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Martinimarkt-Tradition wird von Schaustellern an die nächste Generation weiter gegeben "Klötze ist fast wie eine zweite Heimat"

Von Meike Schulze 29.10.2012, 02:22

Schausteller-Unternehmen sind meist Familienbetriebe. Zum Martinimarkt kommen einige schon seit Jahrzehnten. Für sie ist ihr Gastspiel in Klötze eine Art Heimkehr. Die Volksstimme kam mit ihnen ins Gespräch.

Klötze l 85 Schausteller machen den Martinimarkt in Klötze zum größten Innenstadtfest der Altmark. Fast schon zum Inventar gehören die Familien Neutzsch aus Halle oder Stoll aus Erfurt.

Und so wie letztere ihre inzwischen erwachsenen Kinder während der Rummelzeit in Klötze beschulen ließen, handhabt es heute Manfred Lorenz. Der 42-Jährige ist seit sieben Jahren mit einem "Entenangeln" auf der Dammstraße präsent. Sein Sohn Charles (8 Jahre) war während des Klötze-Aufenthaltes für einige Tage Purnitz-Grundschüler. Und der Vater hofft, dass später auch Nesthäkchen Lola (1 Jahr und 8 Monate) hier zur Schule gehen kann: "Der Martinimarkt ist ein gutes Fest. Wir kommen gerne her. Die Leute sind nett, und wirtschaftlich passt es auch." Deshalb nimmt der gebürtige Halberstädter die 250 Kilometer lange Fahrt von Herzberg im Elbe-Elster-Kreis gerne auf sich. Schon am Montag vor Marktbeginn war er angereist, stellte die "Ente", wie er das fast nagelneue Geschäft bezeichnet, und den Wohnwagen ab und fuhr dann nach Leipzig, um von dort den großen Wohnwagen nach Parchim zu bringen. Am späten Dienstagnachmittag war er wieder hier und hat am Mittwoch dann die Bude eingeräumt, sodass am Donnerstag pünktlich zur Eröffnung Kinder voller Begeisterung gelbe Entchen angeln konnten.

Zuvor war Manfred Lorenz noch ehrenamtlich tätig - als Mitglied der Supertalent-Jury. Da gab er nicht nur seine Stimme für seine Favoriten ab, sondern sponserte auch alle Sachpreise, die an die Nachwuchskünstler verschenkt wurden. "Ich mache das, weil ich ein verständnisvoller Mensch bin und weil ich Klaus Bergmann, den städtischen Organisator, sehr gut leiden kann. Das ist für mich ein sehr engagierter, offenherziger und sympathischer Mensch, weil er versucht, mit wenigen Mitteln was auf die Beine zu stellen. Da bin ich - besonders für ihn - gerne bereit, etwas zu geben."

Manfred Lorenz ist Schausteller in fünfter Generation. Sein Urgroßvater habe die Reiserei einst mit einer dampfbetriebenen Berg- und Talbahn begonnen und mit seinen rund 25 Angestellten auch noch eine Achterbahn betrieben sowie einen Kinomatographen. "Da wurden Diafilme gezeigt, wozu dann einer Klavier gespielt hat, ähnlich wie beim Stummfilm", erläutert Lorenz.

Wenn heute Abend die Zelte wieder abgebrochen werden, fährt Familie Lorenz weiter nach Parchim, danach folgt Grabow. Mit kleineren Festen zur Weihnachtszeit wird die Saison 2012 beendet, "und kurz vor Ostern, so um den 23. März 2013 rum, geht es wieder los".

Stefan Tietjen-Rasch ist seit 1994 jedes Jahr in Klötze

Nach Klötze nur noch eine Station hat Stefan Tietjen-Rasch vor sich. Seit 1994 steht der Hamburger mit seiner Quarkbällchen- und Schmalzkuchen-Bäckerei auf der Oebisfelder Straße. "Es ist toll, dass wir jedes Jahr dabei sein dürfen. Hier wächst man mit den Leuten mit und lernt die Generationen kennen. Anfangs hat die Oma mit ihren Enkeln die Schmalzkuchen gekauft, heute kauft schon das Enkelkind mit seinen Kindern. Das erleben zu können, ist großartig", sagt er. Für Tietjen-Rasch habe der Markt ein besonderes Flair: "Hier sind sehr viele Familien, es ist ein sehr gemütliches Fest, und man merkt, dass die Leute sich freuen, dass wir kommen. Es ist ein großes Miteinander. Wir werden gut aufgenommen und erfahren überall große Hilfsbereitschaft, besonders von den Nachbarn und Anwohnern. Das ist nicht überall so."

Henry Jacob war schon als Kind auf dem Martinimarkt

Einer, der als Schaustellerkind mit dem Markt aufwuchs, ist Henry Jacob. Ging der 45-Jährige früher hier neun Jahre lang für vier oder fünf Tage zur Schule, betreibt er heute mit seiner Frau Inka und Tochter Jil (18) die Enzianhütten. Auch Sohn Charly (16) packt mit an. Jacob entstammt einer großen Schaustellerfamilie, sein Großvater und Vater betrieben früher unter anderem die Luftschaukel und sein Onkel das Kettenkarussell. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg seien sie immer zum Rummel nach Klötze gekommen. "Da ist Klötze schon fast so etwas wie eine zweite Heimat", sagt er.

Die jungen Jacobs sind seit Anfang der 1990er Jahre als Selbständige mit ihren Enzianhütten beim Markt dabei, manchmal auch noch mit dem "Singenden Elch". Die Trinkhütten erfreuen sich eines großen Stammkunden-Kreises. "In Klötze ist es wie auf keinem anderen Platz, und das Besondere ist, dass sie hier den Enzian auch wirklich trinken", sagt Inka Jacob. In einem Jahr sogar so viel, dass das Gebräu ausverkauft war - allerdings nur für einen Abend. "Das habe ich noch nie erlebt. Wir sind dann am nächsten Morgen gleich los und haben für Nachschub gesorgt", erinnert sie sich lachend.

Charly und Jil Jacob gingen allerdings nicht in Klötze zur Schule, sondern wurden in Tangerhütte, wo die Familie ihren festen Wohnsitz hat, von der Oma betreut. Inka Jacob erklärt: "Wegen der vielen unterschiedlichen Lehrbücher ist es heutzutage für die Kinder schwierig, den Anschluss zu halten."

Fotos vom Martinimarkt-Wochenende in Klötze finden Sie auf Seite 21 und im Internet unter www.volksstimme.de