Gerhard Stövesandt aus Köckte beherrscht noch die Kunst des Besenbindens Ein uraltes Handwerk stirbt aus
Einst war die Region rund um Klötze und vor allem die Stadt selbst für das Besenbinden bekannt. Doch scheinbar ist dieses Handwerk so ganz allmählich in Vergessenheit geraten.
Köckte/Klötze l "Allzu viele Besenbinder gibt es wohl nicht mehr", schätzt Gerhard Stövesandt aus Köckte ein. Für den 72-Jährigen hat diese Kunst im Laufe der Jahre aber kein bisschen an Attraktivität eingebüßt. Fast in jeder freien Minute widmet er sich seinem liebsten Hobby. "Meine Frau sagt schon immer, dass ich mal was anderes machen soll: Lesen oder Fernsehen. Aber das ist nichts für mich." Denn zum einen ist Gerhard Stövesandt gerne an der frischen Luft, zum anderen benutzt er gerne die eigenen Hände. Schließlich benötigt man fürs Besenbinden "ein bisschen Geschick und Fingerfertigkeit".
Gerhard Stövesandt war noch ein kleiner Knirps, als er seinem Opa beim Besenbinden über die Schulter schaute. "Nach und nach habe ich mir das abgeguckt und angeeignet", erzählt er. "Irgendwann hatte ich den Bogen raus." Mit anderen Jungs seines Alters zog es ihn dann immer hinaus in Wald und Flur. Zum Schneiden des Reisigs. "Am besten nimmt man Birke", weiß der Köckter, der im Übrigen auch ein passionierter Korbflechter ist.
"Man lernt nie aus"
Im Laufe der Zeit verfeinerte er seine Technik, obgleich er meint: "Das ist wie bei so vielem im Leben. Man lernt nie aus."
Im Prinzip sei das Besenbinden aber gar nicht so schwer. Für den Stiel sollte ein passabler Weidenast von der Rinde befreit werden. Darauf pfropft man das zuvor gleichsam mit Weidenzweigen zusammengebundene Reisig. Und fertig ist ein schöner Besen. "Früher gab es noch keinen Draht. Und wenn, dann konnte man den nicht bezahlen. Aber Weide ist schön weich und biegsam." Gerhard Stövesandt schafft in einer halben Stunde zwei Stück.
"Viel Arbeit, wenig Lohn"
Vor Jahrzehnten, so berichtet Gerhard Stövesandt, war das Besenbinden hierzulande "gang und gäbe". Reich wurde man nicht davon. Dessen ist er sich sicher. "Viel Arbeit, wenig Lohn." Nichtsdestrotz, auch da-ran kann er sich noch entsinnen, seien nicht wenige Familien auf das zusätzliche Einkommen aus dem Verkauf angewiesen gewesen. Auch und vor allem in Klötze. "Das war ja mal eine arme Ecke."
Bei ihm daheim wurden die Besen zumeist im Winter gefertigt ("da konnte man in der Landwirtschaft nicht viel machen. Aber Faulenzen, das gab es nicht") und für den Eigengebrauch verwendet. Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert. So erfüllen die selbst hergestellten Produkte bestens ihren Zweck: "Mit denen kommt man so schön in die Ritzen vom Kopfsteinpflaster. Damit bekommt man jeden Strohhalm aufgelesen", verspricht Gerhard Stövesandt - und macht es gleich mal vor. Und siehe da. Er hat Recht. Kein Staubkorn entkommt. "So muss das sein. Auf meine Besen ist eben Verlass." Mit den Massenanfertigungen der Industrie kann der einstige Landwirt hingegen nichts anfangen. "Die taugen nicht viel."
Auf seinem Hof stehen an diesem Morgen gleich mehr als ein halbes Dutzend Exemplare. Übers Wochenende hat er in der Feldmark reichlich Material besorgt - und weil es ihm so einen Spaß bereitet - gleich verarbeitet.
Dann und wann kommt mal ein Liebhaber vorbei und ersteht einen Besen. Gerhard Stövesandt verlangt für eines seiner "Schätzchen" drei Euro.
"Du armer Besenbinder"
Ehedem war Gerhard Stövesandt regelmäßiger Gast beim Spargel- und Besenbinderfest in Klötze. Dort präsentierte er sein Handwerk. Dass sich dafür aber partout niemand aus Klötze finden ließ, daran mag er nicht so recht glauben. "Da war bestimmt auch ein bisschen Scham mit im Spiel. Von wegen, du armer Besenbinder." In der Gegenwart wolle man diesen Stempel nicht mehr aufgedrückt bekommen.
Gerhard Stövesandt war es einerlei. Und das Spargel- und Besenbinderfest ist seit vorigem Jahr Geschichte. Das Besenbinden vermutlich auch. Denn selbst Gerhard Stövesandt kann seine Nachkommen nicht mehr dafür begeistern.