Zweiter Weltkrieg 1945 - Schicksalsjahr für Klötze
Im April 1945 endete für die Bürger von Klötze der Zweite Weltkrieg und die Naziherrschaft. Eine Klötzer Zeitzeugin erinnert sich.
Klötze l Es sei ein eigenartiger Tag gewesen, als die Naziherrschaft in Klötze ihr Ende nahm. Überall hatten die Menschen Besenstiele aus den Fenstern gesteckt. Daran befestigt: weiße Betttücher. Damit wollten sie den amerikanischen Soldaten zeigen, dass sie während des Einmarsches in die Stadt keinen Widerstand leisten wollen. „Jeder von uns hat versucht, seine Haut zu retten“, erinnert sich Hildegard Dammert an diesen 11. April des Jahres 1945. Den Tag, an dem amerikanische Truppen in Klötze einmarschierten.
Damals war Hildegard Dammert 22 Jahre alt. Im April 1939 hatte sie eine Ausbildung im Klötzer Rathaus begonnen. Angestellt war sie dort auch während des Krieges – und noch Jahre danach. In der NSDAP war sie trotz ihrer Arbeit im Rathaus nicht, wie sie sagt. Ihr ganzes Leben hat die heute 92-Jährige in Klötze verbracht. An die Ereignisse im Jahr 1945 kann sie sich noch gut erinnern. Etwa an den Einmarsch der Amerikaner am 11. April: „Gegen 17 Uhr bin ich vom Rathaus nach Hause gegangen. Als ich in der Oebisfelder Straße war, haben mich Bekannte zu sich ins Haus geholt und mit in den Keller genommen.“ Denn zu diesem Zeitpunkt rückten die US-Truppen in Klötze ein. Und schossen in die Stadt. Umgekommen sei dabei aber niemand.
Ohne Rücksicht auf Laternenpfähle, Litfasssäulen oder das Straßenpflaster seien die schweren Panzer an diesem Abend durch Klötze gefahren, ist in der Chronik der Stadt zu lesen. Zögerlich seien die Menschen aus ihren Kellern gekommen und hätten teils verbittert, teils aber auch hoffnungsvoll auf die vielen Fahrzeuge geblickt, wird in der Chronik weiter beschrieben.
„Am Vorabend hat es noch einmal Fliegeralarm gegeben“, erinnert sich Hildegard Dammert. Das ständige Heulen der Sirene habe die Klötzer in den Wochen und Monaten zuvor nicht mehr zur Ruhe kommen lassen. Gingen die Sirenen, mussten die Straßen verlassen werden. Jeder suchte Schutz im Keller. Egal ob am Tag oder in der Nacht.
„Klötze lag in der Einflugschneise der Bomber, die von Südengland nach Berlin geflogen sind.“ Deshalb hat es regelmäßigen Alarm gegeben, auch wenn keine Bomben gefallen sind. An die Formation der Bomber kann sich Hildegard Dammert noch erinnern. An der Spitze flog ein Flugzeug, diesem folgten drei weitere, dahinter noch einmal fünf. „Etwa 1500 Bomber habe ich so eines Tages am Himmel gezählt.“ Doch die schweren Maschinen waren nicht allein über dem feindlichen Gebiet unterwegs. Begleitet wurden sie von Jagdflugzeugen, die, wie Hildegard Dammert berichtet, auch auf die Menschen auf den Äckern geschossen hätten. Es habe generell Angst unter der Bevölkerung geherrscht. „Doch die Leute wurden mit der Zeit gleichgültiger.“
Erneuten Luftalarm gibt es gegen Mittag am 22. Februar 1945. Diesmal überflogen die Maschinen die Stadt nicht nur – sondern warfen über Klötze ihre Bomben ab. Mehr als 200 Einschläge wurden nach dem Angriff gezählt. Hauptsächlich, so wird in der Chronik berichtet, sind es 250 Kilogramm schwere Sprengbomben, die auf die Stadt niedergehen. Gegolten haben sie dem Klötzer Bahnhof. „Ziel war es, das noch bestehende Verkehrsnetz zu unterbrechen“, erklärt Hildegard Dammert. Doch Wohnhäuser werden bei diesem Angriff ebenfalls nicht verschont. In der Kirchstraße, so steht es in der Chronik, erhielt ein Wohnhaus einen Volltreffer. Sieben Menschen starben. Darüber hinaus wurden benachbarte Häuser schwer beschädigt. Weitere Treffer gab es in der Berg- und Hindenburgstraße. Insgesamt starben laut der Aufzeichnung 25 Klötzer an diesem Tag durch die Bomben.
Für Hildegard Dammert begann anschließend ihre Arbeit. Als Angestellte der Stadt muss sie die Schäden erfassen. „Es war der übliche Amtsweg. Ich musste raus, lief über die Trümmer mit einem Block in der Hand und habe gezählt.“
Als Mitarbeiterin der Stadtverwaltung kannte sie sich ebenfalls mit den Lebensmittelkarten aus, die an die Bevölkerung verteilt wurden. Denn Grundnahrungsmittel waren rationiert. Ebenso andere alltägliche Dinge, wie Hosen oder Schuhe. „Die Geschäfte in der Stadt bestanden zwar weiter, doch zu kaufen gab es nichts mehr.“ Wer zu Hause ein Schwein geschlachtet hat, musste das im Rathaus melden. Dort wurde ausgerechnet, wie viel Fett und Fleisch deshalb weniger zugeteilt wurde. „In Klötze gab es manchmal zwischen 17 und 19 Uhr kein Licht mehr.“ Denn um Strom zu sparen, wurden einige Städte und Gemeinden stundenweise vom Netz genommen. „Hinter vorgehaltener Hand haben wir uns damals gesagt: Egal was kommt, hauptsache der Krieg geht zu Ende“, beschreibt Hildegard Dammert das Denken der Menschen.
Erfüllt hat sich dieser Wunsch im April 1945. Doch eine Ungewissheit blieb: Wie wird es weitergehen? Schließlich lösten bereits Ende Mai Briten die Amerikaner als Besatzer ab. Anfang Juli folgten die Sowjets. Mit ihren Panzern fuhren sie durch die Klötzer Wälder an die neue Grenze. „Davor hatten viele Leute Angst.“ Einige der größeren Bauern der Stadt verließen ihre Höfe, als die Nachricht der anstehenden sowjetischen Besatzung die Runde machte. Sie gehen in den Westen. Wie viele es sind, weiß Hildegard Dammert nicht mehr. „Ich habe viele Russen kennengelernt, aber keine Probleme gehabt“, gibt Hildegard Dammert ihre eigene Erfahrung wieder. Die Angst sei vorher auch durch die Nazi-Propaganda geschürt worden. „Die Engländer haben uns manchmal nachts aus den Betten geklopft, um uns zu kontrollieren. Das war auch nicht gut.“