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Neujahrsempfang „Nicht alles überstülpen lassen“

„Wer aufbricht, der kann hoffen ...?!“ Unter diesem Thema fand im Landjugendzentrum ein Gespräch zur Flüchtlingssituation statt.

Von Meike Schulze 12.01.2016, 02:00

Kusey l Die Resonanz auf die Einladung zum Neujahrsempfang war unerwartet groß. Es mussten noch Stühle zusätzlich herbeigeschafft werden, um allen Interessenten Platz anbieten zu können. Als Gäste für das Podiumsgespräch begrüßte Pfarrer Bernd Schulz Menschen, die in verschiedenen Bereichen in die Flüchtlingshilfe involviert sind und aus ihrer Sicht Aussagen zur Situation trafen. Im Einzelnen waren das Matthias Mann, Bürgermeister der Stadt Klötze, Jürgen Barth, Landtagsabgeordneter der SPD, Christina Dietmann, Integrationskoordinatorin des Kirchenkreises, Eckhard Gnodtke, stellvertretender Landrat und Integrationsbeauftragter des Altmarkkreises, Gerhard Kreuzer, Sozialpädagoge aus Hitzacker, Martin Zander, ordinierter Gemeindepädagoge und Leiter des elz, sowie Mirko Wolff, Bildungsreferent des Vereines Miteinander.

Moderiert von Pfarrer Bernd Schulz, beantworteten die Gäste auch Fragen, die von den Zuhörern gestellt wurden. So berichtete Eckhard Gnodtke auf die Frage von Janusz Schmidt aus Klötze, dass der Altmarkkreis 2015 rund 1100 Flüchtlinge aufgenommen habe. Entgegen der Ankündigung seien das bis zu 80 Prozent alleinreisende Männer, die in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht würden. Familien bekämen dagegen Wohnungen. 227 habe der Kreis angemietet, unter anderem in Salzwedel, Pretzier, Mieste, Kalbe, Klötze, Groß Gerstedt und Neuendorf, die aber nicht alle vergeben seien.

Schmidt wollte auch wissen: „Wie ist die Sicherstellung, damit so etwas wie in Köln hier nicht passiert?“ Die Antwort, dass es klare Absprachen mit der Polizei gebe, ergänzte Matthias Mann dahingehend, dass „wir hier eine sehr stabile Sicherheitslage und ein stabiles Sicherheitssystem haben“. Er appellierte: „Wir müssen uns die Ereignisse von Köln nicht eins zu eins überstülpen lassen. Wir haben einen gut funktionierenden Rechtsstaat.“ Allerdings, so Mirko Wolff, gebe es in der Bevölkerung einen „hohen Wunsch nach belastbaren Informationen“.

Dass es im Land einen absoluten Rechtsrutsch gebe, glaube er nicht. Es gebe immer Menschen, die ihre Meinung rechtspopulistisch äußern, teilweise geschehe dies aber nicht aus Überzeugung, sondern aus Verunsicherung. Zu ihnen gehörten beispielsweise Lehrer, die sich an die Beratungsstelle des Vereins wenden, um Tipps zu bekommen, wie sie bei rassistischen Äußerungen von Schülern angemessen reagieren können. „Meine Erfahrungen mit Flüchtlingen sind durchweg positiv“, konnte Christina Dietmann berichten. „Auch von jungen Männern bin ich höflich behandelt und respektiert worden“, so Dietmann, die einräumte, dass die Sicherheitslage in Großstädten komplizierter sei, „als auf dem Land“.

Martin Zander bekräftigte das und machte die Zuhörer mit Muhammad Merwias Durrani bekannt. Der 33-jährige Familienvater ist vor einigen Monaten aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. In seiner Heimat habe er Medizin studiert, musste das Studium wegen der prekären Lage im Land aber abbrechen, habe gejobbt und einen Laden eröffnet. Martin Zander übersetzte aus dem Englischen: „Er war kein armer Mensch, aber die Gefahrensituation war so groß, dass er fliehen musste.“ Alleine, denn seiner schwangeren Frau und den sechs geborenen Kindern habe er die Reise nicht zumuten können. Sie werden von seinen Eltern mitversorgt.

Bezogen auf das Thema „Wer aufbricht, der kann hoffen...?!“ erfuhren die Zuhörer auch, dass Muhammad Merwias Durrani derzeit intensiv deutsch lernt, einen Asylantrag gestellt und bereits eine Beschäftigungserlaubnis erhalten habe. Demnächst werde er in einer Salzwedeler Firma, die Bedarf angemeldet habe, eine Arbeit aufnehmen. „Und“, sagte er später im Gespräch mit der Volksstimme und Tränen in den Augen „ich hoffe, dass ich hier sicher leben und meine Familie wiedersehen kann.“