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Ökodorf Poppau Vom Bauwagen zum Strohballenhaus

"20 Jahre Sieben Linden" lautet das Motto eines Sommercamps im Ökodorf bei Poppau. 260 Interessenten nehmen daran teil.

Von Tobias Roitsch 29.07.2017, 03:00

Poppau l Einen deutlichen Zuwachs bei der Einwohnerzahl kann das Ökodorf Sieben Linden in diesen Tagen verzeichnen. Denn neben den 145 Bewohnern, die dort sonst leben, kamen am vergangenen Sonntag noch einmal 260 weitere hinzu. Für eine Woche haben die rund 200 Erwachsenen sowie gut 60 Kinder und Jugendliche dort ihre Zelte aufgeschlagen – als Teilnehmer des einwöchigen Sommercamps. Die diesjährige Ausgabe steht dabei unter dem Motto „20 Jahre Sieben Linden“. Heute endet das Camp mit einem Fest.

Yoga für den Verstand, Gruppenimprovisation oder Gartenpraxis – die Themen der Workshops des Sommercamps, die seit Montag angeboten wurden, waren vielfältig. In einem weiteren Kurs konnten Interessenten das Ökodorf Sieben Linden kennenlernen. Und auch die 20-jährige Geschichte spielte eine Rolle. Am Donnerstagmorgen wurde die Festschrift präsentiert, die anlässlich des runden Jahrestages entstanden ist. Mehr als 25 Autoren füllten 136 Seiten mit den Erinnerungen aus den letzten Jahren.

Die Festschrift ist eine Ausgabe des vierteljährlich erscheinenden Rundbriefs des Vereins Freundeskreis Ökodorf, den die Mitglieder erhalten. „Der Umfang ist dieses Mal aber deutlich größer“, wusste Ines Lüdemann zu berichten. Die Bildungsreferentin führte die Volksstimme für einen Rückblick durch das Ökodorf.

Früher war das Gelände ein Bauernhof. Die Vorbesitzer hätten versucht, das Haupthaus zu sanieren. „Doch dann ist der Dachstuhl bis in den Keller zusammengestürzt“, wusste Lüdemann. So bestand eine Aufgabe der Ökodorf-Pioniere unter anderem darin, das Gebäude neu aufzubauen. Der Resthof wurde für Gäste hergerichtet, denn schon damals wurden Seminare angeboten. „Die Pioniere sind in Bauwagen hergezogen.“ Rund 20 waren es im Winter 1997. Für sie wurde ein Gemeinschaftsraum hergerichtet, der gleichzeitig Büro, Wohnzimmer und Bad war. Die ersten Wohnhäuser entstanden als Ökohaus-Bausystem. „Es waren Familien mit Kindern und Rentner, die keine Kapazitäten zum Selberbauen hatten“, so Lüdemann. Errichtet wurden die Häuser deshalb von externen Profis. Heute gibt es viele Handwerker in Sieben Linden, die den Bau der Wohnhäuser übernehmen. Gebaut werden nun Strohballenhäuser. Das älteste und erste seiner Art in Deutschland steht in Sieben Linden. Die Wände bestehen aus Strohballen, Lehm und Holz.

Der Bau zog sich über fünf Jahre hin, alles war Handarbeit. Verwendet wurden auch recycelte Materialien wie Nägel, die geradegekloppt werden mussten und Fenster mit Einfachverglasung. Durch Sieben Linden habe Stroh eine Zulassung als Baustoff bekommen.

Neben dem ökologischen Aspekt spielt die Gemeinschaft im Ökodorf eine wichtige Rolle. „Gut leben ist etwas anderes als viel zu haben“, sagte Ines Lüdemann. Ihre Zufriedenheit wollen die Bewohner durch andere Faktoren erreichen. Um die Gemeinschaft leben zu können, gibt es viele kulturelle Angebote: Tanzkurse für Kinder und Erwachsene, die Kneipe öffnet regelmäßig, am Mittwoch lockt die Sauna. Manchmal müssten die Bewohner sich schon fragen, wann sie denn zum letzten Mal das Dorf verlassen haben. „Wir laden uns Leute ein und gehen auch raus. Wir leben hier nicht in Selbstgenügsamkeit“, so Lüdemann.

Einwohner aus dem Ökodorf seien Mitglied in der Freiwilligen Feuerwehr Poppau. Damals habe der Gemeinderat die Sieben Lindener willkommen geheißen. „Es gab aber auch Skeptiker“, so Lüdemann. Heute gebe es Aktionen, zu denen die Poppauer und die Sieben Lindener zusammenkommen, etwa das Volleyballturnier der Feuerwehr. „Es läuft einiges zusammen, es gibt Überschneidungen und Miteinander. Doch wir sind die Zugezogenen und werden es in den nächsten Generationen wohl bleiben“, schätzte Lüdemann ein.

Nach wie vor ungebrochen sei das Interesse von Menschen, die gern im Ökodorf leben wollen. Das Wachstum sei aber begrenzt und hänge von den freien Wohnräumen ab. Wer dort leben möchte, müsse zuvor einen langen Weg beschreiten. Drei Kurse sind zu absolvieren. Die Probezeit beträgt ein Jahr. Die lange Vorbereitung sei wichtig, immerhin lebe man im Dorf eng zusammen und treffe wichtige Entscheidungen gemeinsam, etwa über Investitionen.

Trotzdem gebe es auch mal Konflikte. Beim Thema Tierhaltung gingen die Meinungen etwa regelmäßig auseinander. Denn diese müsse immer artgerecht sein, lautet ein Grundsatz. Tiere, die geschlachtet werden sollen, dürfen gar nicht gehalten werden. „Wir werden uns keine Kuhherde anschaffen, nur weil wir Milch brauchen“, machte Lüdemann deutlich.