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Berufsausbildung Erzieherausbildung ohne Lohn

Den Beruf Erzieher zu erlernen, bedeutet eine lange entbehrungsreiche Zeit: Es wird kein Entgelt gezahlt. Ein Beispiel aus Weddendorf.

Von Harald Schulz 17.04.2018, 03:00

Weddendorf l Als Heranwachsender über fünf Jahre lang ohne einen eigenen Cent Verdienst oder Entgelt auskommen, dazu mit unterschiedlichen Ausbildungsmodellen den Traumberuf Erzieher oder Erzieherin zu erlernen, dass bedeutet, eine große persönliche Herausforderung auf sich zu nehmen. Trotz aller persönlicher Einschränkungen steht für den 13-jährigen Malte Döring aus Wegenstedt fest, dass er Erzieher werden will. Der Schüler der evangelischen Sekundarschule Haldensleben war nun bereits das zweite Mal in der integrativen Kinderbetreuungseinrichtung „Wiesenhüpfer“ des DRK-Kreisverbands Altmark West in Weddendorf im Verlauf eines Schülerpraktikums zu Gast. Der Jugendliche ist überzeugt, dass er später alle Barrieren bis zum Staatsexamen überwinden wird.

Doch diese Hindernisse sind durchaus gravierende, wie die 17-jährige Betty Schulze aus Rätzlingen findet. Sie absolviert derzeit ihr Praktikum in der Weddendorfer Rot-Kreuz-Kindertagesstätte (Kita). „Reingeschnuppert“ hat sie im Rahmen ihres Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ). „Die Aufgaben standen im Verhältnis zu Motivation und Freude an der Arbeit“, heißt es von der 17-Jährigen. Allerdings muss sie Praktikum und Schulbank für den Beruf der staatlich geprüften Erzieherin in einem Fünf-Jahre-Modus absolvieren. Das ist Ländergesetz in Sachsen-Anhalt. Und während dieser 60 Monate erhält sie keinen Cent finanzieller Hilfe. Der Weg zum Ziel ist gesetzlich rein schulischer Natur ohne Ausbildungsvertrag oder Praktikumsentgelt.

Unter bestimmten Umständen wird ein Schüler-Bafög gewährt, das richtet sich dann nach den persönlichen Einkommensverhältnissen und auch nach dem elterlichen Einkommen. Ebenso ist es eine Kann-Möglichkeit, dass ein Bildungskredit beansprucht werden kann. Beide Möglichkeiten der Förderung sind jedoch individueller Natur und mit entsprechendem Aufwand ohne Garantie auf Erfolg auf den Weg zu bringen.

Eine gehörige Portion an sozialem Verständnis nennt der 18-jährige Aaron Kath aus Miesterhorst sein Eigen. Der ehemalige FSJ-ler und heutige Sozialassistent ist ehrenamtlich in seiner Kirchgemeinde, bei den Pfadfindern und innerhalb einer Wolfsburger Jugendgruppe aktiv. Sein allernächstes Ziel ist, die Prüfung zum Erzieher zu bestehen. Den praktischen Teil legt er in dieser Woche in der Weddendorfer Kita ab. Hat er seine vierjährige Ausbildung nach niedersächsischem Modell absolviert, soll das Studium in Sozialpädagogik folgen. Für Kath ist die Ausbildung zum Erzieher „eine unsoziale Kiste“. Dass nicht einmal Fahrkosten zur Fachschule oder zum Betrieb, wo das Praktikum geleistet wird, erstattet werden, „das geht gar nicht“. Ebenso müsste es nach seiner Auffassung eine bundeseinheitliche Regelung in dieser hoch qualifizierten Ausbildung geben, was Lernmittel, Praktika und Beschulung betrifft.

Nur allzu gut kennt die Leiterin der Rot-Kreuz-Kita, Simone Strauß, diese für den Beruf der Erzieherin oder des Erziehers stark belastenden Erschwernisse. „Es ist ein hartes Brot bis die jungen Menschen das Staatsexamen in den Händen halten können“, weiß die direkt an der Basis arbeitende Führungskraft. Und sie sitzt dabei zwischen den sogenannten Stühlen: Zum einen ist die Nachwuchsförderung ein wichtiges Element für den Berufsalltag, zum anderen muss, wie in diesem Fall, eine Kita sich nicht mit Praktikanten beschäftigen. „Wir tun es trotzdem, wissen, dass wir als Einrichtung ganz viel Gutes von den Praktikanten wiederbekommen“, unterstreicht Strauß.

„Sicherlich ist es eine Doppelbelastung für unsere Erzieherinnen, die Verantwortung für die Kinderbetreuung und dann noch freiwillig für das Handeln der Praktikanten zu tragen. Doch funktioniert dieses Geben und Nehmen, bleiben oft beste Ergebnisse zurück.“ Solche Ergebnisse stellen die ehemaligen Praktikantinnen Diana Zobel, Tori Linhardt und Julia Adam dar, die bei den Wiesenhüpfern als Praktikantinnen groß geworden sind und dort auch ihre berufliche Heimat gefunden haben.

Wie auf Volksstimme-Anfrage von Verdi-Landesfachberaterin Manuela Schmidt in Magdeburg zu erfahren war, befasst sich die Gewerkschaft mit den schwierigen Tatsachen. Seitens des Sozialministeriums des Landes, so Schmidt, wird zudem derzeit an einem Konzept gearbeitet, „dass die strukturellen Voraussetzungen verbessern soll, ohne dabei das Niveau dieser Ausbildung zu senken“.