen der Umleitung um Sandau regelmäßig durch Warnau – jedes Mal eilte der Blick voraus: Ist das Nest am Rosenweg schon besetzt? Nein! Es standen dort zwar hin und wieder einzelne Störche, aber ein Brutpaar fand sich nicht ein. Da das Nest schon einige Jahre verwaist war, wundert das nicht so sehr. Vielleicht im nächsten Jahr.

In Rehberg klappte der Umzug vom Dach auf den neu aufgestellten Nestmast problemlos. Und nicht nur das: Die Brut verlief sehr erfolgreich. Nachdem das Brutpaar 2019 keinen Nachwuchs hatte, flogen hier in diesem Jahr drei Jungstörche aus. So viele waren es letztmalig 2014.

Erfreuliches gibt es auch aus Neukamern zu berichten, wenn auch nicht ganz ungetrübt. Zuletzt hatte 2015 ein Storchenpaar auf dem Nestmast in Neukamern gebrütet. Ein Jungstorch flog damals aus. Dann folgte Jahr für Jahr ein Strich auf der Zählliste. Die Frage, warum sich gerade hier, inmitten frischer, von Gräben durchzogenen Wiesen kein Brutpaar fand, nach menschlichen Ermessen ein kleines Storchenparadies, kann nicht beantwortet werden. 2020 fand sich sehr zur Freude der Anwohner wieder ein Storchenpaar ein. Die Brut verlief erfolgreich, zwei Jungstörche wuchsen auf. Am 16. Juli übersandte mir Klaus Schlegelmilch ein Foto von dem Nest, das er bei einer Fahrradtour aufgenommen hatte. Es zeigte die beiden Jungstörche bei Flugübungen. Nur kurze Zeit später erreichte mich die Nachricht von Frau Hünemörder aus Neukamern: Einer der beiden Jungstörche ist verschwunden. Hatte ihn der Wind bei seinen Flugübungen vom Nest geweht? Das kommt hin und wieder vor. Es fand sich jedoch keine Spur im Umfeld, welche auf den Verbleib des Jungstorches schließen ließ. Sollte er sich etwa doch noch im Nest befinden? Von einer Kontrolle des Nestes wurde aus Rücksicht auf den noch nicht voll flugfähigen verbliebenen Jungstorch zunächst Abstand genommen. Als dieser einige Tage später auf eigenen Schwingen das Nest verließ, nutzte Jan Faktor aus Neukamern eine sich bietende Möglichkeit, um in das Nest zu schauen. Und tatsächlich befand sich das verendete Tier noch im Nest. Was sich dort ereignet hatte und letztendlich zum Tode des Jungstorchs führte, konnte nicht mehr geklärt werden.

Bei Familie Braunsdorf in Garz wurde, wie schon 2019, die Brut bei Storchenkämpfen vernichtet. Astrid Braunsdorf zählte bis zu sechs Fremdstörche, die das Brutpaar unter wilden Manövern attackierte. Beim ersten Mal wurden vier Eier, in denen die sich entwickelnden Jungen bereits zu erkennen waren, aus dem Nest geworfen. Bei einer späteren Attacke nochmals zwei Eier. So blieb das Nest auch in diesem Jahr leider wieder ohne Nachwuchs.

Abwürfe von Jungstörchen wurden zweimal registriert. Von Thomas Henningsen erhielt ich die Nachricht vom Abwurf eines Jungen in Warnau. Er konnte nur noch tot geborgen werden.

Mehr Glück hatte ein Jung- storch in Molkenberg. Walter Roloff hatte es am Pfingstwochenende außerhalb des Nestes auf dem Dach seiner Scheune bemerkt. Auf der südgeneigten Dachschräge hatte sich der kleine Storch mühselig nach oben gearbeitet, um unter dem Nest etwas Schatten zu finden. Derweil wurden die beiden im Nest verbliebenen Geschwister von den Altstörchen weiter gefüttert. Lange konnte das auf der Dachschräge nicht gut gehen. Mit Unterstützung der Naturschutzbehörde des Landkreises Stendal wurde sehr schnell die Bergung des Jungstroches organisiert. Tags darauf kam er in die professionelle Obhut der Vogelschutzwarte Storchenhof Loburg. Dort wurde er in eine Gruppe Gleichaltriger aufgenommen. Als er etwas größer und kräftiger war, fand er in der Altmark, im Storchendorf Wahrenberg, unmittelbar an der Elbe gelegen, ein neues Zuhause. Dort befand sich ein Nest mit nur einem Jungstorch. Mario Firla aus Havelberg setzte den Molkenberger während einer Beringungsaktion dazu. Es hat sich bewährt, Pfleglinge in einem fremden Nest mit etwa gleichaltrigen Jungtieren dazu zu setzen und von den Adoptiveltern mit den eigenen Jungen aufziehen zu lassen. Soweit bekannt, sind auch die beiden gut zusammen aufgewachsen und mit eigenen Schwingen in eine unbekannte und gefährliche Welt aufgebrochen.

Dass die Nester der Weißstörche gern von Untermietern genutzt werden, ist allgemein bekannt. Sperlinge finden sich dort häufig ein. In dem alten Nest in Warnau hatten sich sogar Dohlen einquartiert, die Volksstimme berichtete darüber. Dieses Nest war längere Zeit nicht von Störchen genutzt. So war es schon sehr interessant, als mir Frau Wagner aus Kuhlhausen berichtete, dass sich in dem Storchennest am Abzweig Gartenstraße auch Dohlen eingenistet hatten, und dass, obwohl das Storchenpaar anwesend war. Die Dohlen hatten in dem hoch aufgewachsenen Nest gleich dei Höhlen angefangen und ordentlich Material ausgetragen. Zumindest eine Höhle war dann über die Brutzeit beflogen. Rabenvögel sind intelligent und nerven zuweilen ihr Umfeld, besonders, wenn Nachwuchs anwesend ist. Von Kuhlhausen sind mir aber keine Konflikte bekannt geworden.

Im Jahr 2020 besetzten 28 Storchenpaare ein Nest im ostelbischen Bereich des Landkreises Stendal. Davon brüteten 22 Paare erfolgreich. Sechs Paare blieben ohne Nachwuchs und auf der Kirche in Molkenberg war noch ein Einzelstorch während der Brutzeit anwesend. Aus den 22 Nestern mit Nachwuchs flogen dreimal 1, neunmal 2 und zehnmal 3 Jungstörche aus – insgesamt 51. Mit 28 Brutpaaren liegt eine etwas höhere Anzahl als in den letzten vier Jahren vor. 2019 und 2016 waren es 27 Brutpaare, 2017/18 waren es sogar nur 26. Der höchste Wert des Jahrzehnts mit 34 Brutpaaren wurde 2010 registriert. Betrachtet man davon die erfolgreichen Brutpaare – 22 in diesem Jahr – gab es nur 2019 mit 19 und 2016 mit 21 weniger erfolgreiche Bruten.

Mit 51 ausgeflogenen Jungstörchen liegt 2020 auf Platz 8 des Jahrzehnts, nur in 2019 wurden mit 47 weniger Jungstörche gezählt. Platz 1 hält unangefochten das Storchenjahr 2013 mit 89 Jungstörchen.

Die Zahlen belegen es: Das Jahr 2020 war ein mittleres Storchenjahr.

Wenn auch Ende August die Weißstorchnester in den Dörfern wieder verweist waren, man ist vor Überraschungen nie sicher. Frau Radeloff, ehemalige Garzerin, informierte mich Anfang September, dass sich am Schleusenwärterhaus in Garz wieder ein Weißstorch aufhält. Sollte etwa der Jungvogel zu seiner Kinderstube zurückgekehrt sein, wie einige vermuteten. Ein Foto, welches Frau Radeloff aufgenommen hatte, schaffte Gewissheit: Es war ein Altstorch in guter Verfassung! Kein Grund zur Sorge also, er wird wohl allein zurechtkommen. Da er nicht beringt war, wissen wir nicht weiter über ihn, was ihn nach Garz verschlagen hatte. Doch wir wissen, dass es dem Storch in Garz gefallen hat, denn er hielt sich dort einige Zeit auf.

Es würde mir sehr schwer fallen, hier einen Jahresüberblick zu präsentieren, wären da nicht interessierte Damen und Herren, die mir über die Storchensaison viele wertvolle Informationen zukommen lassen. Vielen herzlichen Dank dafür und bleiben sie weiterhin neugierig und mitteilsam!