Handwerk Wenn aus dem Spinnen an Elbe und Havel Schal oder Mütze entstehen
Spinnen kann (fast) jeder lernen. Davon ist Rainer Wittenburg überzeugt. Im Haveldorf Garz nahe Havelberg zeigte er am Sonnabend mit Gleichgesinnten, wie das geht.

Garz - Fingerfertigkeit, am Anfang Geduld und regelmäßiges Üben sind Voraussetzungen, um das Spinnen zu erlernen. Wie viel Freude dieses alte Handwerk machen kann und auch wie gesellig es ist, erfuhren Besucher am Sonnabend beim Spinnertreffen in Garz.
Die Finger führen die Fasern in Richtung Spindel. Ein oder zwei Füße treten ein Pedal, damit das Spinnrad schön gleichmäßig läuft. Frauen und Männer aus dem Elb-Havel-Winkel und dem Brandenburgischen sitzen auf den idyllischen Havelhöfen beisammen. Sie plaudern über dies und das. Und wie nebenbei füllt sich die Spule mit Garn. Gern lassen sie sich dabei beobachten und erklären ihr Hobby, mit dem sie ein viele Jahrtausende altes Handwerk pflegen.
Zwei bis vier Stunden für 100 Gramm Wolle
Einer, der das Spinnen lebt, ist Rainer Wittenburg. Zur Landesgartenschau 2006 in Rathenow lernte er es kennen. Er stellte dort Besuchern das Seilern vor und schaute öfter zu den Spinnern. „Ich habe Wolle in die Hand genommen und mich am Spinnrad ausprobiert. Es hat geklappt. Ich kaufte mir mein erstes Spinnrad und seitdem bin ich vom Spinnen infiziert“, erzählt der Garzer.
Inzwischen besitzt er Dutzende Spinnräder und andere Utensilien, damit aus Wolle Garne werden. Etliche schmücken den Saal der Havelhöfe. Auch das Weben macht ihm Freude. Für ein gutes Spinnrad muss man mit rund 500 Euro rechnen. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Doch wer sich ausprobieren möchte, muss nicht gleich ein Spinnrad kaufen, sondern kann bei Rainer Wittenburg einen Ein- oder Zweitages-Kurs belegen. Denn er gibt sein Wissen gern weiter.
Und wie wird aus der Wolle vom Schaf oder Alpaka Garn? Schafwolle muss zunächst sortiert werden, berichtet Rainer Wittenburg von der Wolle vom Rücken und den Seiten der Tiere, wo sich das beste Haar befindet. „Zum Waschen weiche ich die Wolle 24 Stunden in Regenwasser ein. Das Wasser ist dann wie Jauche und ein hervorragender Dünger. Allerdings nur verdünnt. Um das Fett aus der Wolle zu bekommen, wasche ich sie anschließend mit Seife. Dann wird sie kardiert und ist bereit zum Spinnen“, erklärt er. Für 100 Gramm Wolle sitzt man zwei bis vier Stunden am Spinnrad.
Wolle von Schafen, Alpakas, Hunden und Katzen
„Ich habe in meinem Leben schon viel gemacht, aber das Spinnen ist mein Lebensinhalt geworden“, sagt Rainer Wittenburg, der sich als „Havelspinner“ einen Namen gemacht hat. Er schloss sich zunächst in Rathenow den „Spinn-Weben“ an.
Seit etlichen Jahren gehört er auch der Spinngruppe Klietz an. An jedem letzten Mittwoch im Monat treffen sich alle zum Kaffeeklatsch, Klönen und Spinnen. „Man kann sich beim Spinnen prima unterhalten.“
Froh, sich nach drei Jahren Zwangspause endlich wieder mit dem Spinnertreffen in der Öffentlichkeit zeigen zu können, sind Elke Joachim, die gern Wolle von Alpakas aus Hohengöhren zu Fäden spinnt, und Christa Wagner aus Klietz. In ihrer Runde sitzt auch Viola Fischer aus der Nähe von Leipzig. Beim Wollefest in Leipzig vor drei Jahren hat sie die Spinner aus dem Elb-Havel-Winkel kennengelernt und nahm am Spinnertreffen teil. Zu regelmäßigen Teilnehmern zählen zudem Ulrike Salzmann aus Havelberg und Gabi Schulz aus Tangermünde.
Die Besucher erfahren am Sonnabend auch, was mit dem Kardieren gemeint ist. Rainer Wittenburg zeigt, wie das mit Handkarden oder einer Kardiermaschine geht. Viele kleine Zähne auf zwei Rollen richten die Fasern in eine Richtung aus. Der nächste Schritt ist dann das Kämmen der Wolle, wofür nur noch das große Rad der Maschine zum Einsatz kommt. Neben der Wolle vom Schaf oder Alpaka lassen sich übrigens auch die ausgekämmten Haare von Hunden oder Langhaarkatzen sehr gut spinnen, berichtet der Fachmann.
Was aus den Garnen alles gefertigt wird, ist beim Spinnertreffen ebenfalls zu sehen. Groß ist die Auswahl etwa an Socken, Schals, Mützen, Decken und Sitzauflagen.
Eine besondere Art des Spinnens demonstrieren einige Frauen im Saal der Havelhöfe. Rainer Wittenburg hat sie zum „Spinnen nach Jerusalem“ eingeladen. Jede spinnt Wolle einer anderer Farbe. Nach einigen Minuten geben sie die Fasern weiter. Nach rund einer Stunde sind jeweils 30 Gramm Garn verschiedene Farben auf jeder Spule, die zusammen später einen bunten Zwirn ergeben.



